21. Blackout wider Willen

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Wir hatten beschlossen, dass sie hier schlafen konnte. Harry konnten wir nicht mehr fragen, der war schon vor einigen Stunden in seinem Zimmer verschwunden.

Jasper meinte gesehen zu haben, dass Lacey dabei war. Hoffentlich hatte er nicht Recht, denn es würde unseren Kumpel Zack bitter treffen.

Und da wir selber auch keine große Lust mehr hatten, um halb vier morgens durch die Gegend zu fahren, beschlossen wir kurzerhand, hier zu schlafen.

Wir gaben bestimmt ein komisches Bild ab. Jasper und ich hatten uns auf das kleine Sofa gequetscht, er lag mit seinen Beinen über mir.

Gefühlt jede halbe Stunde musste ich mir im Halbschlaf seine Füße aus dem Gesicht wischen, was extrem nervig war. Shy hatte noch den besten Platz auf dem großen Sofa abbekommen; Pacey pennte im Sessel und Zack....keine Ahnung, wo er steckte.

Ich war gerade dabei, von einem Rendezvous mit meiner verstorbenen Katze Petze zu träumen (sie wurde leider vor einem Jahr überfahren), als mich ein ohrenbetäubender Schrei aus meinem ziemlich angenehmen Traum riss.

„Was zur Hölle?", vor Schreck rollte ich von meinen halben Quadratmeter Schlafplatz und knallte mit einem leisen Rums auf den Teppichboden.

Stöhnend richtete ich mich halb auf und rieb mir die linke Schulter, die volle Breitseite den Boden geküsst hatte. So ein verdammter Mist! Erst der Kopf und jetzt das. Hörte das denn nie auf?

Mein Schreckens-runter-auf-den-Boden-Schrei schien jedoch gar nicht so laut gewesen zu sein, da Jasper nach einem kurzen Moment einfach weiter schnarchte.

Verwirrt versuchte ich die Geräusche zu orten, die nun verdammt schnell auf mich zukamen.

„Was habt ihr mit mir gemacht, ihr ... hinterhältigen Mistkerle!", brüllte sie mir direkt in mein Ohr. Schnell stand ich auf und versuchte den Weg in Richtung Küche zu finden, damit sie nicht noch das ganze Haus wach schrie.

Was in meinem schlafgetrunkenen Zustand gar nicht so einfach war.

„Drecksschweine, ihr, ...", sie musste anscheinend einen Moment überlegen, da ihr Repertoire an Sprüchen langsam zu Neige ging.

Shy entschloss sich dazu, ihre Lage mit einem wütenden Blick klar zu machen, der mich natürlich nicht im Geringsten traf, da ich ihn schlicht und einfach nicht SAH.

„Mich einfach so zu entführen!"

„Entführen?", ich konnte einfach nicht anders, als dämlich ihre Aussage zu wiederholen und hoffte, dass ich dabei nicht wie der letzte Idiot aussah.

Denn mein Gesicht hatte in etwa den Ausdruck, als hätte sie mir gerade erklärt, dass die Erde eine Scheibe ist.

Sie stützte die Hände in die Hüften und schaute mich mit grimmiger Miene an. Ich sollte besser mal die Messer aus ihrer Reichweite tun ...

„Ja, ihr perversen Schweine, was habt ihr mit mir gemacht, hmm?", sie schob herausfordernd das Kinn vor, doch in ihren Augen blitzte auch so etwas wie Unsicherheit auf, als ich jetzt meinte:

„Spinnst du? WIR würden nie jemanden entführen, erst recht nicht dich!"

„Was soll das denn jetzt wieder heißen? 'Erst recht nicht mich'. Heißt das, ihr würdet jemanden anderen ..."

„Nein, verdammt!", redete ich ihr einfach dazwischen und verdrehte die Augen. Immer diese Leute, die nach ihrem großzügigen Alkoholkonsum nicht mehr wussten, was passiert war.

„Kann der mal jemand das Maul stopfen? Ich habe Kopfschmerzen, verdammt, und die sind schlimmer, als bei lebendigen Leib zu verbrennen!", schrie Jasper wütend durch das ganze Haus.

Wir hielten abgelenkt inne.

Ihr wütend schnaubender Atem blies in meine Richtung, weswegen ich mir sicher war, dass sie mich gerade anschaute, doch ich hielt ihrem Blick stand. Ich sah sie ja eh nicht.

„Und was mache ich dann hier?", Shy stöhnte hilflos auf. „Wo auch immer HIER ist...."

„Shy, was hast du gestern Abend gemacht?", löchere ich weiter um heraus zu finden, wie weit ihre Erinnerungen gingen. Oder eben nicht.

„Ich ... da war eine Party. Oh Gott, ich habe es hoffnungslos übertrieben, oder?", ihre Stimme nahm eine fast hysterische Neigung an.

Leicht mitleidig nickte ich. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie war fast ... ja, sie war fast so etwas wie hilflos. Sprachlos. Und dass war so gut wie nie anzutreffen.

„Scheiße", flüsterte sie in die Stille hinein und ich könnte dafür wetten, dass sie bestürzt den Kopf zwischen die Hände nahm.

„Habe ich IRGENDETWAS dummes gemacht, Leke? Sag es mir bitte, ich möchte es nämlich nicht von jemand anderen erfahren!"

„Da war nichts", meinte ich beruhigend, „jedenfalls nichts, wovon ich weiß."

Das ich den letzten Teil des Abends draußen verbracht hatte, verschwieg ich ihr lieber. Was sie in diesem Zeitraum angestellt hatte ... keine Ahnung. Doch ich glaubte nicht, dass Brook sie derart im Stich gelassen hatte.

„Du kannst es ruhig sagen", drängte Shy mich und ich merkte ihr an, dass sie Angst hatte. War ihr die Meinung der anderen etwa derart wichtig?

„Ich bin dir deswegen dieses mal auch nicht böse, aber bitte sag es!" Verhörte ich mich, oder klang sie fast flehend? Irgendwie tat sie mir ja schon leid, wie sie da stand und keinen Plan hatte, was gestern passiert war.

„Alles gut, du kannst wieder runter fahren. Du hast dich nicht blamiert und auch nicht oben ohne auf den Tischen getanzt."

Ich konnte nicht anders als bei der Vorstellung zu lachen.

„Haha, sehr witzig. Ich weiß auch gar nicht, warum ich ausgerechnet DICH frage, da du mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar noch weniger über den Abend gestern weißt als ich."

Da war er wieder. Dieser zynische, beweisende Unterton.

„Ist das so?", ich verschränkte die Arme vor der Brust und baute mich vor ihr auf.

Sie war nur wenige Zentimeter von mir entfernt und ihr Geruch erinnerte mich an gestern Abend. Als ich sie -betrunken wie sie war- aus dem Garten ins Haus geführt hatte.

Sie roch nach Bier, aber da war noch etwas anderes: ein leichter Hauch von Erdbeere.

Am liebsten hätte ich mich noch ein wenig weiter vorbeugt und an ihren Haaren gerochen. Doch stattdessen blickte ich siegessicher auf sie herab und schluckte mein Verlangen hinunter.

„Ach lass mich doch in Ruhe", murmelte sie genervt. Das Grinsen, dass sich ganz langsam auf mein Gesicht schlich, konnte ich mir ebenfalls nicht verkneifen.


The blind BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt