34. Zeitenflug und Neuankömmlinge

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Lekes Sicht:

Auch wenn ich es wollte, ich konnte die Zeit nicht anhalten. Stattdessen rannte sie mir immer schneller davon und ich musste wieder zur Schule gehen.

Doch da ich bestimmte Menschen konstant ignorierte, ging das sogar besser als erwartet.

Auf einmal war das Wochenende zuende, dann war Montag vorbei, Dienstag. Und jeden Tag ging es mir schlechter.

Aber ich konnte nichts dagegen unternehmen. Der Tanzkurs fand erneut statt und auf einmal dachte ich darüber nach, was wäre wenn.

Was wäre, wenn ich noch sehen könnte? Würde ich dann tanzen gehen, mit Shy in meinen Armen? Würde ich dann lachen und versuchen den Anweisungen einer kleinen, alten Frau mit Stöckelschuhen zu folgen?

Aber das Spiel brachte zu nichts und das wusste ich aus genügend schmerzhaften Erfahrungen.

Sie machten mich nur noch trauriger. Also beließ ich es bei der Realität. Nein, Leke Flynn geht nicht tanzen. Denn er kann es nicht.

Natürlich bemerkten meine Freunde die Melancholie, die wie ein dunkler Schleier über mir lag. Deswegen zerrten sie mich Samstag Abend auch mit zu Sydneys Party.

„Sie hat extra nach dir gefragt!", meinte Pacey mit einem kecken Grinsen in der Stimme.

Ich gab einen ungläubigen Ton von mir: „Sie weiß nicht, was sie sich da antut!"

„Das habe ich ihr auch gesagt!", schaltete sich Jasper in unser Gespräch ein.

Er wirkte sehr konzentriert, während er den roten Minivan durch die geparkten Autos manövrierte, als würde er sich für die nächste DTM qualifizieren wollen. Sydneys Straße bot dafür aber auch eine exzellente Rennstrecke.

„Haha!", antwortete ich halb beleidigt, halb grinsend, weil mein bester Freund mir mal wieder einen Schritt voraus gewesen war.

„Aber um ehrlich zu sein glaube ich nicht, dass sie für sich nachgefragt hat...", murmelte Jas auf einmal und wirkte überlegend.

„Was meinst du damit?", hakte ich verwirrt nach und richtete mich in meinem Sitz auf, um ihn über die Musik hinweg besser hören zu können. Mein Kopf klebte nun an seiner Rückenlehne.

„Das ich nicht sicher bin, ob nicht jemand anderes dahintersteckt", mein bester Freund wirkte auf einmal nicht mehr so auskundfreundlich wie zuvor.

Das spürte ich daran, dass seine Worte immer leiser wurden. Aber dank meiner guten Ohren hörte ich sie trotzdem.

„Was glaubst du, wer wohl gefragt hat?", eigentlich wollte ich die Antwort gar nicht hören. Warum hatte ich bloß gefragt?

Weil du es wohl wissen möchtest! 

„Ich weiß es nicht, Leke!", Jas schüttelte bedauernd den Kopf und konzentrierte sich weiter auf das Fahren, bis der Wagen auf einmal mit harten Bremsen zum stehen bleiben gezwungen wurde.

„Wer sagst' denn! Fast direkt vor der Haustür!", lobte er sich selber mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht.

Ich würde wohl keine Antwort mehr bekommen. Und vielleicht war das sogar besser.

Als wir das riesige Haus betraten, schlug mir sofort der Geruch nach jeder Menge Alkohol und Deo in die Nase. Erdbeer, wenn ich mich nicht irrte. Gemischt mit billig Bier und etwas Hochprozentigem.

Genau das, was ich jetzt brauchte, um meine angespannten Nerven zu beruhigen.

„Jungs!", augenblicklich richteten wir unsere Köpfe nach links. Aus dieser Richtung hatte uns Sydney lautstark begrüßt.

„Heeeeey!", schrie sie direkt in unsere Ohren und warf sich fast auf uns drauf, als sie uns zur Begrüßung umarmen wollte.

„Hi Sydney", murmelte ich amüsiert und ein leichtes Lächeln huschte über mein Gesicht. Das erste seit Tagen. Auch die anderen grinsten sich an.

Die halb-mexikanerin griff nicht besonders zielsicher hinter uns und zauberte rote Pappbecher hervor.

Ohne das ich mir große Mühe machen musste herauszufinden, wo denn ihre Hand mit dem Becher war, drückte sie ihn mir gegen die Brust.

„Hier, für dich!", dann wandte sie sich an Pacey links neben mir.

„Ich warne dich, Williams, wenn du mir dieses Jahr noch einmal den Teppich vollkotzt, dann wird das das letzte Mal gewesen sein, dass du dieses Haus betreten hast!"

Der Braunhaarige antwortete nicht, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er gerade vor Scham rot anlief. Wenn es eins gab, was er nicht mochte, dann war es im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

Obwohl Sydney ihre Worte mit einem solchen Ernst gesagt hatte, dass keiner von uns an ihren Worten zweifelte, fing sie kurz darauf an in wildes Lachen auszubrechen.

„Oh man, ich glaube, ich sollte etwas Vodka trinken!", halb lallend klopfte sie mir an die Brust und drehte sich immer noch lachend um.

„Ich glaube du meintest Wasser!", rief Jasper ihr grinsend hinterher und ich hörte den Schalk aus seiner Stimme heraus.

„Wäre wohl besser", murmelte ich zustimmend und blickte ihren unsicheren Fußtritten hinterher, die sich vor mir hin schlängelten wie eine betrunkenen Schlange.

Mit diesen Worten setzte ich den Pappbecher an meine Lippen und trank den Inhalt in einen Zug aus.

Zufrieden lächelnd setzte ich ihn ab und meinte zu den anderen: „Das hier wird gut werden, okay? Es MUSS gut werden! Also lasst uns hier nicht in der Tür verrotten."

Das Bier begann ganz langsam seine Wirkung zu zeigen, doch die Wärme, die sich in mir ausbreitete, verriet mir, dass es kein normales Bier gewesen war.

Aber sie tat gut. Sehr sogar.

Was dazu führte, dass ich ebenfalls hinter mich griff und den Vorrat an Bechern ausfindig machte, der wohl für die Neuankömmlinge gedacht war.

Na ja, streng genommen waren wir das doch, oder?


~Bild oben: Sydney~


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt