1O4

8.3K 748 131
                                    

Es herrschte schwere Stimmung in dem Auto. Sie fuhren nun schon eine ganze Weile über irgendwelche Landstraßen, anscheinend mied Daehyun genauso wie Jungkook damals die Autobahn und sah dabei immer wieder nervös in den Rückspiegel... während Taehyung einfach nur vor sich her starrte.

Sein Kopf war ein einziges Chaos, es gab so viel, an das er denken musste, es war so viel passiert und irgendwie vermischte sich in seinem Verstand alles zu einer monotonen grauen Masse. Vielleicht sollte er sich freuen, dass er endlich nach Hause kam oder weinen, weil er einen Menschen getötet hatte, aber irgendwie konnte er gerade gar nichts.

Doch irgendwann zerriss sein Cousin die Stille zwischen ihnen.

"Tae... Ich werd dich in der Nähe von eurem Haus absetzen und dann verschwinden. Du musst den Weg dann alleine finden... Aber wenn ich dich dort beim Wald aussetze, kennst du dich aus, oder? Wir waren da früher ständig, du musst den Weg eigentlich kennen..."

Taehyung brauchte ein paar Momente, um zu verstehen, was Daehyun da sagte, aber...

"W-was?", kam es bloß mit schwacher Stimme vom ihm.

"Na die Stelle, wo wir früher immer schießen geübt haben... Da wo die Nadelbäume aufhören und die normalen Bäume beginnen."

Taehyung hatte keine Ahnung, wovon sein Cousin sprach... Natürlich kannte er den Wald, aber... sie waren dort nur zwei oder drei Mal gewesen um Stöcke für ein Lagerfeuer zu sammeln, sonst nie, weil Taehyung irgendwie immer Angst vor diesem Ort gehabt hatte.

"Egal... Du wirst es schon erkennen, wenn wir dort sind... Aber ich kann dich nicht näher an euer Haus ran bringen."

"Warte... d-du... willst mich alleine lassen?"

"Taehyung... Du weißt, was dein Vater damals zu mir gesagt hat. Ich kann nicht zu euch zurück."

Taehyung riss den Kopf zur Seite und starrte seinen Hyung an. Das alles ergab verdammt noch mal keinen Sinn und auf einmal hielt er es nicht mehr aus. 

Sein Herz hämmerte wie verrückt in seiner Brust, dieser ganze Frust, die Verzweiflung und dieses ständige Nichtwissen der letzten Tagen machte ihn einfach wahnsinnig und es brauchte nicht einmal eine Sekunde, da brach auf einmal alles aus ihm heraus.

„Was hat er gesagt?! Ich hab keine Ahnung, was passiert ist oder irgendwer gesagt hat!", rief er aufgebracht, gestikulierte mit den Händen und starrte seinen Cousin an. „Ich weiß nicht wieso, aber anscheinend weiß ich rein gar nichts aus meinem eigenen, scheiß Leben! Ich hab keine Ahnung, wieso du mich hasst und jetzt auf einmal nicht mehr... oder wieso du nie nach Australien gezogen bist, aber stattdessen in irgendeiner Mafia-Drogen-Wohnung wohnst! Oder wieso meine eigene Familie, mit denen ich alle 16 Jahre meines Lebens verbracht hab auf einmal eine eigene Mafia haben sollte!"

Es war wie eine Lawine und plötzlich konnte Taehyung nicht mehr aufhören, es sprudelte immer weiter aus ihm raus, obwohl sein ganzer Körper zu zittern begann und seine verzweifelte Stimme immer lauter. 

„Ich hasse dieses scheiß Gefühl, dass jeder mehr über mein Leben und meine Familie weiß, als ich selbst! Und dass ich diese ganze Scheiße erst erfahre, weil ich entführt wurde! Ich wurde entführt verdammt! Und ich weiß nicht einmal wirklich, wieso! Und... es ist so viel passiert! Und jetzt... Ich habe einen Menschen getötet! Ich musste einen anderen Menscheb umbringen! Verdammt, ich wollte das alles nie! Niemals!" 

Taehyungs Stimme brach und auf einmal begann er laut zu schluchzen, doch nicht einmal das konnte ihn davon abhalten jetzt weiter zu reden.

„Ich hab keine Ahnung, wieso das passieren musste... U-und ich will es endlich wissen! D-du bist mein Hyung... ich hab dich immer geliebt und dann wolltest du mich plötzlich töten! Obwohl wir  uns seit Jahren nicht mehr gesehen haben! Und gerade kommst du... und willst mich auf einmal retten... weil... J-jungkook mich... Aber er hat mir gesagt, dass er mich liebt! Ich verstehe das alles nicht... Also bitte... bitte sag mir, was los ist!"

Taehyung atmete schwer, tausende Tränen perlten über seine Wangen, aber irgendwie schaffte er es nicht jetzt richtig los zu heulen, sondern seinen Cousin weiterhin anzustarren. Denn er musste es wissen. Hier und jetzt.

"Taehyung... Ich weiß doch auch nicht alles... Das einzige, dem ich mir sicher bin... ist dass du jetzt ein anderer Mensch als damals bist, als ich dich das letzte Mal gesehen habe... Ich kann dir nur erzählen, was ich weiß... Aber scheiße, ich kann hier noch nicht stehen bleiben. Ich hab keine Ahnung, ob sie schon gemerkt haben, dass wir weg sind oder ob sie uns jemanden hinterher geschickt haben... Also lass uns noch ein bisschen fahren... und sobald wir weit genug weg sind, kann ich dir alles erzählen, was ich weiß."


stockholm syndrome • taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt