39. Über Himmel und Hölle

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Lekes Sicht:

Ich erstarrte, als ich plötzlich Schritte hörte. Langsam hob ich meinen Kopf aus den Kniebeugen und versuchte, etwas zu verstehen.

Warum hatte ich mich auch bloß in diesen Raum locken lassen? Ich hatte es Jas aber auch zu einfach gemacht.

„Komm schon Leke. Wir müssen mal wieder etwas unternehmen", hatte er mit ernster Stimme gesagt und mir eindringlich in die Augen gestarrt. Fast kam ich mir vor wie bei einem Psychologen.

Und als Jasper auch noch mit seinem „Es wird alles wieder gut!" anfing machte ich mir langsam ernsthaft Sorgen.

Nachher hatte der Lockenkopf noch ein kompliziertes Studium angefangen, von dem er keinen Deut verstand und hatte vor, seine mangelnde Erfahrungen jetzt an mir auszubessern.

So schnell hatte ich gar nicht schalten können, wie er aus dem Zimmer heraus gerannt war, als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her.

„Jas, was wird das?", hatte ich ihm hinter her gerufen, aber er hatte mir nicht geantwortet. Und so saß ich nun hier und nach gefühlten Stunden kam endlich mal wieder jemand hallo sagen.

Okay – hallo war wohl zu viel verlangt.

Stattdessen bekam ich ein eindeutig zu hohes 'Jasper, das ist nicht lustig!'. Nein, war es nicht. Denn wen ich da schreien hörte, war der letzte Mensch, dem ich begegnen wollte.

Verdammt, Jas!, verfluchte ich meinen, mittlerweile, so beschloss ich, ehemals, besten Freund.

Du kannst mich doch nicht einfach mit SHY in EINEN Raum sperren! Was soll ich denn jetzt bloß machen? Und vor allem: Wie soll ich das überleben?

Mit einer Wildkatze in einen Käfig gesperrt zu sein war nicht wirklich das, was ich mir unter Ferien vorgestellt hatte.

„Ist scheiße hier, was?", riss ich mal wieder meine viel zu große Klappe auf. Aber ich konnte sie nicht einfach da sitzen lassen, auch, wenn ich ihr Gewinsel nicht so ganz verstand.

Durch ihre erschrockene Reaktion wurde mir schnell klar, dass wir a) in einem dunklen Raum eingesperrt waren, oder b) das ich unsichtbar war.

Aber ehrlich gesagt glaubte ich nicht daran, dass ich ein Geist war. Denn das hieße ich wäre tot.

Und ich glaubte nicht, dass mich auch nur irgendjemand da oben mit einen Hauch von Verstand noch einmal nach hier unten schicken würde.

Oder eben nach oben, war Ansichtssache, ich geb' es zu. (Falls jemand davon ausgehen sollte, dass ich nach meinem werten Ableben in die Hölle komme; so ein Quatsch.)

Okay, ich denke mir hier gerade eindeutig den Kopf fusselig. Sollte ich lieber lassen, ich hatte bis jetzt noch keinen Besen gefunden.

„Ach vergiss es!", murmelte Shy mit resignierter Stimme, die mich gerade noch wütend angegiftet hatte. Und Plop  war ich wieder im hier und jetzt.

„Vergessen? Wen?", verwirrt redete ich einfach weiter.

„Eher WAS", ich konnte ihr Kopfschütteln über meine Frage bis hier hören, das Fliegen ihrer Haare auf der Lederjacke.

„Häh?", ich war total durcheinander. Was  sollte ich jetzt vergessen?

„Siehst du", ihre Stimme wurde wieder lauter und ich konnte eine Spur Enttäuschung in ihr entdecken, „das meine ich! Nie kannst du Ernst sein, und wenn doch, dann sind alle anderen Schuld, nur du nicht."

Ich war kurz davor, erneut Häh? zu sagen, aber ich spürte, dass das die Situation nur noch schlimmer gemacht hätte.

„Das sagt die Richtige", feuerte ich zurück. Auch, wenn ich es nie zugeben würde, hatte ihr Vorwurf mich aufgewühlt.

Mein Herz pochte, als würde ich einen 100 Meter Lauf hinter mir haben, dabei war es nur Shy, die vor mir saß.

„Schau dich doch mal an! Du verstehst keinen Spaß, immer macht man alles nur falsch. Was kann ich denn dafür, dass mein Vater mich in eine beschissene Selbsthilfegruppe steckt? Und das dir das nicht gefällt?!"

Ich lehnte mich wieder gegen die kalte Steinmauer in meinem Rücken. Sie schien die Einzige zu sein, die mir Halt gab.

Wer auch immer behauptet hatte, Mädchen seien einfach zu handhaben, der hatte nie die Richtige kennen gelernt. Gegen das hier war ein Marathon nichts!

„Ich habe nie behauptete, dass es mir nicht gefällt. Das hast du schon ganz alleine in die Welt gesetzt. Und überhaupt, es tut mir wirklich Leid, wenn ich mir Sorgen um dich mache!"

Ich stoppte, in allem, was ich gerade tat. Atmen, hauptsächlich.

Denn ich traute mich nicht, irgendetwas falsch zu machen. Ich wollte die Bedeutung ihrer Worte nicht durch eine dumme Aussage von mir zerstören.

Das konnte ich ja anscheinend am besten.

„Ich...", stammelte sie, selber überrascht über ihre Worte, „weiß doch auch nicht." Beendete sie ihren Satz mit leiser Stimme. Plötzlich wirkte sie gar nicht mehr so selbstsicher.

„War das", ich räusperte mich, um die Stille zu überbrücken, „war das etwa ein Schritt in ... meine Richtung?"

Ich hörte sie ganz leise lächelnd seufzen. Dieses Geräusch, das man immer macht, wenn man jemanden total bescheuert findet, ihn aber trotzdem irgendwie mag.

„Ich schätze schon", murmelte sie und ich hörte das Grinsen heraus, dass sie in die Dunkelheit warf. „Aber nur ein kleiner. Klitzeklein!", fügte sie schnell hinzu.

Ich legte meinen Kopf schief, als ich ebenfalls leicht lächelte. „Das ist doch ein guter Anfang!"

„Ich weiß nicht", sie klang überlegend, fast schon zweifelnd.

„Was denn?", hakte ich verwirrt nach und zog eine Augenbraue hoch.

„Das klingt fast wie ein Neuanfang, aber ich glaube nicht, dass ich das mit dir noch einmal vertrage!"

War das jetzt eine Beleidigung oder ein Kompliment? Ich kam nicht mehr mit. Wahrscheinlich war es sogar beides.

„Vertragen", wiederholte ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme das Wort verächtlich in die Länge zog, „das klingt ja fast wie eine Krankheit."


Die darauffolgende Stille war nicht gerade eine Ermutigung für mich.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt