57. Ein Freund? Eher nicht.

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Lekes Sicht:

„Hier, für dich", ich streckte ihr die Blumen entgegen. Doch irgendwarum fühlte es sich nicht normal an. Eine Sekunde später sollte ich auch erfahren warum.

„Hey, das ist mein Kleid, gegen das du den Strauß gerade drückst!", meinte Shy aufgebracht, doch ihrer Stimme unterlag ein sanfterer Ton als sonst. Auch sie schien unheimlich aufgeregt.

„Ups", ich zog meinen Arm wieder ein und merkte, wie das Blut in meine Adern schoss, heiß und unangenehm. Verdammt. „Sorry", murmelte ich beschämt.

Auf einmal spürte ich, wie sie mir die Blumen aus der Hand nahm. Dabei streiften ihre Finger meine, was ein seltsames Kribbeln in meinem Magen verursachte.

„Gib schon her", leicht lachend nahm sie den Strauß an sich. „Die sind ja sogar rot, perfekt zu meinem Kleid!"

Täuschte ich mich, oder freute sie sich tatsächlich über die Blumen? Schon komisch, so viel hatte sich mit der Zeit geändert, aber was Blumen anging konnte man Mädchenherzen noch immer zum schmelzen bringen.

„Du siehst wirklich unglaublich aus!", ich spürte, wie mein Kopf nur noch mehr zu glühen anfing. Ich musste bald mit einer roten Ampel verwechselt werden können, wenn ich so weiter machte.

Lüge, durchzuckte es mich und ich musste schlucken. Nein. Wie kann es eine Lüge sein? Nur weil ich sie nicht sehe, heißt das nicht, dass sie nicht unglaublich hübsch aussieht!

Aber du kannst sie nicht sehen, wie willst du das da beurteilen?, schien der Teufel auf meiner linken Schulter zu sagen.

Weil er es einfach weiß. Es kommt nicht immer auf das Aussehen an, der Charakter ist entscheidend!, verteidigte der Engel auf der rechten mich.

Aber ihr Charakter ist so ... abwehrend.

Na und?

Verdammt, ich musste mich endlich zusammen reißen! Das kam ja schon Selbstgesprächen gleich, und von denen hatte ich eindeutig genug geführt!

„Danke", murmelte sie, doch ich bemerkte die Überraschung in ihrer Stimme.

„Wollen wir ... wollen wir reingehen?", fragte ich ein wenig verunsichert und blickte mich suchend um. Doch Jasper schien mit den anderen schon in der Turnhalle zu sein, die heute für den größten Tanzball der Schule, abgesehen des Abschluss-Tanzballs, dekoriert war.

„Ja, gute Idee", Shy hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. „Eine Frage habe ich aber noch", sie sprach mich mit einem Blick über die Schulter an, während sie sich den Weg zur Kasse bahnte.

„Nimm es jetzt nicht persönlich, ich meine, wenn die anderen Jungs sagen du kannst tanzen, dann glaube ich das auch, also vielleicht. Ich wollte nur fragen ...na ja, ob du es wirklich kannst, oder ob wir uns gleich total blamieren werden?!"

Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie bei der Frage die Stirn in Falten legte. Wie sie mich prüfend musterte, um sich ihre Antwort selbst zu bilden.

„Walzer kann ich am besten", meinte ich ein wenig eingeschüchtert. Gleichzeitig verfluchte ich mich dafür, die Lage eindeutig nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Ich meine, seit wann bin ich bitte eingeschüchtert? Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.

„Das heißt ja?", hakte sie weiterhin nach, woraufhin ich nur mit den Schultern zucken konnte.

„Hmm, okay. Na dann, auf ins Getümmel!", auf einmal spürte ich, wie sich ihre Finger um mein Handgelenk wanden und sie mich in Richtung Eingang zerrte. Schnell versuchte ich hinterher zu kommen, ohne mich dabei ziemlich unelegant in meinem neuen Anzug hinzulegen.

Dabei versuchte ich ebenfalls, meine Eintrittskarte heraus zu kramen, um sie dann sichtbar vor meine Brust zu halten, damit keiner Fragen stellen konnte.

„Hey! Leke!", die Stimme klang nicht gerade, als wolle sie sich mit mir für einen Small-talk treffen. Eher, als ob sie verdammt wütend war.

„Scheiße", murmelte ich und blickte mich unruhig um. Sie war von hinter mir gekommen, vielleicht konnte ich noch verschwinden. Auch Shy war stehen geblieben, sie hatte sie gehört.

„Ein Freund?", fragte sie, dabei wussten wir beide, das dem eindeutig nicht so war.

„Ähm ne, eher nicht", murmelte ich und bemerkte, dass ich mich automatisch geduckt hatte. Ich konnte die Stimme noch nicht richtig einordnen, aber es war auf jeden Fall einer von Jacks Freunden. Es musste einer sein.

„Leke!"

Ich spürte, wie sich alle meine Nackenhaare aufstellten. Diese Stimme klang einfach so verdammt sauer. Als würde sie liebend gerne jemanden eine rein hauen. Ich tippte, das ich diese Person war.

„Was sollen wir machen?", Shy hatte angefangen zu flüstern, obwohl überall um uns herum Stimmen und Gespräche, Lachen und Kichern war.

„Lass uns ... einfach verschwinden, okay? Wir suchen die anderen!", meinte ich bestimmt und war auf einmal froh, dass Shy meinen Arm immer noch fest hielt. So konnte ich sie wenigstens nicht verlieren. Denn das mit dem Finden meiner Freunde war gar nicht so einfach, schließlich konnte ich sie nicht sehen.

„Okay", ich spürte einen Ruck, als sie sich in Bewegung setzte, ohne zu Fragen, was überhaupt los war. Sie schien zu verstehen, wer da hinter mir her war.

Warum mussten Jacks verdammten Freunde auch hier sein? Warum konnten sie nicht zuhause bleiben oder mit ihren schicken Autos durch die Gegend fahren, um Benzin zu verschwenden, so wie sonst auch?

Shys Schritte beschleunigten sich, sie schien die anderen ausgemacht zu haben. Ich erlaubte mir, erleichtert auszuatmen. „Leke, da seid ihr ja!", ich war so froh, Jaspers Stimme zu hören.

„Was ist denn los?", Pacey hatte meinen besorgten Gesichtsausdruck bemerkt und seine Stimme unterlag ein irritierter Unterton.

„Einer von ihnen ist hinter mir her. Er hat mich gesehen und klang nicht gerade freundlich", antwortete ich und zwang mich zu einem schiefen Grinsen, „aber ich glaube, wir haben ihn abgehängt."

„Abgehängt? Leke, der Abend hat gerade einmal angefangen!", Zacks zupfte verunsichert an seiner Krawatte, während er anfing, sich langsam umzusehen. Die anderen hatten sofort verstanden, auf wen ich anspielte.

„Na und? Macht euch mal locker!", Jaspers Stimme klang bestimmt, er versuchte jedem dabei in die Augen zu schauen, das spürte ich.

„Was sollen sie schon machen? Hier erneut auf uns losgehen? Seid nicht dämlich, dass würden sie niemals machen. Nicht hier! Und jetzt fangt endlich einmal an, diesen Abend zu genießen, so wie es sich gehört!"

Jasper der 1. hatte gesprochen. Doch beruhigt war ich nicht.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt