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"Danach... bin ich sofort zu meiner Mutter gefahren... und keine Stunden später waren wir dann im ersten Zug nach Busan, wo wir erst mal bei meinen Großeltern untergekommen sind...", erzählte Daehyun und machte dann zum ersten Mal eine richtige Pause. In diesem Moment wirkte er noch ausgelaugter als zuvor und Taehyung konnte ihn nur mehr einen Herzschlag lang ansehen, dann musste er seinen Blick einfach abwenden.

Er starrte durch die Frontscheibe des Autos hinein in die Dunkelheit, über sein Gesicht liefen stumme Tränen, aber er konnte nicht einmal laut aufschluchzten. In diesem Moment konnte er rein gar nichts tun, es nicht verarbeiten, richtig denken oder sich fragen, wieso er das Gefühl hatte Daehyuns Geschichte bereits zu kennen, auch wenn sie unfassbar surreal war. Wie eine Science Fiction, die ihm als Kind vorgelesen worden war und er seit dem irgendwie vergessen hatte... aber irgendwie auch nicht.

"In Busan...", setzte Daehyun dann fort, nachdem er ein paar Mal durchgeatmet hatte und fuhr sich kurz durch die Haare. "...hab ich dann Jimin kennen gelernt... Aber die Geschichte erzähl ich dir irgendwann mal... also vielleicht... wenn wir uns nach heute jemals wieder sehen. Aber das Ende kennst du ja bereits, ich hab begonnen für die Jeons zu arbeiten und... in den letzten zwei Stunden hab ich wieder alles verloren."

Wieder eine kurze Pause, in der sich Daehyun kurz sammelte, um dann auch schon weiter zu reden. Anscheinend störte es ihn nicht, dass Taehyung bisher gar nicht reagiert hatte, der Ältere starrte einfach vor sich hin und erzählte es... und vielleicht redete er in gewisser Maßen auch nur für sich selbst.

"Aber zurück zum eigentlich... Ich weiß nicht genau, was bei euch noch passiert ist, nachdem ich weg war... Aber ich hab dann in der Zeitung von dem Tod von Tante Chaerin gelesen... Sie haben es ja fast in ganz Südkorea gedruckt, in Busan war es sogar auch auf dem Titelblatt überall... Keine Ahnung, wieso dein Vater die Presse nicht ordentlich deswegen geschmiert hat, aber vielleicht wollte er ja, dass es überall steht. Andererseits wäre es wohl auch nicht möglich gewesen es ganz zu vertuschen, dafür sind zu viele Zivilisten zu schaden gekommen. Aber-"

Daehyun war noch nicht fertig, aber auf einmal unterbrach Taehyung ihn mit einem vehementen "Nein!"

Sofort hielt der Ältere inne und drehte den Kopf zum ersten Mal wieder in die Richtung seines Cousins. Taehyung hatte das Gesicht verzogen, als würde er gerade angestrengt über etwas nachdenken, und seine Finger in seine Haare gekrallt.

"Taehyung-", wollte Daehyun beginnen, doch da riss der Jüngere schon den Kopf hoch und starrte seinen Cousin an.

"Nein! Hör auf damit, meine Mutter ist bei einem Autounfall gestorben, als es geregnet hat und sie von der Fahrbahn geraten ist! Sie hatte mit all dem nie etwas zu tun! Mein Vater hätte ihr nie etwas angetan!", entfuhr es Taehyung aufgebracht.

"Taehyung...", versuchte es Daehyun noch einmal, dieses Mal mit deutlich mehr Nachdruck und da war fast schon etwas Scharfes in seiner Stimme. "Deine Mutter ist durch eine Autobombe gestorben, die mitten in Seoul hoch gegangen ist... das musst du wissen... Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass du eigentlich weißt, dass dieser Wagen auf Jeon Jiyong zugelassen war."



stockholm syndrome • taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt