49. Rudelvergleich

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Langsam wurde ich ungeduldig. Es fing damit an, dass sich meine Finger um das kühle Glas der grünen Bierflasche krampften, bis meine Adern weiß hervor traten.

Oder damit, dass ich mit meinen Füßen nervös auf dem Boden auf und ab wippte, sodass mein ganzer Körper in Schwingung geriet.

„Ich glaube, sie gehen endlich", murmelte Jasper auf einmal, immer noch nach vorne starrend, als wäre er ein Bauchredner.

„Puh", stieß ich schnaufend aus und rieb mir die schwitzenden Hände an der Jeans ab. „Was macht er?"

Er. Ich traute mich noch nicht einmal, seinen Namen auszusprechen. Aber Jack sollte keine Gelegenheit bekommen, unser hübsches Spiel aufzudecken.

„Er zieht seine Lederjacke an. Mike steht auch auf", studierte mein bester Kumpel für mich das Geschehen. Es war wie immer, er war die Augen, ich das Gehirn. Okay, vielleicht war ein wenig zu viel Eigenlob in diesem Satz.

„Gut", ich nickte leicht. „Gut."

„Leke, nimm den verdammten Zeigefinger vom Kinn, du siehst aus wie die dümmere Ausgabe von Sherlock Holmes!", stutze mich auf einmal Paceys zischende Stimme zurecht.

Überrascht zuckte ich zusammen und nahm ganz unauffällig, zumindest versuchte ich es, die Finger aus dem Gesicht.

„Wie viele sind sie?", bohrte ich weiterhin nach. Ich musste einfach genaustens Bescheid wissen, mit wem wir es zu tun hatten.

„Da sind noch Kyler, Ben-"

„Moment mal", unterbrach ich Pacey stirnrunzelnd, „Ben der Streber?"

„Ja, genau-"

„Aber Ben gehört doch gar nicht zu Jacks Clique!"

„Oh, stimmt."

„Und überhaupt: was macht Ben der Streber auf Alex Party!?!", ich war immer noch völlig schockiert über diese Entdeckung und starrte mit offenen Mund nach vorne.

Natürlich konnte ich die größte Sensation des Jahrhunderts, nämlich Ben den Streber, nicht sehen. Aber in meinem Kopf stellte ich es mir vor.

„Ähm, keine Ahnung?", bemerkte Jasper irritiert, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Aber das ist jetzt nicht unser Problem. Jack hat nämlich vorhin Shy geküsst!"

„Was?", Paceys Hand auf meinem Oberschenkel stoppte mich so gerade noch davor, nicht voller Wut aufzuspringen.

Das durfte einfach nicht wahr sein!

„Ruhig, der bekommt schon noch, was er verdient!", meinte der braunhaarige mit beruhigender Stimme und der Ernst darin ließ meinen Puls langsam wieder sinken. Ich schluckte.

„Wer noch?", versuchte ich die Bilder in meinem Kopf zu ignorieren, die mir nichts dir nichts auftauchten. Da war Jack, wie er Shy zu sich zog und sie mit einem Zahnpastalächeln im Kreis drehte. Und sie, die zurück lächelte.

„Shade und Logan", beantwortete Jasper meine Frage. Etwas in meinem Kopf machte Klick.

„Shade wie der Shade?", murmelte ich auf einmal seltsam aufgeregt. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen schoss.

Ich wusste nicht mehr so viel von diesen Abend, als ich mich dermaßen betrunken hatte. Und als ich gedacht hatte, Shy zu sehen, die eigentlich gar nicht da war. Damals hatte Shade sich um mich gekümmert und Jasper geholt. Das würde ich nie vergessen.

„Ja", bemerkte Jas mit einem komischen Unterton in der Stimme. Auch er schien sich zu erinnern. „Der Shade."

„Egal", ich zwang mich, wieder nach vorne zu schauen, als ob nichts wäre. Wir alle würden schon noch früh genug aufeinander treffen und ich war mir sicher: danach würde sich Shade nicht mehr um mich kümmern.

„Also steht es vier gegen fünf!", versuchte ich in möglichst neutralen Ton zusammen zu fassen.

Puh. Was sollte ich daraus schließen? Sollte ich mich freuen, dass es nicht mehr waren? Oder doch noch einmal die Lage überdenken? Einen anderen Tag aussuchen?

Nein, verdammt!, versuchte ich mich innerlich zurecht zu stutzen. Da war er wieder, der Wille, Jack endlich eins aufs Maul zu geben. Aber so richtig.

Nein, dachte ich mir erneut, du ziehst das jetzt durch, egal was kommt!

Ganz automatisch nickte ich den anderen zu: „Okay Leute, ich würde sagen, dann wird es jetzt ernst! Seid ihr bereit?"

Ich brauchte die Antwort gar nicht erst abzuwarten, ich wusste sie schon bevor ich die Frage gestellt hatte.

„Natürlich", meinte Pacey zuversichtlich.

„Genau", stimmte Zack zu, „geben wir den Arschkriechern, was sie verdienen!"

„Die machen wir fertig!", Jas klang vollkommen überzeugt und deshalb war ich es ebenfalls.

„Okay, wir müssen hinterher!", meinte ich und sprang unwillkürlich auf. Ich spürte, dass es mir die anderen gleich taten. Dicht hinter ihnen drängte ich mich durch die mittlerweile alkoholisierte Menge.

„Hey, was soll-"

„Sorry", murmelte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen, so dass der Typ mich kaum verstehen konnte. Anscheinend hatte ich ihn ein wenig zu hart zur Seite gedrängt, weswegen er sein Getränk verschüttet hatte.

Schnell drehte ich mich wieder nach vorne. Ich durfte mich jetzt nicht ablenken lassen.

„Perfekt", meinte Zack vor mir auf einmal, kaum das wir aus der Haustür getreten waren, „sie fahren nicht nach Hause, dafür sind sie alle zu betrunken - glaube ich zumindest. Sie gehen die Straße entlang!"

Ich atmete die kühle Nachtluft ein, die mir sofort entgegen schlug, sobald wir draußen waren. „Gut", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu jemand anderen.

Plötzlich stürmten tausende von Gefühlen gleichzeitig auf mich ein. Aber am meisten war es Wut, die sich da in mir auftat. Die mein Herz zum brennen brachte und dafür sorgte, dass ich mich auf einmal ganz stark fühlte.

Und dieses Hochgefühl musste ich nutzen. Denn wir waren immer noch in der Unterzahl. Ich atmete noch ein letztes mal ganz tief ein und aus.

„Dann kann die Jagd ja beginnen."



~~~Bild oben: Pacey~~~


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt