17. Es braucht nur einen Sprung

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Wütend trete ich gegen den sorgfältig gestutzten Rasen der Northern High School. Doch mein Schuh STREICHELT lediglich die grünen Halme, als wären sie hochwertiges Porzellan.

Äußerlich versuche ich, mir meine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen. Am liebsten würde ich meine Enttäuschung laut hinaus schreien, aber stattdessen zwinge ich mich zu einem stummen Lächeln.

Es ist einfach so frustrierend.

Sportunterricht entwickelt sich zunehmend zu meinem Hassfach. Denn nachdem ich letzte Woche zu dem demütigsten Sprint in meinem ganzen Leben gezwungen worden war stand diese Woche Weitsprung auf dem Plan.

„Leke, warte!", hörte ich Jaspers beunruhigte Stimme hinter mir her rufen. Natürlich merkte mein bester Freund als erster, wenn etwas nicht stimmte.

„Ein Sprung", murmelte ich vor mir her, als er mit keuchendem Atem zu mir aufgeschlossen hatte.

„Es braucht nur einen verdammten Sprung, und wieder denken alle, was ist das denn für ein Looser", mein aufgesetztes Lächeln wandelt sich in eine grimmige Masse, während ich stehen bleibe und mich meinem Freund zuwende.

„Mpff", Jasper seufzt frustriert auf, während er über meine Worte nachdenkt.

Aber ich weiß, dass ich Recht habe.

Ich meine, es ist nicht so schwer vor dem schwarzen Brett abzuspringen, aber ich schaffe es natürlich, erst zwei Schritte weiter, nachdem ich längst in der Sandgrube bin (!), mich in die Luft zu stemmen.

So zaghaft wie ein Erstklässler, der Angst hat zu fallen.

„So geht das nicht weiter, Jas. Ich schaffe das einfach nicht", fast flüstere ich, während sich meine Hände nun doch zu Fäusten ballen.

Ich könnte dafür wetten, dass die anderen gerade zu uns schauen. Ob Shy auch guckt?

Wahrscheinlich hat sie auch meinen miserablen Sprung gesehen und mich danach ausgelacht. Schließlich war er so schrecklich wie er sich angefühlt hat.

„Wir müssen uns etwas anderes überlegen. Etwas, das dich besser macht...", Jaspers Stimme klang ernst, als ich plötzlich seine Hand auf meiner Schulter spürte.

„Mich und besser machen? Das möchte ich sehen."

Ich konnte einfach nicht anders. Ganz von alleine schlich sich eine Bitterkeit in meine Stimme, die gar nicht beabsichtigt war.

„Zähl deine Schritte, hin und zurück. Du weißt schon, so, wie du es sonst auch immer machst!", ich spürte meinen Freund vor Aufregung über seine Entdeckung fast zittern.

Langsam nickte ich. Das machte Sinn.

„Warum bist du da nicht schon früher drauf gekommen?!", scherzend stieß ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite und schleifte ihn zurück zu der Grube.

Die Blicke der anderen versuchte ich gekonnt zu ignorieren, als Jasper mich zu dem schwarzen Brett führte.

Und dann zählte ich. Einen Schritt, zwei, drei ... 26, 27, 28. Reicht das?

Ehrlich gesagt beruhte meine einzige Erfahrung mit Leichtathletik daher, dass ich mit zehn Jahren mit meiner Mutter Olympia im Fernsehen geschaut hatte. Aber mehr auch nicht.

„Was machst du da?", Sydneys Stimme schallte über die wenigen Meter Entfernung in meine Ohren und ließ mich innehalten.

Ich wusste, dass sie diese Frage stellvertretend für alle anderen Schüler stellte. Manchmal bewunderte ich sie echt für ihren Mut, bestimmte Dinge mit solch einer Gelassenheit auszusprechen.

Mit einem verschmitzten Lächeln wandte ich mich ihr und den anderen Cheerleaderinnen zu, die mich zu 100 Prozent irritiert musterten.

„Na, meine Schritte ausmessen, wie jeder gute Leichtathlet, der etwas von sich hält!"

Unbekümmert wandte ich mich wieder meinem Anlauf zu und zum ersten mal an diesem Tag hatte ich das Gefühl, die Oberhand zu gewinnen.

Leider währte dieses Hochgefühl nur kurz. Zweifel schlichen sich in meinen Kopf. Es war so, als würde der Teufel auf der linken Seite flüstern:

'Das schaffst du nicht! Lass es lieber bleiben, es kann nur schlimmer werden!

Und dann erwidert der Engel auf der rechten: 'Teufelchen erzählt mal wieder nur Mist. Hör nicht auf ihn! Du kannst es schaffen. Du bist sicher. Probiere es einfach!'

Verzweifelt seufzte ich auf. Es war ein pures für und wider. Wie sollte ich mich da bloß aufrappeln?

Mr. Mackay hatte unser vorhin bis ins Detail genau erklärt, worauf wir beim Sprung achten mussten. Er hatte auch Bilder herum gegeben, mit denen ich natürlich rein gar nichts anfangen konnte.

Ich spürte den Blick von Jasper auf mir, wie er mich mit seinem aufmunterndem Lächeln dazu aufforderte, zu springen. Er glaubte an mich.

Das gab mit den nötigen Mut loszulaufen. In meinem Kopf nahm das Ganze eine Gestalt an. Ich stellte mir vor, wie ich auf die schwarze Linie zulief.

Noch 15 Schritte, 14, 13.

Dann war es soweit. Bei null stemmte ich mich mit aller Kraft und Geschwindigkeit in die Höhe und versuchte meinen Körper nach vorne zu hieven.

Der Aufprall nahm mir vor Schreck den Atem. Ich war mit dem Arsch gelandet und rappelte mich nun schnell auf, während ich mir den Sand von der kurzen Sporthose wischte.

„Sehr gut Leke!", hörte ich auf einmal die Stimme unseres Sportlehrers direkt neben mir und fuhr erschrocken zusammen. Mit vor Verwirrung gerunzelter Stirn drehte ich meinen Kopf in seine Richtung.

„Was?"

„Ich glaube das war der weiteste Sprung heute!", fuhr Mr. Mackay fort und sorgte mit seinen Worten dafür, dass mir der Mund offen stehen blieb.

Doch ein Leke Flynn gaffte nicht und war auch nicht überrascht über seine Leistungen. Ein Leke Flynn schloss den Mund und nickte leicht, wie, als hätte er das alles bereits gewusst.

Und danach klatschte er mit einem Grinsen im Gesicht mit seinen Freunden ab.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt