20. Da, wo man Happi happi macht

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„Hast du dich schon wieder mit Koks vollgepumpt?", riss mich eine bekannte Stimme aus dem Halbschlaf.

Schlaftrunken setzte ich in Sekundenschnelle zum Gegenschlag an: „Erstens, ich nehme IMMER NOCH keine Drogen und zweitens bist du wohl eher die, die sich volllaufen lassen hat!"

Ziemlich stolz über meine Wortgewandtheit setzte ich mich wieder gerade hin.

Es war bestimmt schon weit nach Mitternacht. Ich sah Shy zwar nicht, doch ich wusste, dass sie direkt vor mir stand. Ich bräuchte nur die Hand auszustrecken...

„Gar nicht wahr!", widersprach sie mir sofort und stütze sich mit einer Hand an der Lehne meines Gartenstuhls ab. Das Rasseln ihrer Armbänder bei dieser Bewegung klang dabei wie das Rascheln von Blättern.

„Sie dich doch an. Hast du etwa etwas von Harrys spezial Getränk getrunken?", fragte ich, um sie am Reden zu halten.

Ich mochte ihre Stimme. Betrunken vergaß sie, so wütend und zickig zu sein. „Was geht dich das an?"

Na ja, zumindest in gewissen Maße ...

Ich seufzte frustriert auf. Diese Unterhaltung führte zu nichts.

„Wo ist Brook?", versuchte ich, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, und versuchte sie still zu mustern.

Shy zuckte desinteressiert mit den Schultern und meinte grinsend: „Schon ge...gangen. Die hat's nicht so mit Party, weißt du?"

„Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber", ich versuchte den Gedanken, der mich die ganze Zeit schon befasste, auszusprechen, „wie kommst du jetzt nach Hause, hmm?"

Als ich keine Antwort erhielt nahm ich an, dass sie erneut mit den Schultern gezuckt hatte oder einfach nicht wusste, was sie antworten sollte.

Ich drückte mich aus meinem Stuhl und tastete nach ihren Arm. Doch leider schien mein Wissen über menschliche Anatomie nicht sehr gut, denn ich strich zuerst über ihren Bauch, was sie auf einmal in schallendes Gelächter ausbrechen ließ.

Auf gleicher Höhe ging ich nach links und umfasste ihren dünnen Arm.

„Komm mit!", befahl ich mit strengen Ton und setzte mich bereits in Bewegung. Zuerst ließ sie sich mühelos mitziehen, bis sie kurz vor der Terrassentür stoppte.

Seufzend wandte ich mich zu ihr um: „Was ist denn?"

Ich wette Shy blickte verwirrt hinunter auf meine Hand, die ihren Arm umklammerte, und wieder hinauf in mein Gesicht.

„Du bist echt komisch, weißt du das?", murmelte sie leise, gefolgt von erheiterten Glucksen.

„War's das?", fragte ich mittlerweile leicht genervt und zerrte sie weiter durch die Tür. Das wollte ich zumindest.

Doch vor lauter Stress hatte ich völlig vergessen, dass die TÜR einen halben Meter weiter links lag. Ein kurzer Schritt und ich knallte mit meinem Kopf volle Kanne gegen die Glaswand, die sich um den hinteren Teil des Hauses erstreckte.

Nicht SCHON wieder!

Konnte das denn wahr sein? Das ich innerhalb von zwei Tagen ZWEI mal gegen eine Wand knallte?

Doch wegen der lauten Musik war der Rums kaum zu hören. „Ahh", automatisch griff ich mir mit der Hand an den Kopf und spürte, wie sich bereits eine dicke Beule bildete. So ein Mist.

Wenigstens blutete es dieses mal nicht.

„Oh, tat das weh?", hörte ich hinter mit eine besorgte Stimme.

„Geht schon", ich drängte ihre Hand weg, die sich neugierig zu meinem Gesicht ausgestreckt hatte.

Shys Stimme klang leicht überrascht, als sie leise meinte: „Schon wieder?"

Doch ich musste einfach hoffen, dass sie in ihrem Zustand nicht mehr eins und eins zusammen zählen konnte, sonst müsste ich mir eine neue Lüge ausdenken. Mit Vorsicht drehte ich mich erneut um und nahm dieses mal sogar den richtigen Ausgang.

Was tat ich hier eigentlich? Warum hatte ich sie nicht einfach da stehen lassen?

Damit ihr quitt seid!, verteidigte ich mich innerlich für mein Verhalten. Sie hat dich gerettet und jetzt rettest du sie. Obwohl retten in dieser Situation vielleicht ein wenig zu poetisch klang.

„Jasper?", schrie ich laut gegen die Musik an und sah mich suchend um. Auch, wenn ich ihn nie finden würde. Er musste mich schon selber suchen.

Plötzlich hörte ich seine Stimme ganz dicht vor mir.

„Leke, hier bist du. Was ist los? Oh", er schien gerade erst Shys zu bemerken, die nun hinter mir hervorgetreten war.

Sein Blick fiel auf meine Hand, die ihren Arm umklammerte und seine Augen leuchteten wissend auf. „Du bist aber schnell, Mann!"

Ich schüttelte verärgert den Kopf und nickte in Shys Richtung: „Sie muss nach Hause!"

Jaspers Stimme wurde ernst. „Und ich soll sie fahren, oder was?"

Eine Schweißperle entstand auf meiner Stirn, als ich schnell nickte. Hier drinnen war es echt verdammt heiß!

„Wo wohnst du?", wandte sich mein bester Freund mit dem gelangweiltesten Ton, den er je zustande gebracht hatte, an Shy. Diese zupfte gerade ihr Top wieder nach unten und horchte nun verwirrt auf: „Wohnen?"

„Ja, da, wo man isst. Happi happi. Und schläääft, zzz!", erklärte Jasper mit einem leichten Grinsen um die Mundwinkel. Dabei unterstrich er seine Worte mit zum Mund führenden Händen, die anscheinend einen Löffel halten sollten.

Ich wusste einfach, dass er gerade seine Phantomime Künste anwendetet, die er in der Grundschule unbedingt jedem hatte zeigen müssen.

„Ach so!", Shys Gesicht hellte sich schlagartig auf.

Wir blickten uns siegessicher an. Dann jedoch wurde ihre Miene nachdenklich und auf ihrer Stirn erschienen zwei (ziemlich süße) Falten. Zumindest stellte ich mir das so vor. Ich wollte nicht einfach nur mit der Dunkelheit reden.


„Keine Ahnung ... "


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt