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Nervös schluckte Taehyung und versteckte seine schwitzigen Hände zwischen seinen Oberschenkeln, während er das Treiben vor sich beobachtete. Jungkook war nun schon seit einer Weile mit Hoseok und Jimin verschwunden, Seokjin kümmerte sich um Namjoon, der anscheinend in irgendeinem anderen Zimmer sein musste und dort seit Stunden schlief, und Taehyung selbst war mal wieder mit Yoongi und Youngjae im Wohnzimmer gelandet.

Der Fernseher lief wieder und zeigte dieses Mal irgendeinen Bollywood-Streifen aus den 90ern, doch dieses mal achtete wirklich niemand darauf, denn Youngjae und Yoongi waren gerade dabei sich um die Päckchen mit dem weißen Pulver zu kümmern, die hier überall herumlagen.

Sie hatten eines geöffnet, den Inhalt zwischen sich aufgeteilt und nun waren beide dabei es mit kleinen Waagen zu portionieren und dann in kleine Päckchen zu füllen. Yoongi hatte sich dabei einen schwarzen Mundschutz aufgesetzt und arbeitete vollkommen ruhig, seit er Youngjae angeboten hatte sich nützlich zu machen, weil ihm langweilig gewesen war.

Im Gegensatz dazu wirkte Youngjae ziemlich aufgedreht, seit er vorhin ein kleines Bisschen des Pulvers abgezweigt, mit irgendeiner Kundenkarte zu einer Linie ausgedünnt und es dann mit einem zusammengerollten Geldschein in seine Nase gezogen hatte.

Es hatte Taehyung daran erinnert wie er vor gefühlt tausenden Jahren einmal Brausepulver durch seine Nase gezogen und dabei beinahe durchgedreht wäre, weil es sich so komisch und prickelnd angefühlt hatte, während Baekhyun und Daehyun (die ihn dazu angestiftet hatten) ihn ausgelacht hatten, ehe sie es auch probiert hatten.

Sofort sanken Taehyungs Mundwinkel in den Keller, als ihm bewusst wurde, dass Daehyun damals noch sein Cousin gewesen war... Jetzt war er nur mehr ein Fremder, der versucht hatte ihn umzubringen.

Jedenfalls war Taehyung spätestens zu dem Zeitpunkt, als Youngjae dies getan hatte, klar geworden, dass dies auch Drogen sein musste. Und mittlerweile kannte er sich sogar ziemlich gut aus, was dieses Kokain anging, denn Youngjae erzählte ihm seit locker zwanzig Minuten alles mögliche über diese Droge.

Es schien ein bisschen, als wäre der Ältere in einen kleinen Redefluss verfallen, aber weil Yoongi schon die ganze Zeit schlecht gelaunt und deswegen alles andere als gesprächig war, hatte er begonnen Taehyung eine Nachhilfestunde in Sachen Kokain zu geben. Auch wenn er immer wieder kleine, spitze Bemerkungen in Taehyungs Richtung abgab, anscheinend mochte er den Jungen wirklich nicht.

Und auch wenn sich der Junge schon die ganze Zeit ganz schön unwohl fühlte, weil er nicht dabei sein wollte, wenn irgendwelche kriminellen Tätigkeiten vor ihm passierten, war es doch recht interessant, was ihm Youngjae da erzählte - zum Beispiel dass einige hoch angesehen Geschäftsmänner, Politiker und Schauspieler zu ihren Kunden gehörten, denn obwohl Taehyung immer gedacht hatte, dass Drogen nur von irgendwelchen obdachlosen Junkies konsumiert wurden, hatte sich heraus gestellt, dass Kokain wohl auch wahnsinnig beliebt bei den Reichen, Schönen und vor allem Erfolgreichen war.

Doch als Youngjae irgendwann fertig war Taehyung alles zu erklären - von den Kunden, über die Wirkung bis hin zu den Preisen - herrschte ein paar Momente lang Stille in dem Zimmer, nur der Fernseher lief im Hintergrund noch.

Aber plötzlich hörte man, wie die Wohnungstür aufgesperrt und nur einen Augenblick später wieder zugeschlagen wurde.

Unweigerlich begann Taehyungs Herz etwas fester zu schlagen. War Jungkook wieder da? 

...O-oder vielleicht sogar Daehyun?!

Nervös starrte er zur Tür, doch durch diese kam schließlich ein Fremder ins Wohnzimmer. Als aller erstes fiel Taehyung auf, dass der Kerl verdammt groß war - sicherlich ein paar Zentimeter größer als Namjoon - und als zweites, dass er ziemlich jung aussah.

"Hey Hyung", grüßte er der Blonde mit einem Grinsen in Youngjaes Richtung, dann fiel sein Blick auf Yoongi, doch durch den Mundschutz schien er Probleme zu haben den Weißhaarigen zu erkennen. "Y-yoongi-hyung?", fragte er unentschlossen und legte den Kopf dabei etwas schief.

Yoongi nickte leicht, zog den Mundschutz nach unten und klemmte diesen unter sein Kinn und erwiderte: "Hi Zelo."

Dann fiel der Blick dieses "Zelos" auf Taehyung und der großgewachsene Junge sah nun endgültig verwirrt aus. "Und du bist?"

Taehyung wusste nicht, ob er ihm antworten sollte - anscheinend hatte er in den letzten Tagen die Fähigkeit verloren selbstständig zu handeln - doch da erhob schon wieder Yoongi das Wort. 

"Unwichtig."

Taehyung war 'unwichtig'? Wie freundlich.

Zelo wirkte ein bisschen irritiert, aber anscheinend wusste er, wann es besser war keine Fragen zu stellen, deswegen zuckte er nur mehr mit den Schultern und kniete sich vor den Tisch, auf dem der Großteil des Kokains lag.

Er nahm seinen Rucksack von den Schultern, öffnete diesen und packte sich gleich drei der großen Päckchen ein.

"Hast du Lust noch ein bisschen zu bleiben, Junhong? Ich hab die letzten Tage echt viel Overwatch gezockt und jetzt wirst du keine Chance gegen mich haben", meinte Youngjae schließlich und grinste triumphierend.

Doch der Kerl seufzte nur. "Ich kann nicht... Hab nachher eine Vorlesung und muss vorher dieses Zeug hier noch bei mir Zuhause abladen... Deswegen wollte ich ja gestern noch vorbei kommen, da hätte ich mehr Zeit gehabt... Natürlich um dich fertig zu machen, du glaubst doch nicht wirklich, dass du mich jemals schlagen kannst? Aber gestern hattest du dann ja volles Haus, Hyung", erwiderte Junhong und warf beim letzten Satz einen kleinen Blick auf Yoongi.

"Schade", kam es daraufhin sofort von Youngjae, der eine kleine Schnute zog. "Aber Junhong... Habt ihr auf der Uni schon Schusswunden durch genommen? Lernt ihr das im Medizin-Studium überhaupt? Weil wir haben hier gerade einen Schuss in eine Schulter, die bereits ausgekugelt war... Sieht echt krass aus. Hast du Lust es dir anzusehen? Du kannst auch Fotos machen und dann mal eine Arbeit darüber schreiben." Zum Schluss begann Youngjae ein bisschen zu kichern, während Junhongs Augen ein bisschen zu leuchten begannen.

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir keinen Kurs haben, in dem es um Verletzungen der Bandenkriminalität geht... aber ich würd mir das echt gerne ansehen. Wer ist denn der Glückliche?", grinste Junhong und erhob sich dabei. Seinen Rucksack schulterte er wieder, so als hätte er gerade nur Schulbücher eingepackt.

"Namjoon", erwiderte Youngjae und erhob sich ebenfalls, woraufhin beide den Raum verließen.

„Ist das der Grund, wieso es hier so stark nach Bleichmittel riecht, als hätte eine Boygroup ein Umstyling hinter sich gebracht? Ich dachte schon ihr habt hier jemanden umgelegt und mir nicht bescheid gegeben...", war das letzte, was man noch von Junhong hörte. 

Taehyung sah ihnen ein bisschen irritiert hinterher. Wieder einmal wurde ihm klar, wie verdreht die Welt doch war, in der diese Menschen... und auch Taehyungs ganze Familie anscheinend lebten... Gestern hatte noch Krise geherrscht wegen Namjoons Verletzung und heute redeten sie darüber, als wäre diese ein neues paar Schuhe, das unbedingt hergezeigt gehörte. 

Yoongi neben ihn begann ein bisschen zu grummeln, er war wohl nicht sonderlich begeistert, dass Youngjae ihn mit Taehyung alleine gelassen hatte. Trotzdem zog er sich den Mundschutz wieder auf und machte sich wieder an die Arbeit.

"Ich hasse es den Babysitter spielen zu müssen", glaubte Taehyung ihn irgendwann undeutlich brummen zu hören. 


stockholm syndrome • taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt