22. Der Eisprinz und sein bester Ew

4.8K 275 8
                                    

Shys Sicht:

Wenn ich ihm doch bloß dieses dämliche Grinsen aus dem Gesicht treiben könnte. Aber nein, dieser Idiot schaute mich immer noch erheitert an, als wäre ich der Witz des Jahrtausends in Person. Sehr witzig.

Seine Grimasse machte sein Aussehen nicht gerade besser. Auch, wenn ich nicht hinschauen wollte, wanderten meine Augen immer wieder zu seinem Gesicht.

Zu dem roten Strich auf der Stirn hatte sich ein hübscher, blauer Fleck gesellt. Jetzt sah er tatsächlich aus wie ein Serienmörder.

Einer, der gerade verprügelt worden war.

Dazu noch seine ziemlich strubbeligen Haare, die ich am liebsten ...

- Shit, was denkst du da wieder?!, wies ich mich innerlich zurecht und biss mir dabei unbeabsichtigt auf die Lippe. Dieser Junge trieb mich noch in den Wahnsinn!

Erst machte er einen so richtig wütend und dann? Dann konnte man ihm einfach nicht mehr sauer sein. Dabei kam aus seinem Mund so viel Mist wie eine Kuh noch nicht einmal produzieren würde.

 Ach was sag ich da, ein ganzer Bauernhof! Samt Bauer, wohlgemerkt.

„Hallo? Erde an Shy!", ich bemerkte eine Hand vor meinem Gesicht, die nur um Millimeter meine Nase verfehlte. Als er erneut ausholte wich ich schnell zurück, sonst hätte ich wahrscheinlich wirklich noch eine geklatscht bekommen.

Seht ihr? Genau so etwas meine ich!

Verärgert schnappte ich seine wild herum fuchtelnde Hand und drückte sie bestimmt an seinen Körper, während ich meinte: „Ich habe Hunger, lass uns etwas essen!"

Dabei versuchte ich krampfhaft, die Wärme seiner Hand zu ignorieren, die ich noch Sekunden später spürte, nachdem ich sie bereits losgelassen hatte.

Meine Finger kribbelten komisch, als ich sie grimmig zu Fäusten ballte. Er sollte mir bloß nicht ansehen, wie sehr mich diese Berührung aus der Fassung gebracht hatte.

„Essen", wiederholte er langsam und seine Stirn zog sich in Falten.

„Bist du ein verdammter Papagei?"

Okay, zugegeben, das war ein wenig fies, aber ... er ist halt ein Blödmann auf höchster Ebene, da muss man ihn ab und zu zurechtweisen.

„Ich kenne mich hier nicht aus...", murmelte Leke und es mischte sich ein wenig Verzweiflung in seine Stimme.

Stöhnend schüttelte ich den Kopf und beugte mich nach vorne, um die erste Schranktür aufzumachen. Wir waren hier schließlich in einer Küche, also musste es auch etwas zu Essen geben!

Der braunhaarige stand neben mir und rührte sich nicht, als wolle er demnächst beim Wettbewerb für die beste Eisstatue teilnehmen und sich schon mal warm machen.

Mit einen weiteren Seufzer stieß ich auf einen ganzen Haufen Gewürze und Tee. Da war weißer, schwarzer, grüner, pinker.

Gut, ich wundere mich jetzt nicht, warum sie hier PINKEN Tee haben, okay?

Im nächsten Schrank waren verschiedene Teller und Untertassen, alle fein säuberlich sortiert und nach Größe geordnet.

„Ah, endlich!", ich zog die Honney Pops mit triumphierender Miene aus dem Regal und suchte weiter nach Schüsseln.

„Willst du dich auch mal beteiligen oder soll ich alles alleine machen, hmm?", versuchte ich meinem lebendigen Eisprinz ein wenig Leben einzuhauchen.

„Ich ... hole die Milch, okay?", stammelte Leke und ich sah ihn irritiert an. Er ließ seine Hand lässig am Tresen entlangwandern, bis sie gegen den Kühlschrank prallte. Dann ließ er sie die metallische Oberfläche abfahren, bis er endlich den Griff gefunden hatte.

Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder den Schränken vor mir zu.

„Hast wohl doch ein bisschen mehr getrunken, was?", bemerkte ich mit einem zufriedenen Grinsen über meine Entdeckung. Um ehrlich zu sein war ich froh nicht die Einzige zu sein, die sich hatte voll laufen lassen.

Ich weiß immer noch nicht, wie das passieren konnte. Von einen auf den anderen Moment war plötzlich alles weg. Dabei war ich normalerweise gar nicht der Typ, der viel trank. Eher im Gegenteil.

Doch gestern Abend ... ich musste unbedingt Brook fragen, was passiert war. Und warum sie nicht mehr da war und ohne mich nach Hause gegangen ist.

Nachdem ich auch erfolgreich die Schüssel-suche abgeschlossen hatte saßen wir nun endlich an dem Wohnzimmertisch. Doch da die anderen Jungs immer noch die Sofas versperrten ließen wir uns auf dem weichen Teppich davor nieder.

Da der Idiot neben mir sich mal wieder nicht rührte schüttete ICH für uns beide das Müsli und schließlich sogar die Milch ein.

„Danke!", flüsterte Leke plötzlich, um die anderen nicht zu wecken, und zog die Müslischüssel näher an sich heran.

Ich nickte ihm immer noch ein wenig angesäuert, aber dennoch deutlich zufriedener zu und stopfte mit schnellen Bewegungen das Frühstück in mich hinein.

Als wir zu essen anfingen bemerkte ich plötzlich, dass Jasper langsam die Augen öffnete und uns mit gierigem Blick zusah. Fast war ich geneigt, die Schüssel beschützend an meinen Körper zu drücken.

Doch der Junge mit den braunen Locken rollte sich stöhnend vom Sofa herunter und krabbelte näher an uns heran.

„Habt ihr mir auch was mitgebracht?", fragte er, während sein Blick die Honney Pops nicht aus den Augen ließ. Sein plötzlich knurrender Magen schien seine Worte bestätigen zu wollen.

Leicht grinsend legte ich den Kopf schief und verzog mein Gesicht zu einer genüsslichen Miene, während ich den nächsten Löffel in den Mund steckte.

„Nicht?", maulte Jasper und schüttete sich kurzerhand etwas von dem Müsli in die zu einem Trichter geformte Hand. Dann stopfte er sich mit einer einzigen Bewegung alles gleichzeitig in den Mund.

„Ew", stieß ich ein wenig überrascht aus und beobachtete ihn weiter. Er war bereits dabei, sich die nächste Hand voll zu machen.

Wer wusste schon, wann er sie das letzte mal gewaschen hatte?

Doch meine Aufmerksamkeit wurde auf Leke gelenkt, der auf einmal einen heftigen Hustenreiz bekam und rot anlief. Was hatte er denn jetzt bloß wieder angestellt?!


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt