15. Wie der letzte A*sch

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Lekes Sicht:

„Wer hat dich denn verprügelt?"

Ich strafe Jaspers Bemerkung mit einem bösen Blick, während ich mich zu den anderen auf die Couch setzte.

Kläglich scheitere ich daran, sein belustigtes Grinsen zu ignorieren, dass sich in seine Frage mischt.

„Ach, halt' einfach die Klappe. Der Tag war schon stressig genug!"

„Stressig? Also bist du Shy über den Weg gelaufen, habe ich recht?", Jasper neben mir gluckst erheitert auf. Fast könnte man ihn mit einer schwangeren Kröte verwechseln.

„Mpff", beleidigt presse ich die Lippen zusammen.

„Kann ich mal anfassen?", ohne auf meine Antwort zu warten spüre ich einen Lufthauch als Beweis dafür, dass die Hand meines besten Freundes bereits neugierig zu meiner Stirn fährt.

„Bist du bescheuert?!", überrascht schlage ich durch die Luft vor meinem Gesicht, um seine Finger von meiner Wunde fernzuhalten. Wer weiß, wann er sie das letzte mal gewaschen hat!

„Dann sag mir, was du gemacht hast!", kindlicher Trotz mischt sich in seine Stimme. Ich wette seine Augen ruhen auf meiner Stirn, die seit heute Mittag ein schöner, dicker, roter Strich ziert.

„Ich", beschämt drossele ich meine Stimme, „...ich bin gegen eine Wand gelaufen."

„Oh."

Das mag ich so an Jasper. Er nimmt das ganze ernst. Aber nach dem er mir dies gezeigt hat, überspielt er das ganze mit Humor, um mich wieder aufzumuntern.

Schallend fängt er an zu lachen. Seine Locken hüpfen wild auf und ab, als er sich bereits mit den Ärmeln seines schwarzen Hoodies eine Träne aus dem Auge wischt.

„Gegen eine Wand?"

Er fällt ihm schwer, es nicht durch den ganzen Raum zu schreien.

„Ja", ein gequältes Grinsen huscht über mein Gesicht, bis ich ebenfalls zu lachen anfange. Wenn Jasper lacht kann man einfach nicht anders, als mit zu lachen.

Es ist Mittwoch Abend und wie üblich treffen wir uns mit den anderen im alten Bahnhofsgebäude. Heute haben wir uns auf einen eher gemütlichen Abend geeinigt. Also keine laute Musik und Zigarettengeruch.

Ein paar andere -darunter auch Pacey und Zack- spielen WWOP. Aber darauf habe ich im Moment keine Lust.

„Hast du überhaupt Französisch?", Nachdenklichkeit mischt sich in seine Stimme, nachdem ich ihm die Sache mit Shy und Brook erzählt habe.

„Ähm, ja?! Seit der 6. Klasse schon, du Vollpfosten", grinsend stoße ich ihm meinen Ellenbogen in die Seite.

„Aber sie wird mir eh nicht helfen. Es war ja sowieso nur eine Notlüge."

„Na ja, gebrauchen könntest du es schon. Also Nachhilfe. Bevor dein Vater noch mehr Stress macht..."

Ich höre den besorgten Unterton in seiner Stimme. Er sollte sich keine Sorgen machen müssen. Und dennoch denkt er immer zuerst an mich.

„Ich bin auch ohne Hilfe durch die letzten fünf Jahre gekommen, dann schaffe ich dieses mit links!", versuche ich ihn von dem Gedanken abzubringen, mir Nachhilfe zu besorgen.

Denn ich weiß ganz genau, dass es in seinem Kopf gerade kräftig rattert.

Jaspers Jacke reibt sich an meiner, als er mit den Schultern zuckt: „Das klingt so, als wäre es ziemlich knapp gewesen."

„Ja, nicht auszudenken, wenn Shy rausbekommen hätte, dass ich nur da war, weil ich zur Selbsthilfegruppe ge- mpff...was -"

Plötzlich spürte ich Jaspers warme Hand auf meinem Mund. Verärgert und überrascht zugleich wende ich mich ihm zu.

Seine Finger sind immer noch gegen mein Gesicht gepresst, als er mit dem unschuldigsten Ton, den ich je gehört habe, meint:

„Heeey Brook und ... Shy! Wie ... schön. Wir haben euch gar nicht erwartet..."

An seinen leicht zitternden Armen merke ich, dass er sich wirklich erschrocken hat. So schnelle Bewegungen bin ich von ihm gar nicht gewöhnt.

„Das sehe ich. Was auch immer ihr da gerade veranstaltet", ich bemerke einen belustigten Ton in Shys Stimme, während sie sich auf der durchlöcherten Couch gegenüber von uns niederlässt.

Langsam nimmt Jasper die Hand wieder runter.

Peinlich schnell wische ich mir mit dem Pulli über die Lippen. Auch, wenn da gar nichts ist.

„Was wollt ihr hier?", mein bester Freund geht gar nicht auf ihre kecke Bemerkung ein. Sein Blick gleitet über die beiden Mädchen.

„Letzte Woche wolltet ihr noch, dass wir kommen...", Brook schürzt in gespielter Missbilligung die Lippen.

„Das waren nicht wir, sondern die anderen. Unfreundliche Menschen müssen bei uns nämlich eigentlich zuhause bleiben!", schalte ich mich in das Gespräch ein und strafe Shy mit einem grimmigen Blick durch meine schwarze Brille.

Zumindest blicke ich dahin, wo sie sitzen müsste.

„UNFREUNDLICH? Ich bitte dich. Du hast doch mit dieser Drogensache angefangen!", verteidigt sie sich. Trotzig verschränkt sie die Arme vor der Brust.

Die anderen scheinen nichts von unserer Konversation mitzubekommen. Ich höre Zacks Stimme ein paar Meter weiter belustigt auflachen.

„Und du hast einen Aufstand daraus gemacht! Das war doch alles nur ein SCHERZ!"

„Genau so wie bei mir. Vertragt ihr hier in Pennsylvania etwa nicht so viel?!", ihre Stimme trieft vor Herausforderung und ich bin mir sicher, dass sie mich gerade trotzig anblickt.

Ich starre durch die Dunkelheit zurück. Wie gern würde ich sie jetzt ansehen können. Richtig ansehen.

„Ist doch alles nicht so wild. Regt euch mal wieder ab!", meldet sich Brook zurück und straft uns beide mit einem verärgerten Blick. Jasper nickt ihr zustimmend zu. Verräter.

„Eigentlich wollten wir nur kommen um zu sehen, wie es dir geht, Leke", Brooks Stimme wird sanfter.

Immer noch erregt von unserem hitzigen Gefecht brumme ich etwas Unverständliches vor mich hin.

Wegen mir hergekommen?, denke ich mir verwundert. Ich rieche eine Lüge. Als wenn sie wegen eines roten Strichs hier her gekommen sind!

Ein wenig verunsichert denke ich über ihre Worte nach. „Alles okay!", presse ich zwischen zusammen gepressten Lippen hervor.

Und mir wird klar, dass ich mich mal wieder wie der letzte Arsch aufgeführt habe.


~~~Bild oben: Jasper~~~


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt