40. Stärker als Holz?!

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Lekes Sicht:

Mein ganzer Körper zitterte.

Ich hatte mich so gut wie möglich zusammengerollt und lag nun seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem dreckigen Fußboden.

Doch es wurde nicht besser, im Gegenteil. Die Kälte kroch mir ganz langsam in die Glieder und ich konnte nichts dagegen machen.

Ich war nicht so jemand, der Shy die Decke wieder wegnehmen würde. Aber mit drunter legen würde ich mich auch nicht.

Da war mir die Totenstille, die nur von unserem kaltem Atem unterbrochen wurde, doch eindeutig lieber.

Wann kam bloß Jasper wieder? Langsam hatte ich nämlich wirklich genug!

Ich hatte mich ja entschuldigen wollen, aber egal was man Shy sagte, es war falsch.

Nein, dachte ich mir auf einmal bitter und presste die Arme noch stärker an meinen Körper, alles was DU sagst ist falsch.

Ich zuckte erschrocken zusammen, als Shy auf einmal anfing zu schreien. Ganz plötzlich, nachdem sie stundenlang ruhig geblieben war.

„Verdammt, JAAASPER!", sie musste husten, als ihre Stimme abkratzte. Ich fuhr verwirrt hoch und starrte in ihre Richtung.

„Mach diese verdammte Tür auf, ich habe keinen Bock mehr!", brüllte sie.

Ich spürte, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Sie klang völlig aufgelöst und erschöpft, als hätte ihr die Zeit hier viel mehr abverlangt als mir.

„Jasper", mittlerweile war ihre Stimme einem verzweifelten Flüstern gewichen, dass sie hilflos in die Luft murmelte.

Ich schluckte, unsicher, was ich jetzt tun sollte. Wollte ich mich tatsächlich noch ein zweites mal mit ihr anlegen und riskieren, dass ich dieses mal nicht nur mit ein paar Worten davonkam?

Ein paar ziemlich schlimmen Worten, hässlichen, die mich eigentlich schon genug gelehrt haben müssten.

Sie braucht dich, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Jetzt geb' dir doch einen Ruck!

Aber tat Shy das wirklich? Oder wirkte sie lediglich so?

Mit einem Knacken in den Beinen stand ich auf und näherte mich ihr vorsichtig. Die Sache mit dem Tiger hatte ich nicht vergessen.

„Alles okay?", fast flüsterte ich, um sie nicht zu erschrocken. Oder mich. Die Stille hatte von uns beiden ihren Tribut gefordert. Meine Stimme war ebenfalls rau.

„Nichts ist okay!", antwortete sie wütend und stöhnte frustriert auf. „Wie bin ich bloß in diese verflixte Situation gekommen?"

„Das habe ich mich auch schon gefragt", ein leichtes Lächeln huschte unwillkürlich über mein Gesicht. Ich konnte einfach nicht anders.

„Und du findest das auch noch lustig..." Mein Lächeln gefror.

„Dann eben nicht. Spaßbremse. Außerdem finde ich es genauso beschissen wie du! Ich wollte auch nicht hier sein, aber jetzt ist es eben so...", versuchte ich sie dazu zu bewegen, ein wenig freundlicher zu sein. Ich zuckte mit den Schultern.

„Und was schlägst du jetzt vor?", ihre Stimme klang fast ein wenig hoffnungsvoll. Ihr schien anscheinend kein anderer Ausweg eingefallen zu sein, als mich zu fragen. Armes Ding.

„Ich ...", stammelte ich und schaute mich suchend um. Natürlich sah ich nichts.

„Das ist so eine Sache...", murmelte ich nachdenklich, „das Beste draus machen?"

Bist du ein verdammter Hippi oder was ist mit dir los? Das Beste draus machen?!  Ernsthaft?

„Das habe ich schon versucht", meinte sie mit resignierter Stimme und seufzte erneut. „Ich will einfach nur hier raus, diese verflixte Dunkelheit macht mich fertig."

Ich versuchte mir bei ihren Worten nichts anmerken zu lassen, doch kurz zusammenzucken tat ich trotzdem.

„Ja, da hast du Recht", und dieses mal war meine Bitterkeit nicht gespielt oder übertrieben. Sie war so echt wie dieser Raum hier, düster und kalt.

„Die Tür ist aus Holz, oder?", kam mir auf einmal eine Idee und ich runzelte nachdenklich die Stirn. Ich hörte die Bewegung, als sie sich umdrehte und das Material befühlte.

„Ja, aber ... was hast du vor, Leke?", hörte ich das richtig, oder klang sie sogar ein bisschen verängstigt?

Ein verschmitztes Lächeln kehrte auf meine Lippen zurück, ehe ich vortrat und ebenfalls die Tür befühlte: „Achtung", murmelte ich und hörte, wie sie ebenfalls aufstand und zur Seite trat.

Das Holz fühlte sich leicht nass an, ganz wie ich es mir gedacht hatte. Die Feuchtigkeit hatte im laufe der Jahre selbst vor ihr nicht haltgemacht.

Doch als ich mich mit aller Kraft gegen sie drückte passierte nichts. Ich spürte lediglich, wie sich das Holz unter meinem Druck ein wenig nach außen beugte, mehr nicht. Wäre ja auch zu schön gewesen.

Fest entschlossen, uns auf diesem Weg hier heraus zu bringen, trat ich genau drei Schritte zurück.

„Leke, bist du dir sicher, dass das der richtige Weg ist?", hakte Shy immer noch nicht begeistert von meiner Idee nach.

„Es ist der einzige", meinte ich grinsend und sammelte mich innerlich. Ich würde gleich gegen diese Tür rennen. Jetzt musste ich es nur noch machen.

Ich atmete ein, als würde ich während der ganzen Aktion nicht an Sauerstoff kommen, was natürlich Quatsch war, aber mich beruhigte es. Und endlich rannte ich los.

Okay, rennen wäre übertrieben.

Ich machte meine drei Schritte – und knalle volle Kanne gegen die Holztür. Obwohl ich deutlich mehr Schwung gehabt hatte, gab sie immer noch nicht nach.

„Verdammt", fluchte ich und rieb mir meine Schulter. Doch ich hatte schlimmeres erwartet.

Erneut ging ich zurück, dieses mal bis zur gegenüberliegenden Wand. Neun Schritte. Jetzt musste ich nur noch gerade laufen.

„Leke", ich spürte auf einmal eine angenehme Wärme an meinem Arm.

Shys dünne Finger umklammerten ihn, hielten mich zurück. Ich spürte, dass sie mich ansah. Immer noch wütend, aber dennoch nicht willens, mich noch einmal gegen diese Tür laufen zu lassen.

„Es ist okay....wir warten einfach noch ein bisschen, es ist nicht so schlimm..."

Aber ich wusste, dass es gelogen war.

Niemand konnte mich anlügen, nicht, wenn ich der Meister der Lüge war. Ich hielt ihrem unsichtbaren Blick stand und löste ganz langsam ihre Finger von meinem Körper.

Auch, wenn mich die Berührung halb verrückt machte. Verrückt nach ihr. Aber ich wusste, dass es dumm war. Dumm von mir, mir Hoffnungen zu machen.

„Alles gut", meinte ich und widmete meinen Blick wieder der Tür.

Und dann nahm ich Anlauf.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt