48. Der Anfang

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Lekes Sicht:

Meine geballte Faust traf auf knackende Knochen. Mein angezogenes Knie schnellte hoch, traf etwas, ich wusste nicht was. Es war mir auch egal.

Ich spürte die Hand nicht, die mit aller Kraft an meinen Haaren zerrte und bereits einige festhielt. Spürte die Kopfnuss nicht. Spürte gar nichts. Nur eines: grenzenlose Wut.


Dienstag, vier Stunden zuvor:

Alles begann damit, dass wir nach langer Besprechung an Alex Haus ankamen. Waren wir aufgeregt? Ich kann es nicht sagen. Nur, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Bedenken zu kämpfen hatte.

Andererseits war der gierige Funken nach Gerechtigkeit ebenfalls noch nicht gezündet. Doch lange sollte es nicht mehr dauern.

„Hey, da seid ihr ja endlich!", wurden wir von einem strahlenden Alex in Empfang genommen.

Dieser freute sich, dass seine Ehrengäste nun doch noch eingetroffen waren. Dabei war es gerade einmal zehn Uhr.

„Wie sagt man so schön", fing Jasper mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht an, „die Besten kommen immer zum Schluss!"

„Ja, da hast du wohl recht", stimmte Alex immer noch lächelnd zu, um bloß keinen Fehler zu machen. „Kommt doch rein!"

Ich hörte an seinen lauten Schritten, dass er zur Seite trat und uns mit einem Arm in seine Wohnung deutend Einlass gewährte. Zufrieden trat ich vor und tat so, als würde ich mich umsehen.

„Ganz nett hier", bemerkte ich monoton, um ja nicht zu begeistert zu klingen und Alex falsche Hoffnungen zu machen.

„Da müsst ihr erst einmal das Wohnzimmer sehen! Und den Pool!", eiferte der rothaarige Junge mit stolzem Unterton in der Stimme.

Angeber.

„Aha." Ich beachtete ihn nicht weiter und wandte mich mit einer minimalen Bewegung an die Jungs hinter mir, um ihnen zu verstehen zu geben, dass sie voraus gehen sollten.

Mit einem zufriedenen Grinsen registrierte ich plötzlich Jaspers linke Seite, die er an meinen Rücken presste und mich somit hinter Pacey und Zack durch die Villa leitete.

„Ganz schön nobel hier...", ohne es zu wollen schwang in Jaspers Stimme ein beeindruckter, ja fast ehrfürchtiger Unterton mit.

„Wenn man hier eine Vase zerbricht, liegen bestimmt tausende von Dollars zerbrochen und blutend auf dem feinen Seidenteppich!", hörte ich Zack unzufrieden murmeln.

Und ich wusste auch warum. Er selbst stammte nämlich aus einer Familie, die längst nicht so viel besaß. Durch seine vier kleinen Geschwister hatte er gelernt zu verzichten, und dieses Haus musste das absolute Gegenteil davon sein.

„Dann sollten wir uns Jack lieber nicht hier vorknöpfen", bemerkte Pacey flüsternd.

Ich stimmte ihm grummelnd zu. Dieses Haus war wahrlich nicht der passende Ort dafür. Aber selbst darüber hatten wir uns Gedanken gemacht.

„Nein", stimmte ich noch einmal zu, „alles bleibt so, wie wir es besprochen haben!"

Jetzt waren es die anderen, die durch zustimmende Geräusche ihre Einverständnis gaben. Erneut spürte ich, wie mein Herz ganz warm wurde. Was würde ich nur ohne sie machen?

Ich wäre ein Nichts ohne sie, sie waren alles, wofür es sich in meinem Leben lohnte zu kämpfen. Und das bewiesen sie mir jeden Tag.

Als wir endlich auf dem riesigen Sofa platz genommen hatten, drückte Jasper mir auch sogleich ein Bier in die Hand.

„Aber nicht so übertreiben, wie letztens, okay?!", er gab mir einen freundschaftlichen Knuff in die Seite. Ich starrte weiter geradeaus.

Auch, wenn er versucht hatte, sie zu verstecken, hatte ich sie dennoch gehört. Die Sorge. Sorge um mich, um meine Trinkerei bei Sydneys Party, die komplett aus dem Ruder gelaufen war.

Ich würde ihn nicht noch einmal so enttäuschen, das schwor ich mir.

„Klar", ich setzte die Glasflasche an meine Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Das kühle Bier tat mir gut. Es sorgte dafür, dass ich immer entspannter wurde.

Entspannter und unvorsichtiger.

Alles lief gut. Wirklich gut. Solange, bis ich auf einmal eine vertraute Stimme vernahm, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Die meine Atmung stoppte, diese lebenswichtige Funktion, und mich einfach nur inne halten ließ.

„Hi Zack!", begrüßte Shy meinen Kumpel. Wie in Zeitlupe kamen ihre Worte bei mir an. Hi Zack. Unwillkürlich spitzte ich die Ohren.

Ich wusste, dass Zack ein wenig von mir weg saß, und dass er sich freute, dass Brook endlich zu ihm gekommen war. Wenn auch im Schlepptau mit Shy.

„Hi, wie geht's euch? Coole Party, oder?", startete der Blondhaarige seinen miesen Smalltalk.

„Gut, danke. Und dir?", antwortete Brook mit einem Lächeln in seine Richtung, welches ich allein an ihren Worten erkennen konnte.

Und dir?, es war, als würden die Worte nur verschwommen bei mir ankommen. Als könnte ich nicht einmal genug Konzentration aufbringen, um ein einfaches Gespräch zu belauschen.

„Bestens. Wir haben einen fantastischen Abend!", ich hörte Zacks Betonung heraus. Auch wenn die Mädchen es nicht wissen konnten, spielte er auf das an, was noch kommen würde. Auf unseren Coup.

„Und wie geht es ihm?", so leise Shy auch flüsterte, so schnell versuchte ich möglichst uninteressiert in die Gegend zu starren. Es war eigentlich meine Beschäftigung der letzten zwei Stunden, da sollte es ja wohl überzeugend aussehen?!

Geht es ... ihm? Ihm ...

Sie konnte nur mich meinen, durfte nur mich meinen! Das musste es sein, dieses kleine Quäntchen Interesse, auf das ich so lange hingearbeitet hatte.

Und das ich gleichzeitig so verabscheute, weil das hieß, dass sie mir immer näher kam. Und ich hatte immer noch so viele Geheimnisse. ..

Wenn sie es wüsste....es würde sie für immer vertreiben, allein der Fakt, dass ich sie die ganze Zeit angelogen hatte, und das wollte ich auf keinen Fall.

„Leke hat sich wieder erholt, er ist wieder der Alte!", Zack versuchte, zuversichtlich zu klingen. Dabei wusste er genau so gut wie ich, dass das nicht stimmte. Das ich nie wieder der Alte sein würde. Schließlich war ich vor knapp zwei Wochen fast ertrunken.

Hatte an der Schwelle des Todes gestanden und war ihm nur knapp entronnen.

„Aha, das ist ... gut", murmelte Shy, ich vermutete, dass sie alle in meine Richtung schauten.

Gut.

Was sollte sie auch anderes sagen? Ich wusste es ja selbst nicht. Natürlich war es gut, dass ich noch da war. Das ich mich zumindest körperlich von dem Vorfall wieder erholt hatte.

Schließlich hatte ich heute Abend noch etwas vor.

The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt