Sie verschwand, während mich gleichzeitig zwei kräftige Hände unter den Schultern packten und mich mit sich zerrten.
Ich spürte, wie mein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach und schnappte unwillkürlich nach Luft. Doch sie schien kaum meine Lungen zu erreichen, ich hustete, aber es wurde nicht besser.
Es fühlte sich immer noch so an, als wäre ich unter Wasser. Mein Körper wurde an Land gezogen. Auf einmal waren da unglaublich viele Arme, die alle gleichzeitig um mich herum wirbelten.
Zwei übereinander gepresste Hände begannen, auf meiner Brust auf und ab zu hüpfen, zu drücken, zu pressen. Es war ein schreckliches Gefühl, wie sie das Wasser aus meinen Lungen holten und ich es wieder ausspuckte.
Doch zugleich war es auch unglaublich befreiend.
Ich hustete immer noch, drehte mich so gut ich konnte auf die Seite und gab mich ganz den Bedürfnissen meines Körpers hin. Mein Essen kam wieder hoch, gemischt mit Wasser und Galle.
Als es aufhörte fühlte ich mich hundeelend. Die letzte Kraft schien aus mir gewichen zu sein und ich schaffte es gerade noch so, meinen Kopf nicht auf mein eben erst Erbrochenes sinken zu lassen.
„Oh mein Gott Leke!", drangen die ersten Stimmen auf mich ein, laut und verschwommen zugleich. Es war, als würden sie hundertfach an Steinwänden wieder geworfen werden.
„Leke! Komm schon!"
Mein Körper wurde unsanft geschüttelt und ich kam mir vor wie eine Puppe. Eine, die einen Erste-hilfe-kurs diente und die Tortour nicht überleben würde.
„Leke!", das war Jaspers Stimme. Sie klang ängstlich, aber auch ein wenig verärgert.
Ich wollte ihnen sagen, dass es mir gut ging, doch es endete nur in einem erneuten Hustenanfall, woraufhin ich wieder zurück sank. Ich hatte einfach keine Kraft mehr.
„Das darf doch nicht wahr sein!", hörte ich auf einmal Shys Stimme, wütend; wie immer.
Wie gerne würde ich sie jetzt sehen, ihre Miene. Ob sie beängstigt war, ob sie beunruhigt war. Ob sie Angst um mich hatte. Oder ob sie diese Situation wie fast immer kalt ließ.
Während ich über sie nachdachte und gleichzeitig versuchte, zu Atem zu kommen, spürte ich auf einmal eine flache Hand, die ohne Rücksicht gegen meine Wange knalle.
Einmal links und rechts, blitzschnell.
Mein Gesicht zwiebelte unglaublich und der neue Schmerz lenkte mich für wenige Sekunden von meiner Situation ab.
Ärger keimte in mir auf. Gerade, als ich die Augen öffnen wollte, durchfuhr mich ein schrecklicher Gedanke.
Meine Hand wanderte unwillkürlich zu meinem Gesicht und tastete nach dem vertrauten Gegenstand. Doch er war nicht da.
„Meine Brille!", hustete ich panisch. „Meine Sonnenbrille ist weg!"
„Ganz ruhig", hörte ich Jasper ganz nah an meinem Ohr murmeln. „Du kannst meine haben!"
Ich spürte seine nassen Hände an meiner Haut, wie sie mir die Brille hinter die Ohren schoben. Beruhigt atmete ich auf.
Nun konnte ich endlich die Augen aufschlagen. Immer noch spürte ich meine Wangen brennen, als wären sie mit Brenneseln in Berührung gekommen. Wie konnte man es wagen, mich genau JETZT zu Ohrfeigen?
„Na endlich, unser Schlafkönig ist aus seinen süßen Träumen erwacht!", Shys Stimme schallte von oben zu mir herunter, sie schien breitbeinig über mir zu stehen, die Beine umschlossen meinen schlaffen Körper.
„Mpf", knurrte ich nur noch wütender und wollte mich aufrichten.
Doch sobald sich mein Rücken nur einen Millimeter von der unterstützenden Erde gehoben hatte, spürte ich auch schon einen nackten Fuß auf meiner feuchten Brust, der mich ohne Mühe wieder auf den Boden drückte.
„Nichts da, falls du es nicht gemerkt haben solltest, du bist uns gerade beinahe ersoffen!", befahl Shy, doch ich glaubte, einen besorgten Unterton in ihrer Stimme wahrzunehmen.
Na endlich. Zufrieden schlich sich ein leichtes Grinsen auf mein Gesicht.
„Alles gut!", murmelte ich mehr hustend, als das ein anständiges Wort heraus kam.
„Nichts ist gut!", schaltete sich auf einmal Jasper ein und von den anderen hörte ich ein zustimmendes Gemurmel. Ach ja, die waren ja auch noch da.
Erst jetzt entfernte sich der Druck von Shys Fuß langsam, als müsste sie sichergehen, dass ich mich auch wirklich an ihre Anweisung hielt.
„Was ist passiert?", fragte Sydney und ich konnte ihr das Schuldbewusstsein deutlich anhören.
Ich zuckte mit den Schultern, mein Kopf schien sich immer noch zu drehen, meine Sicht noch dunkler als sonst.
„Ich bin falsch aufgekommen...", versuchte ich eine Notlüge für meine Situation zu finden.
Schließlich konnte ich ja schlecht sagen, dass ich nicht mehr gewusst hatte, wo oben und wo unten war? Und dass ich wegen Sydney fast drauf gegangen wäre?!
„Das sieht man", meinte Zack und deutete auf meine linke Seite. Sie musste ziemlich schlimm aussehen, seiner Tonlage nach zu urteilen.
„Du kannst aber schwimmen, oder?", warf Shy nachdenklich ein. Ich versuchte, ihre Frage nicht als Beleidigung anzusehen.
„Natürlich!", meinte ich mit Nachdruck in der Stimme und musste sofort wieder husten. Langsam wurde das echt nervig.
„Sich" er?...sie unterbrach sich selber, als sie merkte, wie unhöflich sie sich gerade benahm. Das wunderte mich. Normalerweise störte es sie doch auch nicht, mich zu beleidigen.
„Ähm, dann ist ja gut...", beendete Shy stockend ihren Satz und trat einen Schritt von mir zurück.
„Sollen wir den Notarzt rufen?", meldete sich Pacey zu Wort. Verunsichert blickte er in die Runde.
„Nein", meinte ich schnell und schüttelte vehement den Kopf. Das durfte auf gar keinen Fall passieren, denn dann würde mein Vater von der ganzen Sache benachrichtigt werden.
„Nein", führte ich meinen Satz fort, „mir geht es schon wieder besser, alles gut!"
Ich wusste, dass das ziemlich unglaubwürdig klang und die meisten mir nicht glaubten, zumindest meine besten Freunde nicht, aber wenigstens machte keiner den Mund auf, um mir zu widersprechen.
Selbst Shy nicht.
Es schien, als müsse ich erst in Lebensgefahr geraten, bis sie nett zu mir war. Dennoch ließ ihr gezeigtes Interesse mein Herz schneller schlagen. Vielleicht bedeutete ich ihr ja wirklich etwas.
„Kommt schon!", versuchte ich die anderen endgültig zu überzeugen. „Weiter geht es! Schließlich ist Pacey immer noch nicht gesprungen, oder?"
Einen schelmisches Lächeln meinerseits setzte sie endlich in Bewegung.
Wie leicht es war, anderen etwas vorzumachen. Nein, vielmehr noch, sie das glauben zu lassen, was sie sich tief im Inneren wünschten.
Das alles in Ordnung war.
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The blind Badboy
Teen FictionJeder spielt als Kind verstecken in der Dunkelheit. Jeder schließt die Augen und stellt sich vor, was wäre wenn. Doch niemand tut es für immer. Leke schon. ~Ein braunhaariger Tollpatsch, blind und ziemlich durchgeknallt, steigt ein in das Rennen um...