16. Lächerlich, aber amüsant

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„Brauchst du wirklich Hilfe in Französisch?"

Irritiert wende ich mich der Stimme zu, die mich so plötzlich angesprochen hat. Shy ist anscheinend von ihrer Erkundungsrunde zurück gekehrt.

„Und wenn schon. Du würdest mir ja sowieso keine geben...", bemerkte ich achselzuckend und beiße mir auf die Lippen.

Ich sitze immer noch auf der selben roten Couch, genau so wie vor einer Stunde auch.

Sie lässt sich auf der Armlehne neben mir nieder. Ihr Blick huscht über die anderen Jugendlichen, die in freundlicher Atmosphäre miteinander reden und lachen.

„Ist das so offensichtlich?"

KICHERT sie da etwa gerade? Mit gerunzelter Stirn wende ich mich ihr zu.

„Man riecht doch schon aus einer Meile gegen den Wind, dass du etwas gegen mich hast."

„Hmm. Wie man es nimmt. Du bist auf jeden Fall mit Abstand die selbstverliebteste Person, die ich je gekannt habe!"

Mit Erstaunen bemerke ich einen Ton in ihrer Stimme, den ich bis jetzt noch nicht oft gehört habe; er ist überlegend und belustigt zugleich.

Was wird das hier? Will sie mich zum Narren halten?

„Tja, und du bist die bei Weitem verärgerteste Person, die ich je kennen lernen durfte", erwidere ich.

„Touche."

Ich grinse still in mich hinein. Selbst wenn ich es nie zugeben würde, die kleinen Schlagabtäusche waren amüsant. Lächerlich und kindisch, aber amüsant.

„Willst du deine Sonnenbrille wirklich nicht mal abnehmen?"

Der plötzliche Themenwechsel lässt mich aufhorchen. Daher weht also der Wind.

Shy ist neugierig. ZU neugierig. Wenn sie weiter so nach löchert wird sie mein Geheimnis noch irgendwann heraus kriegen. Und das kann ich auf keinem Fall zulassen.

„Nein", meine ich knapp und presse grimmig die Lippen zusammen.

„Aber warum denn nicht?"

Genervt wende ich mich wieder ein wenig von ihr ab.

„Lass mich einfach in Ruhe und geh jemand anderen nerven!", meine Stimme wird härter.

Es geht nicht anders. Sie muss gehen. Ich will sie nicht mehr hören. Will ihre blöden Fragen nicht mehr beantworten müssen.

„Pff", höre ich sie neben mir empört schnauben, „glaub ja nicht, dass du mich dadurch loswirst, LEKE. Ich will einfach nur wissen, warum dir dieses blöde schwarze Ding in deinem Gesicht so heilig ist!"

„Und ich will, dass du gehst!"

"Beantworte meine Frage!", sie bleibt hartnäckig, doch nicht mehr lange.

"Nein. Geh einfach!"

„Du bist so-..."

„Ein Arsch, ich weiß", unterbreche ich sie stöhnend und klammere mich heimlich an der alten Couch fest.

Sie antwortet nicht und ich zähle in die Stille hinein.

Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig...Da, sie steht auf und die Couch geht nur minnimal nach oben.

Mit sechs großen Schritten ist sie aus dem Raum. Still zähle ich ihren leichten Rums, den sie durch das behagliche Zimmer mit den Wänden aus Stein schicken.

Langsam lasse ich von dem kleinen Loch ab, dass meine Finger in das abgenutzte Leder der Couch gebohrt haben.

Nur wenige Minuten später, während ich stumm vor mir her starre, höre ich auf einmal Jaspers Schritte näher kommen.

„Dich anzusehen ist echt schrecklich. So ermüdend..."

„Ermüdend?", ich lache leise auf, als ich diese Beleidigung höre.

„Ja, es ist so, als würde man dem Tod ins Gesicht schauen", Jaspers Stimme trotzt vor Ernst und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie er gerade den Rücken durchdrückt.

Seitdem er hier aufgetaucht ist, umhüllt mich ein seltsamer Duft. Verwirrt versuche ich, ihn zu identifizieren.

„Jetzt übertreibst du's aber. Es war doch nur Shy!", ich versuche, den hitzigen Ton aus meiner Stimme zu nehmen, aber es klappt nicht.

„Aha. Trotzdem, sie sollte dich nicht so runter ziehen..."

„Riecht es hier nach Rosen?"

„Was? Oh", ich wette, Jaspers Zunge fährt sich gerade unbewusst über die Lippen, während er herum druckst.

„Bitte sag, dass es Jennys Parfum ist und nicht deins!", er hat es schon wieder geschafft, mich zum grinsen zu bringen. Obwohl er es gar nicht darauf angelegt hat.

Ich glaube, so sind beste Freunde einfach.

„Jetzt lenk' nicht vom Thema ab!", die Hitze, die Jasper auf einmal ausstrahlt, kommt mir förmlich entgegen.

„Lenk' DU nicht vom Thema ab!", lachend drücke ich mich von der Couch hoch.

„Ja, es ist Jenny. Oder ihr Geruch ... was auch immer."

„Dann ist ja gut. Nicht, dass du noch zu solchen femininen Sprays greifst wie Ben Parks!"

„Gott bewahre mich", lachend schüttelt Jasper sich bei der Vorstellung, so herum zu laufen wie Ben der Streber.

Ich gehe in Richtung Ausgang. Er ist direkt hinter mir, während wir durch die Schülergruppen laufen, die sich noch bestens amüsieren.

Und ich bin froh, dass er mit kommt und mich nach Hause fährt. Ohne ihn müsste ich jetzt im Dunkeln nach Hause laufen. Nicht, dass es an meinen Sichtverhältnissen einen Unterschied machen würde.

Doch vor manch anderen Personen bin ich noch schlechter geschützt als ohnehin schon.

Eigentlich habe ich keine Lust nach Hause zu gehen, aber hier bleiben möchte ich im Moment auch nicht mehr.

Shy hat mir den Abend versaut mit ihrer blöden Fragerei. Was muss sie sich auch immer einmischen?

Sie ist erst seit einer Woche hier und schon steht mein Leben Kopf. Das ist doch nicht normal!

Aber ich weiß einfach nicht, was ich mit ihr machen soll. So oder so, ich glaube die nächsten Wochen werden extrem ... interessant.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt