Lekes Sicht:
„Bitte werden Sie ruhig, meine Damen und Herren. Unser Eröffnungstanz wird in wenigen Augenblicken beginnen!", schallte die rauchige Stimme unseres Direktors durch das Mikrofon, woraufhin die Gespräche allmählich verstummten, bis sich alle Augen auf uns gerichtet hatten.
Ich spürte die Blicke der Lehrer und der Schüler der Stufe über uns. Diese durften zwar erneut mittanzen, jetzt jedoch mussten sie zugucken.
Heimlich wischte ich mir die Finger erneut an der Hose ab. Mir kam es vor, als würde ich aus allen Poren meiner Haut schwitzen.
Selbst wenn du nicht alle Schritte richtig tanzt, wird es kaum auffallen. Keiner von denen hier kann perfekt tanzen!, versuchte ich mich selber zu beruhigen. Doch es funktionierte nicht. Stattdessen machte ich mich nur noch verrückter.
„Alles okay?", hörte ich auf einmal Shy fragen, leise und nah an meinem Ohr.
Ich musste den angesammelten Speichel hinunter schlucken, bevor ich antworten konnte: „Ja, klar. Alles bestens!" Ich zwang mich zu einem leichten Lächeln und rieb mir mit dem Ärmel des Anzugs erneut über die Stirn.
Als ganz plötzlich die Musik anfing, zuckte ich erschrocken zusammen. Auf einmal spürte ich Shys Hand auf meiner Schulter und fühlte, wie ihre Finger der anderen Hand meine suchten.
Ganz vorsichtig schob ich meine Hand nach vorne, bis ich ihr Kleid berührte. Langsam tastete ich bis zu Seite vor und umfasste mit leichten Griff ihre Hüfte.
„Bereit?", hörte ich sie flüstern, als die Musiklehrerin am Rand anfing, den Takt vorzugeben.
Eins, zwei, drei, vier.
Es lag mir auf den Lippen. Das: Bereit, wenn du es bist. Aber ich traute mich nicht, es zu sagen. „Ja, bereit", antwortete ich stattdessen und lächelte sie an.
Fünf, sechs, sieben, acht.
Ganz automatisch setzte ich meine Füße erst nach vorne, dann nach hinten. Ich drehte uns ein Stück und wiederholte das ganze, während auch die anderen Paare um uns herum zur Walzermusik zu tanzen anfingen.
Mein Herz pochte wie wild, während ich mich konzentrierte, die Schritte richtig zu setzten. Wenn ich auch nur einen Fehler machen würde...
Ich fühlte Shy überdeutlich, jetzt, da ich sie führte, da ich sie in meinen Händen hielt, sie spürte. Und sie war echt. Da. Genau in diesem Moment tanzte sie mit mir.
Und das hätte ich mir niemals zu erträumen gewagt. Es war wie ein lang ersehnter Wunsch, der endlich in Erfüllung ging, von dem ich aber gar nichts gewusst hatte.
„Schön, oder?", flüsterte mir Shy auf einmal ins Ohr, ihr Kopf war meinem so nah, dass ich ihren warmen Atem auf meiner Haut spürte.
Ich nickte, ebenfalls ganz gefangen. „Ja."
Das hier war so ganz anders. So waren Shy und ich uns noch nie begegnet. Und genau in diesem Moment dachte ich daran, was wäre wenn Was wäre, wenn sie die Wahrheit über mich wissen würde. Was würde sie dann tun, wie würde sie reagieren?
Genau jetzt, wo alles so wunderbar einfach und leicht war, da könnte ich es ihr sagen. Fast hätte ich den Mund aufgemacht und es ihr gesagt. Gesagt, dass ich fast blind war.
Mein Mund war schon offen, die Worte lagen mir auf den Lippen, doch im selben Moment benutze ich den falschen Fuß und Shy stolperte darüber. Ohne lange nachzudenken wurde mein Griff um ihre Hüfte fester und ich versuchte krampfhaft nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
Du hast zu viel nachgedacht, durchzuckte es mich. Du hast dich nicht mehr darauf konzentriert zu tanzen, und das hast du jetzt davon!
„Entschuldigung!", stammelte ich sofort und hielt sie weiterhin in meinem Griff bis ich spürte, dass sie wieder komplett auf ihren eigenen Füßen stand.
„Hups", murmelte sie und strich sich ein wenig durcheinander eine lockere Haarsträhne aus dem Gesicht. Während alledem hatte sie meine Hand nicht ein einziges mal losgelassen.
„Komm, weiter!", forderte sie mich auf und begann, leise zu zählen. „Eins, zwei, drei, vier!"
Wir brauchten zwar eine Weile, bis wir wieder vollkommen im Takt waren, aber wir schafften es. Unbewusst stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen. Doch der Moment war viel zu kurz.
Ganz allmählich wurde die Musik wieder leiser und die Paare hörten nach und nach auf zu tanzen, so dass auch wir schließlich stehen blieben und den Applaus der Zuschauer abwarteten.
Doch eine Sache hatte sich im Vergleich zu vorher geändert: Shy ließ meine Hand nicht mehr los.
So richtig freuen konnte ich mich nicht, durfte ich mich nicht, schließlich war es eine Lüge, auf der unsere Verbindung jetzt gerade aufbaute. Und diese waren eine wackelige Angelegenheit, wie ich aus Erfahrung wusste.
Verdammt.
„Na seht ihr, war doch gar nicht so schlimm, oder? Mädchen sind halt doch nicht so ekelig und Jungs interessieren sich anscheinend doch nicht nur für Fußball und Videospiele!", hörte ich auf einmal Jasper links neben mir sagen.
Dieser hatte mit Blick auf unser Händchen-halten wissend eine Augenbraue hochgezogen, so wie immer, wenn er zeigen wollte, dass er Recht hatte.
„Das musst du gerade sagen, Jasper!", entgegnete Shy ihm und in ihrer Stimme klang ein seltsamer Unterton mit. Es war wie bei mir, als wären wir noch immer am tanzen, immer noch alleine und weit entfernt von all unseren Problemen.
„Was soll das denn heißen?", die entrüstete Stimme von Jasper klang schon ein wenig unsicher.
„Nichts, Jas, vergiss es", Shy verwarf ihren Gedanken mit einer Handbewegung, warf mir jedoch einen belustigten Blick zu.
Ich spürte ihre Augen auf mir, obwohl ich mir da gar nicht sicher sein konnte. Dennoch wusste ich, dass das was hier gerade passierte, seltsam war. Doch es fühlte sich gut an, zumindest, solange ich nicht lang genug darüber nachdachte.
~~~~
Freut euch auf das nächste Kapitel, denn es beginnt. ^^
DU LIEST GERADE
The blind Badboy
Teen FictionJeder spielt als Kind verstecken in der Dunkelheit. Jeder schließt die Augen und stellt sich vor, was wäre wenn. Doch niemand tut es für immer. Leke schon. ~Ein braunhaariger Tollpatsch, blind und ziemlich durchgeknallt, steigt ein in das Rennen um...