18. Die Party

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Es ist bereits Abend, als wir vier in Jaspers rotem Minivan zu Harry fahren. Ich habe nicht mehr mit Shy geredet, seitdem wir uns Mittwoch gestritten hatten.

Und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie mir aus dem Weg geht, auch wenn ich das nicht überprüfen kann.

Zwar habe ich heute meine Blicke auffällig häufig über den Schulhof wandern lassen, aber ich erkannte mal wieder nur dunkle Schemen, die meistens in großen Ansammlungen herumstanden.

„Meint ihr, die Neue und Brook kommen heute?", brüllt Pacey, um die laute Musik zu übertönen.

Wir anderen zucken mit den Schultern.

„Sie heiß übrigens Shy!", bemerke ich so beiläufig wie möglich und blicke starr nach vorne.

„Oho!", stößt Zack lachend aus, aber ich weiß nicht, ob es an meinen Worten oder eher an Jaspers Fahrweise lag. Gerade stoppt er haarscharf vor einem Zebrastreifen, über den eine Frau mit ihrem kleinen Kind läuft.

Sie wirft uns vier einen bösen Blick zu, als wären wir der Teufel in Person und würden ihr etwas Schlimmes antun, was ja auch eigentlich stimmt. Schließlich hatte Jasper sie vor wenigen Sekunden beinahe gekillt.

Ein paar scharfe Kurven später hielt der kleine Wagen ziemlich unelegant vor einem Einfamlienhaus und Jaspers Fluchen nach zu urteilen war es bereits sehr voll. Ich bin noch nie hier gewesen, weswegen ich mit einer schnellen Bewegung meine Microchips anmachte.

Wir verließen synchron den Wagen und Jasper drückte seine Schulter an meine. Somit führte er mich durch den Vorgarten und die bereits angetrunkenen Schüler in das Wohnzimmer.

Die Mädchen, unter anderem auch Lacey, die Zack nicht mehr aus den Augen ließ, waren schon da.

„Leke, hier!", ich bemerkte Sydneys Stimme links neben mir und spürte, dass sie mir etwas hinhielt. Doch ich konnte so schnell nicht einordnen, wo es war.

Etwas lahm streckte ich den Arm aus und öffnete fordernd meine Hand, in das sie kommentarlos einen feuchten Plastikbecher drückte.

„Danke!", murmelte ich ein wenig zerknirscht, da ich es immer noch nicht hinbekam, mit den Microchips perfekt umzugehen. Es waren einfach zu viele Geräusche hier.

„Hast du schon von dem Tanzkurs gehört?", sie lehnte sich an mich an und ganz ehrlich, diese Berührung hätte mich fast umgehauen. Ich schwankte ein wenig und versuche schnell, mein Gleichgewicht wieder zu finden.

„Tanzkurs?", wiederholte ich verwirrt ihre Worte, während es in mir ratterte wie in einem Schweizer Uhrwerk. Nein, davon weiß ich nichts.

„Ja, nächste Woche Freitag ist die erste Stunde. Wir mussten uns doch alle schon letztes Halbjahr anmelden, weißt du nicht mehr? Und am Ende", Sydney hielt inne, als wolle sie den Moment der Spannung vollends auskosten, „ist der Abschlussball. Es wird faaantastisch!"

Sydney ist halb-mexikanerin und hat auch dazu die nötige Portion Temperament geerbt. Ich würde dafür wetten, dass sie bereits eins a tanzen kann.

„Musste man da teilnehmen", ich versuche, nicht zu interessiert zu klingen. Innerlich jedoch bin ich höchst angespannt, da ich total vergessen habe, ob ich mich angemeldet habe oder nicht.

Eigentlich gehe ich davon aus, dass ich genug Grips besessen habe, es nicht zu tun. Blind tanzen zu müssen wäre mein Untergang.

„Nein. Aber", sie stockt erneut und sieht mich sichtlich verwirrt an, „du machst doch mit, oder!? ALLE machen mit!"

Ich habe das Gefühl, dass sie fast umkippt, als ich trotzig den Kopf schüttele. Mädel, es ist nur ein Tanzkurs, kein lebensnotwendiger Wettkampf. Es geht doch eh nur darum, wer das schönste Abschlussballpärchen wird, mehr nicht.

Still grinsend über ihren Schock wende ich mich den anderen zu.

***

Zwei Stunden später sitzen wir alle im Kreis auf dem großen Teppich, der schone einige Becher Bier abbekommen hat, und spielen WWOP.

Auf einmal bekomme ich einen gezielten Ellenbogen in den Magen und reiße erstaunt die Augen hinter meiner Brille auf. Seufzend wende ich mich an meinen besten Freund, der schon zum zweiten Schlag ausholt, bis er endlich bemerkt, dass ich ihm zuhöre.

Frustriert stoppt er mitten in der Bewegung und lässt den Arm wieder sinken.

„Was denn?", zische ich ihm sauer zu und presse herausfordernd die Lippen aufeinander.

„DU wolltest doch was von ihr, jetzt sei nicht so, wenn ich dich auf sie aufmerksam mache, Mann!"

Überrascht lasse ich meinen Blick durch den Raum schwenken, doch das einzige, was meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt, ist die große Neonlampe, die blaues Licht aussendet. Dieses windet sich wie die Arme eines Oktupusses langsam durch die Dunkelheit.

„Wo?", flüstere ich.

„Sie ist mit Brook da. Gegenüber von dir, jetzt guck ja nicht hoch! Sie schaut dich an", Jaspers Stimme nimmt einen belustigten Unterton an, als fände er es zum Brüllen, wie schlecht ich mit Mädchen zurecht kam. Als wenn ich etwas dafür könnte.

Doch der Gedanke, dass sie mich anschaut, gefällt mir. Hätte ich lieber nicht daran gedacht. Ich spüre, wie das Blut mein Gesicht aufheizt und bemühe mich so auszusehen, als wären die Fransen des flaschigen Teppichs das Spannendste, was ich je berührt habe.

„Spielt ihr mit?", höre ich Pacey fragen, während jemand frech in die Runde rülpst.

Auch ohne Brook zu sehen, weiß ich, dass sie diese Idee keinesfalls gut findet.

„Kommt schon!", Sydneys Stimme erinnert mich auf einmal stark an eine Sirene, „das wird lustig!"


Diese, die immer die armen Seemänner angelockt haben, um sie dann zu töten.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt