Die Forderung

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Lekes Sicht:

„Du hälst jetzt also zu ihm?"

Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich Jacks Stimme wahrnahm. Wie hatte er uns bloß gefunden? Schließlich waren wir alle zusammen nach unserem Frühstück schwimmen gegangen und sonst hatte davon keiner gewusst.

Der Tag war viel zu schön, um ihn ungenutzt verstreichen zu lassen, die Sonne knallte auf unsere nackten Rücken und warmer Wind strich durch unsere feuchten Haare. Und dennoch hatte Jack es anscheinend geschafft uns aufzuspüren.

„Müsstest du nicht noch eigentlich im Krankenhaus liegen?", entgegnete Shy, ohne auf seine Frage einzugehen. Langsam drehte ich mich in die Richtung der beiden.

„Weil dein ach so toller Freund mich bewusstlos geschlagen hat?", Jacks Worte schnitten wie ein Messer durch die Luft. Unwillkürlich hielt ich bei seiner Anschuldigung den Atem an. Mein Kopf arbeitete fieberhaft an einer passenden Entgegnung, doch Shy war mal wieder schneller.

„Kann ja nicht jeder ahnen, dass du so einen weichen Stand hast und bei jedem Windzug sofort umkippst." Ich sog scharf die Luft ein und sah beunruhigt zu ihr hinüber. Doch der Schemen neben mir stemmte nun verärgert die Hände in die Hüften.

„Ich zeige dir gleich was ein echter Windstoß ist!", zischte Jack mit drohender Stimme. Er musste einen knallroten Kopf vor Wut haben.

„Hey, halt mal die Luft an!", bei seinen Worten hatte sich ein Schalter in meinem Kopf umgelegt, auf einmal wusste ich, was zu tun war oder besser, was ich tun musste.

Mit wütender Miene schob ich mich zwischen ihn und Shy und zog sie an der Hüfte hinter mich, was gar nicht so einfach war, weil sie Jack nicht ausweichen wollte.

„Sag das noch einmal, und ich schicke dich wieder ins Krankenhaus", ich hasste es, ihm diese drohenden Wörter an den Kopf zu werfen, wo ich ihn doch gar nicht absichtlich eine Gehirnerschütterung verpasst hatte. Das war nie meine Absicht gewesen.

„Noch nicht genug Sozialstunden gesammelt? Oder wollt ihr dieses mal wirklich in den Jugendknast?", er hatte sich ebenfalls an Pacey, Zack und Jasper gewandt, die wie Bodyguards neben uns standen, mit durchgedrückten Rücken und angespannten Muskeln waren sie bereit, sich jede Sekunde auf Jack zu stürzen.

Sie wirkten wie hungrige Wölfe, die nur auf mein Startsignal warteten. Doch soweit wollte ich es nicht kommen lassen. Nicht noch einmal.

Ich versuchte ruhig zu bleiben, als ich mich erneut zu einer Antwort herabließ. „Ich wollte dir eine Lektion erteilen, aber anscheinend hast du immer noch nichts dazugelernt."

„Oh doch", Jacks Stimme klang voller Ironie. Er stieß ein abfälliges Schnauben aus. „Das habe ich, Leke Flynn. Du und deine trainierten Zoobären hier, ihr seid nicht besser als jeder andere Möchtegern. Die gleiche Leier, die gleichen Worte, die gleichen Taten.

Ich und meine Freunde haben dir nichts getan und ihr habt uns einfach mitten in der Nacht, als wir längst betrunken und völlig überrascht waren, angegriffen. Dafür werdet ihr eure gerechte Strafe schon noch erhalten. Doch mich beruhigt, dass DU anscheinend ebenfalls nichts dazugelernt hast."

Ich hatte bei seinen Worten verärgert den Kopf geschüttelt. Meine Lippen waren beleidigt aufeinander gepresst. Jack wollte mich verletzten und er wusste, wie er das am besten anstellte. Seine Worte waren schon immer seine gefährlichste Waffe gewesen. Ein Grund, warum ich ihm für gewöhnlich auch aus dem Weg ging.

„Wovon redest du bitte?", schnaubte ich immer noch stocksauer. Ich würde mich nicht mehr lange im Zaun halten können, genau so wenig wie meine Freunde.

„Versteht ihr denn nicht? Euch macht NICHTS, aber auch gar nichts besser als uns, im Gegenteil", ich hörte aus Jacks Worten ein überlegenes Lächeln heraus. Wie gern würde ich es ihm augenblicklich austreiben. Meine Fingerspitzen fingen an zu kribbeln.

„Vergiss es Leke", ich horchte überrascht auf und versuchte ihn zu taxieren. Leider wusste ich nicht, ob es mir gelungen war.

„Ihr seid die unbändigen Bullen, die wilden, verwahrlosten Tiere, total verrückt, wie ihr auf uns losgegangen seid, laut schreiend aus der Dunkelheit. Und das alles nur wegen eines Mädchens? Wozu die Mühe?

Nach ein paar Tagen wird Shy merken, was sie an die hat ... oder eben auch nicht. Sie wird dich wieder verlassen und du stehst alleine da, schlechter und erbärmlicher als je zuvor. Du wirst alles verlieren, nur weil du alles gewinnen wolltest."

Er trat einen Schritt näher an mich heran. „Sag mir, war es das wert?"

Ich spürte wie Shy hinter mir wütend schnaufte, ihre Hand strich zwar über meinen Rücken, doch eher um sie selber zu beruhigen.

„Ja", antwortete ich schlicht und einfach.

„Ja, das war es."

„Wenn du meinst..."

„Hörst du endlich auf mit deinen blöden Andeutungen und Vorhersagen, die eh nicht stimmen? Du nervst gewaltig und wenn du nicht bald verschwindest, dann werde ich-"

„Ja, Leke, was wirst du dann? Erneut auf mich losgehen, ihr alle?"

Ich konnte sein überlegenes Auftreten nicht ausstehen. Es reizte alle Sinne in mir, zermürbte meine letzte Ruhe, die ich zwanghaft aufgeboten hatte. Wütend ballte ich die Fäuste. „Zwing mich nicht dazu!"

„Na gut, wenn du nicht lernen willst, dann sieh wenigstens ein, dass ich es tue."

Auf einmal Pfiff Jack vor uns laut durch die Finger und ich erblickte Schemen, die aus dem Nichts aufzutauchen schienen. Erst einen, dann noch einen, bis ich sie schließlich nicht mehr überblicken konnte. Es mussten mindestens acht sein.

„Verdammte Scheiße", hörte ich neben mir Zack murmeln, welcher Brook näher zu sich zog.

„Wir kommen hier nicht weg, hinter uns ist der Fluss!", zischte Pacey beunruhigt, während er unauffällig die Lage analysierte.

„Was machen wir jetzt?", Brooks Stimme durchschnitt aufgeregt unsere Stille.

Erneut zählte ich nach. Es waren wirklich neun mit Jack, zu viele, als das wir auch nur ansatzweise anfangen können würden uns zu wehren. Sie würden uns zermürben, noch bevor wir den ersten Schritt getan hatten.

Auf einmal erinnerte die Szene tatsächlich an zwei Wolfsrudel, die sich angespannt gegenüberstanden, jedem einer.

„Na, was sagt ihr jetzt?", Jack lachte leicht auf, während er genau unsere Reaktion beobachtete. Doch ich gab ihm nicht die Freude, mich schwach zu sehen. So war ich einfach nicht.

„Toll, du hast ebenfalls abgerichtete Bären", als ich seine Worte benutze spürte ich augenblicklich seine Missbilligung, die wie eine Welle zu mir herüberschwappte. Ich konnte nicht anders als Lächeln. Das schien alle, selbst Paecy oder Zack zu verwirren.

„Was sollen wir jetzt machen? Uns prügeln? Vor den Mädchen?"

Jack Worte überraschten mich. „So weit muss es nicht kommen."

„Was soll das heißen?", hakte ich irritiert nach und spürte, wie ein kalter Schauer über meinen Rücken ließ. Ich hatte eine schreckliche Vorahnung.

„Das es auch einfach geht, ganz einfach. Kein Prügeln, kein Schmerz, kein gar nicht. Nur eine klitzekleine Kleinigkeit."

„Und die wäre?", fast kamen die Worte nicht über meine trockenen Lippen. Jeglicher Speichel schien meinen Mund verlassen zu haben und ich schluckte trocken.

Jack grinste, ich wusste es einfach, während mein Lächeln zu Eis gefror.

„Shy."


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt