Die Tür gab nach. Und schnellte danach wieder in ihre ursprüngliche Position zurück, sodass ich mich auf einmal auf dem Boden wiederfand. Meine Schulter brannte, genau so wie mein Arsch.
Ganz automatisch begann ich sie voller Wut anzuknurren, als würde sie dadurch vor Schreck zurückweichen.
Ich hörte Shy neben mich treten und sah von unten zu ihr hoch.
Doch es kam kein 'was habe ich dir gesagt' sondern ein ebenso wütendes Knurren wie meines zuvor. Nur viel leiser und gefährlicher.
Als wären wir zwei verärgerte Wölfe.
„Okay, du hast es so gewollt!", meinte sie drohend und erst dachte ich erschrocken, sie würde mich meinen.
Auf einmal spürte ich ihre Hand, die an meiner gesunden Schulter zerrte. Das war keine Hollywoodreife Hilfe, dass war ein hilfloses Rettungskommando.
Verwirrt drückte ich mich wieder hoch und stand auf einmal nur wenige Millimeter von ihr entfernt.
Fast schien es mir, als könnte ich ihre elektrisierende Wirkung spüren, wie Funken, die von ihrem Körper auf mich übersprangen.
Ich konnte nichts anderes, als mich nicht zu rühren und den Moment in mich aufzusaugen, wie ein Ertrinkender den rettenden Sauerstoff.
Nur die Hand ausstrecken, dachte ich mir plötzlich. Dann kannst du sie berühren. Sie fühlen.
Shy schien ebenfalls von der Stimmung gefangen, aber nur für eine Hundertstelsekunde.
„Zusammen?", hauchte sie mir entgegen.
Ich nickte, leicht, bedächtig. Um bloß keine falsche Bewegung zu machen.
Plötzlich trat sie einen Schritt zurück, als würde ihr erst jetzt auffallen, was hier gerade passierte. Was sie machte. Wie nah wir uns waren.
Ich stellte mich mit ihr an die Wand und versuchte mich wieder Richtung der Holztür zu orientieren. Neben mir spürte ich Shy stehen, langsam atmend, bereit für den Schmerz. Mir tat ihre Schulter jetzt schon leid.
„Auf drei", meinte ich und kniff konzentrierend die Augen zusammen. So fiel es mir einfacher, geradeaus zu laufen.
„Eins", flüsterte sie und ich bemerkte einen Hauch von Angst in ihrer Stimme. Es war eine Tür. Eine böse Tür, und das wusste sie.
„Zwei", murmelte ich entschlossen und sog die Luft ein.
„Drei!"
Wir stürmten beide gleichzeitig los und knallten gegen das Holz. Doch dieses mal hielt es nicht stand. Die Angeln erzitterten und mussten schließlich nachgeben.
Ich spürte, wie die Tür unter meinen Fingern nachgab und plötzlich kippten wir.
Unvorbereitet schlugen wir beide mit den zusammengenagelten Holzbrettern auf dem Boden auf und ein lauter Knall erschütterte das Gebäude.
Shy lag halb auf mir und hustete, als hätte sie in einer Staubwolke gestanden. Oder eher gelegen.
Völlig verunsichert spürte ich ihr Gewicht auf mir, ihre Körperformen, die sich gegen meinen Körper pressten. Spürte jeden einzelnen Kontakt zwischen uns beiden überdeutlich und konnte mich nicht rühren.
Doch der Moment war kurz, zu kurz. Blitzschnell rappelte sie sich auf und strich ihre Jacke zurecht.
Und ich? Ich blieb verunsichert liegen, und versuchte, mir diesen Moment einzuprägen. Versuchte, dieses Gefühl tief in mich aufzunehmen, weil es so unglaublich war.
„Wow", meinte sie lachend, während sie weiterhin über ihre Klamotten strich. Ich glaubte, sie war ebenfalls verunsichert von dieser Situation.
„Alles gut?", fragte sie mit unschuldiger Stimme und tat so, als sei alles in Ordnung. Nur ganz langsam schaffte ich es, mich wieder auf die Wirklichkeit zu konzentrieren.
„Ähm, klar!", ich rappelte mich ebenfalls auf und auf einmal spürte ich meine Schulter wieder, pochend und heiß. Das würde einen großen, blauen Fleck geben.
Ich sah sie an und versuchte mich auf ihren Schemen zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht.
Unschlüssig standen wir da und wussten nichts mit unserer neu gewonnen Freiheit anzufangen.
Überrascht zuckten wir zusammen, als Jaspers Stimme auf einmal laut schreiend ertönte. „Alles in Ordnung?" Man hörte ihn rufen, bevor man ihn rennen hörte.
„Oh Gott", anscheinend war er in unseren Gang eingebogen und sah nun mit eigenen Augen, was er angerichtet hatte, „geht es euch gut?"
Man hörte ihm das Schuldbewusstsein deutlich an, doch so einfach wollte ich es ihm nicht machen. Kurz vor uns stoppte er ... und rannte genau in den immer noch aufwirbelnden Staub hinein.
Als weder Shy noch ich antwortete wurde er unruhig.
„Ich...", hustend beugte er sich nach vorne und versuchte gegen das Kratzen im Hals anzukämpfen.
Aber ich wollte seine Ausrede gar nicht hören. Trotz alldem, obwohl ich wusste, dass er es nur gut gemeint hatte, war ich immer noch stinksauer auf ihn.
Ich spürte, dass es Shy genauso ging. Und das sie es mir gleichtun würde. Sie würde ebenfalls gehen und Jas die kalte Schulter zeigen. Und deswegen ging ich.
„Leute!", rief er uns hustend hinterher und fuchtelte wild mit den Armen in der Luft, „das war doch nicht böse gemeint! Kommt schon, bitte. Es tut mir ja leid!"
Ich presste meine Lippen zusammen, als ich weiterging. Shys Worte kamen mir erneut in Erinnerung, obwohl es zum Teil gerade mal wenige Stunden, gar Minuten her war, dass sie sie gesagt hatte.
Bist schon von ein paar einfachen Wahrheiten fertig, habe ich Recht?!, hallte Shys wütende Stimme in meinem Kopf wieder. Schnell versuchte ich sie wieder zu verdrängen.
Sie lief bereits einige Meter vor mir, wie immer war sie schneller. Und wie fast immer hatten ihre Gefühle wieder die Oberhand gewonnen. Diesen Sturm würde niemand bändigen können.
„Leke? Shy?", rief mein bester Kumpel uns verzweifelt hinterher, doch ich stoppte nicht.
„Dieses mal bist du zu weit gegangen", flüsterte ich mit grimmiger Miene.
Mir war egal, dass Jasper es nicht hören konnte oder das sie es hörte. Es stimmte. Wenigstens eine Wahrheit, die ich aussprechen konnte.
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The blind Badboy
Teen FictionJeder spielt als Kind verstecken in der Dunkelheit. Jeder schließt die Augen und stellt sich vor, was wäre wenn. Doch niemand tut es für immer. Leke schon. ~Ein braunhaariger Tollpatsch, blind und ziemlich durchgeknallt, steigt ein in das Rennen um...