13. Wie ein Serienmörder

4.9K 304 11
                                    

Shys Sicht:

Verwirrt beobachte ich komischen Jungen, wie er bei meiner Freundin Brook im Flur steht.

Er hat eine Defensive Haltung angenommen, seine Muskeln sind angespannt und er blickt schnell zwischen uns beiden hin und her.

Jetzt öffnet komischer Junge zögerlich den Mund, nachdem er einige Sekunden über Brooks Frage nachgedacht hat.

Täusche ich mich, oder bildet sich da gerade ein Schweißtropfen auf seiner makellosen Stirn?

Was zum Kuckuck MACHTE er hier? Und wie war er hier herein gekommen?

Prüfend mustere ich seine schwarze Collegejacke, die an den Ärmeln weiße Streifen besitzt.

Und anscheinend hat dem armen Jungen niemand gesagt, dass seine schwarze Hose viel zu eng sitzt.

Ich hasse Typen, die so welche Jeans tragen. Die sehen schrecklich aus!

Er rückt mit einer schnellen Bewegung seine Sonnenbrille zurecht und meint: „Weil ich dich fragen wollte, ob du mir Hilfe in Französisch geben kannst..."

Komischer Junge blickt Brook mit zerknirschter Miene an. Seine Lippen sind zu einem dünnen Strich zusammen gepresst.

Meine beste Freundin legt den Kopf schief, während sie über die Bitte nachdenkt. Ihr Blick streift meinen. Auf einmal sehe ich ihre Augen schelmisch aufblitzen.

Nein, forme ich sofort mit den Lippen.

Energisch gebe ich ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, dass sie sich die Idee in den Arsch schieben kann. Wörtlich gemeint.

Mein Stinkefinger könnte nicht deutlicher sein.

Und dennoch.

„Weißt du", fängt Brook lächelnd an und wendet sich an Leke, „dass Shy zweisprachig aufgewachsen ist? Ihre Mutter spricht Französisch ..."

„Lass es!", zische ich ihr warnend zu und versuche dabei, weiterhin uninteressiert zu wirken.

Innerlich bin ich jedoch nahe am Zusammenbruch. Meine Augen funkeln sie böse an.

Doch Brook ignoriert mich eiskalt. Noch nie habe ich sie so erlebt.

„Vielleicht wäre es da besser, wenn SIE -..."

„Nein!", unterbreche ich sie ungehalten.

Ich will komischen Jungen bloß keine falschen Flausen in den Kopf setzten. Er hat sich bereits wieder mir zugewendet und blickt mich an.

Dieses verflixte Grinsen kann er sich sonst wo hin schieben!

Als hätte man ihm ein unerwartetes Geschenk gemacht. Obwohl sich ein wenig Unsicherheit in seiner Miene widerspiegelt.

„Ich glaube nicht, dass sie davon so begeistert ist...", überlegt er und Zweifel schleichen sich in seine Züge.

Danke!, denke ich mir.

Wenigstens einmal stimmt mir jemand zu. Dass dieser ausgerechnet Leke ist ignoriere ich gekonnt.

Bekräftigend nicke ich mit dem Kopf. Meine Haare wippen hin und her.

Komischer Junge beißt sich auf die Lippen.

„Ich habe aber keine Zeit dafür!", widerspricht Brook mir. Unbekümmert zucke ich mit den Schultern.

„Na und? Ist das unser Problem, wenn unser Drogenjunkie hier kein Französisch kann?"

Ich spüre, wie Leke mir wütende Blicke zuwirft und die Hände zu Fäusten ballt. Oha, da war aber jemand wütend.

„Nimm das zurück!", zornig kommt er einen Schritt auf mich zu. Zwischen seinen Augenbrauen hat sich ein gerade Strich offenbart.

Ich konnte nicht anders. Irgendwie wirkte er ... süß, wie er da stand. Denn ich wusste, dass er mir nichts anhaben konnte.

Seine aufgebrachte Haltung weckte zwar ein paar alte Erinnerungen in mir, doch er wirkte längst nicht so wie die Geister meiner Vergangenheit.

„Was?", necke ich ihn spielerisch und beuge mich noch ein wenig weiter über das Geländer, „das Problem in Französisch oder den Drogenjunkie?"

„Mpff", schnaubte er verächtlich.

Dann wendete er sich ergeben von mir ab. Schien, als hätte Blödmann heute keine Lust auf Streit.

Ich sollte ihn in Miesepeter umtaufen, so wie er gerade schaute.

Mit immer noch grimmiger Miene vollführte er eine viertel Drehung und knallte ... volle Kanne gegen die Wand.

Nur wenige Zentimeter entfernt war die Einbiegung zum weiteren Flur.

Der stumpfe Knall ließ uns alle drei zusammen zucken.

Schockiert hob ich eine Augenbraue und unterdrückte den Drang, nach unten zu laufen und mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war.

„Is ja doch nicht hohl", murmele ich mehr zu mir selbst, als zu jemand anderen.

„Alles okay?", schaltete sich stattdessen Brook ein und war kurzerhand schon neben Leke.

Dieser presste sich die Hände gegen die Stirn. Er ließ es zu, dass sie seine Hände sachte wegzog und sich das ganze ansah.

Anscheinend war er gegen die Kante geknallt. Am Haaransatz war ein roter Strich zu erkennen, aus dem bereits Blut quoll. In dickflüssigen Tropfen lief es sein Gesicht hinunter.

An seinen Händen, die nun hilflos hinunter baumelten, klebte Blut.

„Geht schon!", sanft, aber dennoch bestimmt, drängte er Brooks Hände beiseite.

Verunsichert kaute ich auf meiner Unterlippe herum. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ob ich ÜBERHAUPT etwas tun sollte.

„Komm, wir müssen das verarzten!", Brooks Stimme war ernst und aus ihrem Gesichtsausdruck sprach ganz die Medizinerin.

Blödmann schüttelt stur den Kopf und setzt sich schon erneut in Bewegung.

Fast hätte er mit seiner blutverschmierten Hand die weiße Tapete beschmutzt, als er unsicher einen Arm ausstreckt.

Mit drei Sätzen bin ich bei ihm. Entschieden halte ich seinen rechten Arm fest.

„Sei nicht dumm. Wenn du so auf die Straße gehst, werden die Leute noch die Polizei rufen!", versuche ich ihn zu überreden.

„So schlimm?", er wirft mir einen leicht gequälten Blick über die Schulter zu. Seine Sonnenbrille spiegelt das Tageslicht, dass aus der Küche kommt.

Meine Augen huschen über sein blutendes Gesicht, die süße Nase, die vollen Lippen.

„Du siehst aus wie Serienmörder!", erwidere ich knapp und kann mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.

~~~Bild oben: Brook~~~

The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt