51. Als die Zeit stehen blieb

3.6K 238 6
                                    

„Wenn du Shy auch nur irgendetwas antust, dann ...", ich konnte nicht weitersprechen. Ja, was dann? Würde ich ihn fertig machen? Aber das tat ich ja gerade schon, zumindest hatte ich es vor.

„Also geht es dir um dieses süße Püppchen?", ich konnte das Klick in Jacks Kopf förmlich hören, als er eins und eins zusammen zählte. Als das Uhrwerk einrastete und er verstand.

„Weil ich mit ihr tanze? Oh, du armer Junge, hat sie dich etwa abserviert?", Jacks Stimme klang nun nicht mehr verwirrt, stattdessen war da ein fieser, wissender Unterton.

Warum hatte ich ihm bloß noch eine Waffe in die Hand gedrückt? Ich spürte, wie meine Wut zunahm, wie mein Kopf ganz heiß wurde und ich meine Finger nicht mehr unter Kontrolle hatte.

Mit einem wütenden Fauchen trat ich mit einem gewissen Risiko nach vorne, da ich nicht hundert Prozent sicher sein konnte, dass Jack auch wirklich da stand, wo ich ihn vermutete.

Aber er tat es.

Wie ein Stier vergrub ich meinen Kopf auf seiner Brusthöhe und drängte ich wütend zurück. Aus seinen Worten saugte ich die Kraft, die mir half, gegen ihn anzukämpfen.

„Sie geht mit mir zum Tanzball und danach werden wir einen wirklich bezaubernden Abend haben, da kannst du dir sicher sein!", sprach er einfach weiter. Er wusste ganz genau, dass mich jedes einzelne seiner Worte aufregte.

„Werdet ihr nicht!", schoss ich zurück und ließ mein Knie hochschnellen. Jacks Stöhnen nach zu urteilen hatte ich getroffen, mir war egal was. Hauptsache er würde aufhören zu reden. Doch diesen Gefallen tat er mir nicht.

„Schließlich schuldet sie mir etwas dafür, dass ich so nett mit ihr tanze, obwohl sie die Neue ist!"

„Du Dreckskerl. Du jämmerlicher Drecks-..."

Ich unterbrach mich selber durch ein erschrockenes Aufjapsen. Er hatte mich mit aller Kraft von sich weggestoßen und ich taumelte orientierungslos zurück, um nicht hinzufallen.

Doch ich durfte ihn nicht verlieren. Auf meiner Brust spürte ich noch immer den Druck seiner Hände, als würden sie immer noch meinen Körper berühren.

„Und weißt du, was sie mir gesagt hat?"

Ich wollte Jacks dreckiger Stimme nicht zuhören, aber ich konnte nicht anders. Ich wollte nicht hören, was er nun sagen würde.

„Sie verachtet dich!"

„Nein!", schrie ich verzweifelt dazwischen und presste meine Hände mit aller Kraft gegen meine Ohren.

„Sie verachtet dich! Deine jämmerlichen Probleme, deine Witze, deinen Charakter!"

Meine Augen füllten sich bei seinen Worten mit Tränen, es war, als würden seine Worte mein Herz verbrennen. Er machte mich kaputt, zermürbte mich. „Ahhhhh."

Ich schrie. Schrie meinen Frust heraus. Schrie, und wurde immer wütender. Es war, als würde es nur noch Jack und mich geben, alles andere war egal.

„Der Badboy steht dir nicht, Leke Flynn", meinte Jack mit einem Grinsen. Er wusste, was er da tat. Was er mir antat.

„Leke, hör nicht auf ihn!", hörte ich auf einmal Pacey rechts neben mir rufen. Er klang konzentriert, dennoch nahm ich den warnenden Unterton in seiner Stimme wahr. Er wollte mich zurückhalten, ich spürte seine Hand an meiner Jacke, doch es war nur halbherzig, da er gerade selber in den Fängen von jemanden steckte.

„Was weißt du schon?", brüllte ich Jack entgegen, ignorierte Pacey und sammelte meine letzten Kräfte. Anhand Jacks Worte orientierte ich mich und auf einmal wusste ich ganz genau, wo er stand.

Erneut ging ich auf ihn los, schlug meine Finger in sein Gesicht, zog ihn zu mir heran, auf einmal schlugen unsere Köpfe mit aller Kraft gegeneinander.

Die Zeit schien stehen geblieben zu sein.

Unsere ganze Kraft und Geschwindigkeit war in diese eine Berührung geflossen und erneut wurde ich zurück geschleudert, doch dieses mal landete ich auf dem Boden.

Doch ich spürte den leicht feuchten Asphalt unter meinen Fingern gar nicht, die sich ergeben abstützen. Spürte den Rand des Bordsteins nicht, auf dem ich halb lehnte. Ich spürte einfach gar nichts.

Mein Kopf dröhnte, und der Bass bekam einen Verstärker. Mein Kopf und meine Nase vibrierten unaufhörlich. Bumm, bumm, bumm.

Jack sagte nichts mehr. Stattdessen hörte ich einen heftigen Schlag. Die Sekunde kam mir vor wie etliche Minuten.

Doch Jack blieb still.

Auf einmal hörte ich langsam wieder die anderen Stimmen, der Moment der Zweisamkeit war verflogen und Schreie drangen zu mir vor. Erst leise, doch dann immer lauter.

„Verdammt, Jack!", brüllte jemand, während ich noch völlig benommen auf dem Boden lag.

„Leke!", hörte ich Jasper schreien und auf einmal spürte ich eine kalte Hand, die meinen Kopf hochhob. Mein bester Kumpel kniete neben mir und redete beunruhigt auf mich ein. Seine Stimme bebte: „Leke, ist alles okay?"

Ich nickte und richtete meinen Oberkörper auf. Was war mit Jack? Warum hörte ich ihn nicht mehr? Eine schreckliche Vorahnung machte sich in mir breit, die meinen Körper gefrieren ließ, als wäre ich aus Eis.

„Jack", brachte ich mit rauer Stimme hervor und starrte angestrengt in die Dunkelheit. Doch die vielen Schemen ließen mich nicht den einen ausfindig machen, der mir doch so verhasst war, um den ich dennoch in diesem Moment unheimliche Angst hatte.

„Jack, sag doch was", hörte ich eine aufgeregte Stimme. Panik machte sich breit.

„Er ist bewusstlos", hörte ich auf einmal Shades Stimme, ruhig und klar. „Wir müssen einen Krankenwagen rufen!"

„Sofort!"

Alle redeten durcheinander, ich hörte Mikes anklagende Stimme heraus: „Was habt ihr euch bloß dabei gedacht? Seid ihr verrückt?"

Keiner antwortete.

Alle starrten auf den am Boden liegenden Jack. Mein Kopf dröhnte noch immer, doch dazu kamen unzählige Fragen, die sich in meinem Kopf breitmachten. Wie schlimm war es? Und war es meine Schuld? Würde Jack wegen mir sterben?

Doch keiner antwortete.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt