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Taehyungs Augen weiteten sich erschrocken, als ihm klar wurde, dass er von Jungkook gefilmt wurde. Diese ‚kleine Nachricht an deinen Vater' war offensichtlich ein Video und sofort huschte ein Schauer durch den Körper der Jungen. 

Er dachte daran, was sein Vater wohl davon halten würde, wenn er Taehyung am Boden kniend in dieser unterwürfigen Haltung sehen würde... Es war beschämend. Taehyung wäre so gerne stärker und frecher... Würde nicht alles tun, was Jungkook von ihm verlangte...

Aber er war und blieb ein Weichei... Er würde sich nie trauen zu widersprechen, denn nach allem, was passiert war, wollte er um jeden Preis vermeiden Jungkooks Gunst zu verlieren... Denn die Konsequenzen dafür würden sonst mit ziemlicher Sicherheit ganz schön schmerzhaft werden. 

Also schluckte Taehyung nur leer und hielt dann die Stelle mit dem heutigen Datum in die Kamera. 

„Und jetzt falte die Zeitung und leg sie auf den Boden... Genau vor meine Füße. Und dann wieder Hände hinter den Rücken."

Es kostete Taehyung ein bisschen Überwindung dies zu tun und die ganze Zeit fragte er sich, was sein Vater wohl sagen würde, wenn er es sah... Sein Dad hatte immer versucht aus Taehyung und Baekhyun starke, selbstbewusste Männer zu machen, was wohl seine kühle und strenge Art ein bisschen erklärte, und Taehyung hatte Angst, dass es ihn enttäuschen würde seinen Sohn so unterwürfig zu sehen... Aber was sollte Taehyung schon anderes tun?

Seine Finger waren etwas verkrampft, als er die Zeitung faltete und schließlich vor seinen Knien, die langsam von dem harten Boden weh taten, ablegte. Dann verschränkte er die Hände auch schon wieder hinter dem Rücken und vermeidete um jeden Preis in die Kamera oder noch höher  in Jungkooks Augen blicken zu müssen. 

„Der 16. April also...", begann Jungkook irgendwann und klang ein bisschen lockerer als zuvor, trotzdem würde Taehyung dieses ganz ungute Gefühl in seiner Magengegend nicht los... Irgendetwas würde jetzt noch passieren... 

„Es ist ein ziemlich großer Zufall, dass mein Vater vor beinahe genau zwei Jahren ermordet wurde, oder? Am 18. April 2011... Und gestern... Am 15. April hat irgendwer versucht in mein Haus einzudringen und mich umzubringen... Glaubst du, das kann wirklich nur ein Zufall sein, Taehyung? Oder besteht da irgendein Zusammenhang? Zum Beispiel, dass Kim Seunghyun nach meinem Vater auch mich tot sehen will?" 

Mit jedem Satz wurde Jungkooks Stimme wieder härter und einen Moment lang setzte Taehyungs Herz aus.

Waren das gestern Männer seines Vaters gewesen? Hatten sie ihn retten wollen? War Taehyung vielleicht vor seiner eigenen Rettung geflohen? Aber Jungkook hatte doch gesagt... 

Plötzlich wurde Taehyung eiskalt und irgendetwas begann sich in seinem Kopf zu drehen. Jungkook hatte ihn einfach angelogen, oder?

Oder wusste der Schwarzhaarige selbst nicht, wer das gestern passiert war?  

Da Jungkook nichts mehr sagte, befürchtete der Junge, dass er wohl oder übel eine Antwort geben musste... Auch wenn er irgendwie wieder das Gefühl hatte, dass er sowieso nichts wusste. Am Ende war er doch bloß eine Figur in dem Schachspiel, das Jungkook mit Taehyungs Vater spielte. 

„I-ich... w-weiß nicht...", stotterte er verloren.

„Sprich mich gefälligst respektvoll an, wenn ich mit dir rede!", zischte Jungkook plötzlich harsch und bei dem wütenden Klang seiner Stimme, zuckte Taehyung unweigerlich zusammen, weil er irgendwie sofort mit einem zusätzlichen Schlag rechnete.

Ohne dass er es kontrollieren konnte, bahnten sich Tränen in seinen Augen an. Er hatte schon die ganze Zeit Angst gehabt, was passieren würde... Und jetzt war er sich plötzlich sicher, dass Jungkook ihn nie hatte beschützen wollen. Er würde ihm noch etwas antun... Denn am Ende war Taehyung nichts als ein Bauer am Spielfeld, der geopfert werden konnte. 

„E-e-es tut mir leid... Hyung-nim...", stotterte Taehyung und seine Stimme bebte jetzt schon ein wenig, obwohl er noch gar nicht zu weinen begonnen hatte. „I-ich... weiß nicht... Ich weiß eigentlich... g-gar nichts..." 

Taehyung starrte verängstigt hinunter auf seine Brust und bemerkte, dass er zitterte. 

„Ach? Wäre ja auch mal was Neues gewesen, wenn du mal von irgendetwas eine Ahnung hättest... Aber findest du nicht auch, dass allein der Verdacht Grund genug wäre, um mich an deinem Vater zu rächen? Wir dürfen ja auch nicht vergessen, dass er meinen eigenen Vater umbringen ließ... Wäre es da nicht gerecht, wenn ich jetzt dir etwas antue?"

stockholm syndrome • taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt