88. Nachtwache

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Lekes Sicht:

„Ich schlafe heute Nacht bei dir!", platzte ich mit meiner Idee heraus, die langsam in meinem Kopf herangereift war. Jasper musste es endlich schaffen, wieder normal zu schlafen.

Er legte leicht den Kopf schief und schien zu überlegen. „Wenn du das möchtest. Ich will dir keine Umstände machen und ich weiß auch nicht, ob das wirklich hilft", druckste er herum, doch man merkte ihm die Erleichterung an.

„Natürlich! Das ist überhaupt kein Problem"., beeilte ich mich zu sagen und lächelte ihm aufmunternd zu. Jas zog schwach die Mundwinkel hoch und ein leichtes Lächeln entstand.

„Und morgen übernachte ich hier!", nahm Shy meinen Vorschlag an. Ihre Stimme klang dabei so bestimmend, dass Jasper sich nicht traute zu widersprechen.

„Und danach ich", meldete sich Pacey zu Wort, welcher die ganze Zeit still zugehört hatte. Ich nickte leicht in die Richtung, aus der seine Stimme gekommen war.

„Wir schaffen das schon. Und bis dahin kannst du auch einfach ein Schlafmittel benutzen...", meinte Brook zuversichtlich, doch damit schien sie bei Jasper einen Nerv getroffen zu haben.

„Nein!", widersprach er so vehement, dass wir alle vor Schreck zusammenzuckten. „Keine Schlafmittel", erklärte er weiter und räusperte sich kurz, da ihm seine Lautstärke nun unangenehm war, „ich möchte nicht so enden wie mein Onkel. Der ist davon nämlich süchtig geworden und jetzt kann er sich nicht einmal nach einem langen Tag hinlegen, ohne sie zu nehmen. Ich muss das entweder selber hinbekommen oder ..."

„Oder was?", hakte ich nach und versuchte nicht total verzweifelt zu klingen. „Oder du lebst einfach dein Leben lang mit Albträumen weiter und findest keinen vernünftigen Schlaf mehr?"

„Mein Leben lang", äffte er mich nach, „was denkst du denn, wie lange so Albträume wohl anhalten?" Ich merkte, dass die anderen unsere Konversation mit angehaltenem Atem verfolgten, doch keiner sprang mir zur Hilfe bei.

„Was weiß ich, bin ich etwa ein Experte?", wütend runzelte ich die Stirn.

„Ach ja? Ich denke, du weißt ganz genau, wovon ich spreche Leke."

Das saß. Mit wild pochendem Herzen lehnte ich mich ein Stück zurück, um Jasper nicht noch an die Kehle zu springen. Wie konnte es bloß so etwas gemeines sagen?

Weil er dich kennt, antwortete eine innere Stimme in mir. Und weil er Recht hat. Du kennst dich aus mit Albträumen, schließlich hast du sie selber eine Zeit lang jeden Tag gehabt und hast sie ab und zu immer noch.

Ich schluckte, wusste ich doch, dass ich es nicht schaffen würde, Jasper die Wahrheit zu sagen: Dass diese Träume noch sehr lange andauern würden. So lange, dass sich sein Zustand noch verschlechtern würde, wenn wir nicht bald etwas dagegen unternehmen würden. Wir konnten nur froh sein, dass wir die Wahrheit endlich aus ihm heraus bekommen hatten.

„Tut mir leid", hörte ich Jasper auf einmal mit zerknirschter Stimme sagen. „Ich weiß auch nicht, in letzter Zeit reagiere ich einfach viel emotionaler als früher. Es ist, als hätte mich dieses Feuer total verändert. Und das macht mit Angst."

Ich lehnte mich wieder vor und überwand den Abstand zwischen uns, den ich eben noch zur Sicherheit eingehalten hatten. Sachte legte ich meine Hand auf sein Bein, dass ich unter der weichen Decke fühlen konnte.

„Du bist immer noch der alte, Jas. Ein Mensch kann sich nicht von einen auf den anderen Tag ändern, so etwas braucht Zeit. Und selbst wenn jetzt etwas anders ist – und das ist es, da bin ich mir sicher – dann muss das noch lange nicht schlimm sein. Und noch weniger bedeutet das, dass wir dich anders wahrnehmen oder es irgendetwas an unseren Gefühlen zu dir ändert.

The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt