#156 Was machst du noch hier?

1.1K 186 101
                                    

Hoseok

Hoseok versuchte nun schon zum dritten mal die angefangene Seite irgendwie zu lesen, doch er konnte sich bei Weiten einfach nicht konzentrieren. Innerlich war er noch immer völlig aufgewühlt von dem Gespräch mit Jimin. Und der Tatsache, dass er nach Ara geflogen war.

Mit einem Seufzen gab er auf und legte das Buch beiseite. So wurde das sowieso nichts. Es war wieder einer dieser Tage an denen er sich wünsche, er könnte schlafen. Dann würde er sich einfach hinlegen - es war ohnehin schon dämmerig, die Sonne ging bald unter - und wenn er wieder aufwachte, dann war Jimin wieder da. 

Vielleicht legte er sich trotzdem einfach hin. Und zwar gleich in Jimins Bett. Dann konnte er da warten, es roch nach Jimin, er bekam mit, wenn Jimin zurückkehrte und wenn er wieder eine Göre dabei haben sollte, dann konnte er sie ihm auch gleich vorstellen. Apropos Göre. Er legte den Kopf schief und lauschte. Hatte er sie nicht grade gehört? Tatsächlich konnte er ihre Stimme vernehmen, doch das was sie sagte schien nicht wirklich Sinn zumachen. 

"Rechts, rechts, weiter re- ne stopp, jetzt mehr links."

Hoseok blinzelte und stand auf. Er ging zum Hauptgang seiner Bibliothek, um einen Blick zu der geöffneten Doppeltür zu werfen, wo die Stimme von May herhallte. Er entdeckte sie auch gleich und musste schmunzeln, bei dem Anblick der sich ihm bot. 

Den Gang hoch kam May, doch sie war nicht alleine. Huckepack getragen wurde sie von Chen. Jetzt erklärten sich auch die Richtungsangaben. Chen stapfte fröhlich und im warsten Sinne des Wortes blind den Anweisungen von May nach und May ließ sich vertrauensvoll von ihm rumschleppen. Mit einem glockenhellen Lachen schlang sie die Arme noch fester um die blinde Ananas. "Seeeehr gut und jetzt immer gerade aus, jawohl, immer weiter." 

"Kann man euch helfen?", fragte Hoseok, als die beiden die Tür durchschritten hatten. May rutschte dann doch mal von Chens Rücken. "Nein, eigentlich nicht, wir wollten nur mal nach dir sehen", meinte sie fröhlich. "Ja, wir müssen doch ein Auge auf dich haben", fügte Chen hinzu. Hoseok witterte, dass die beiden sich wohl in den Kopf gesetzt hatten den Rekord an Blindenwitzen zuknacken. 

"Das ist lieb von euch", erwiderte Hoseok und setzte sich in Bewegung, "kommt setzen wir uns." Wenn er schon mal Besuch bekam wollte er nicht unhöflich sein. Er setzte sich wieder auf das Sofa. May und Chen setzten sich ebenfalls, wobei sich der Lotus an die Ananas schmiegte. Lustig dass bei den beiden der Artikel der Pflanze verdreht war, aber ... was genau hatte Hoseok bei den beiden eigentlich verpasst? Ja, Hoseok war in etwas genauso verwirrt, wie der letzte Satz. 

"Ihr mögt euch", stellte er fest. May lachte leise. "Chen hat mich in bisschen zu sehr befummelt, jetzt sind wir Mates", meinte sie. "May! Das klingt so verdächtig", beschwerte sich Chen, doch May grinste nur frech und erinnerte Hoseok damit einmal mehr an Jimin. "Du hast mir an den Busen gefasst", beschwerte sie sich. "Das war ein Versehen, ich bin blind", beteuerte Chen. "Ich hab ja auch nicht gesagt, du hast mir auf den Busen gestarrt, sondern an den Busen gefasst", erklärte May altklug und Chen lachte ergeben.

Hoseok sah zwischen den beiden hin und her. Nun, der Busentatscher wird sicher nicht der Auslöser gewesen sein, doch Hoseok konnte sich schon denken was passiert war. Das führte ihn zu einer ganz anderen Erkenntnis: Er hätte der Matebindung mit Jimin nie entkommen können. Er genauso wenig, wie Jimin. Denn sonst wäre Jimin jetzt wohl Chens Mate und nicht May. Schließlich waren die beiden Geschwisterseelen und Chen hatte Jimin zuerst angefasst, genau wie Taehyung, als die beiden ihn die Sache mit der Mimik beibrachten. 

Doch irgendwie ... schien Jimin wohl reserviert gewesen zu sein. 

Hoseok biss sich auf die Lippe und konnte sich nicht ganz gegen, dass Lächeln wehren, dass sich auf sein Gesicht schlich, auch wenn die ganze Thematik eigentlich widersprüchliche Gefühle in ihm auslöste. 

Er konzentrierte sich wieder auf das Pärchen vor ihm. "Ihr wisst schon, dass das unser Elternproblem einfach löst?", fragte er und die beiden wandten sich ihm überrascht zu. "Wirklich?", fragte Chen und schlag die Arme fester um seine Mate. "Ja, ein Mate hat Vorrang. Also hebt eine Matebindung das Bestimmungsrecht der Eltern auf. Herzlichen Glückwunsch, Chen. Du hast jetzt die Verantwortung für dieses wandelnde Chaos", erklärte Hoseok. 

May Miene hellte sich auf Stufe Super Nova auf. Dann warf sie Chen einen verschmitzten Blick zu. "Du musste mich jetzt erziehen, Baby", meinte sie verführerisch zu Chen und er lachte sie ein bisschen aus, worin sie einstimmte. "Ich kümmere mich darum, May. Ich mach ein paar Formulare fertig und dann regeln wir das." May lächelte ihn strahlend an. "Danke, Hobi." 

Hoseok winkte nur ab. Wie sollte er ihr die Hilfe verweigern können? "Was anderes, Hobi", hörte er sie sagen. "Mhm?", ließ er vernehmen und fuhr sich durch die Haare. "Jimin ist in Ara, oder?", fragte sie. Hoseok seufzte. "Ja", meinte und konnte seinen Verdruss nicht ganz verbergen. "Und würdest du jetzt nicht lieber bei ihm sein?", fragte Chen. Hoseok seufzte. "Ja, schon, a-" Weiter kam Hoseok nicht. "Was machst du dann noch hier?", fragte er weiter. 

Hoseok schwieg. Er fragte sich was das sollte. Waren die beiden nur gekommen, um sich in diese Sache einzumischen? Scheinbar waren Hoseok seine Gedanken wieder anzusehen, denn May schenkte ihm ein freundliches Lächeln und löste sich von ihrem Mate. Sie ging zu Hoseok rüber und setzt sich direkt neben ihn. "Jetzt schau nicht so. Ich habe Jimin noch erwischt, bevor er los ist. Er war ein bisschen traurig, dass er ohne dich fahren musste." Sie schnappte sich Hoseok Arm und zückte einen Stift - wo bei allen Götter sie den jetzt auch her hatte - und fing an seinen Arm zu bemalen. 

Hoseok fragte sich selbst, warum er sich das gefallen ließ, doch er ließ sie machen. Sie malte ein Kreuz und Striche und noch ein Kreuz. "Da", sagte sie, "Das ist der Hafen von Ara, du gehst von dort die Straße runter und dann auf der linken Seite ist der Lotus." Hoseok schwieg ein paar Sekunden. "Bitte was?" May kichert. "Der Lotus. Ein Wasserpflanzen Club. Du kannst ihn nicht verfehlen. Man sieht ihn schon vom Hafen aus. Sieht aus wie ein Lotus. Du packst das." Hoseok war ein bisschen überfahren. 

"Und warum malst du mir dann eine Karte auf den Arm, wenn es so einfach ist?" May stand wieder auf und Hoseok bemerkte erst jetzt, dass Energie zwischen ihnen geflossen war, weil ihn ein kleiner kalter Schauer erfasste. Sie war wirklich ein wie Jimin. Sie zuckte auch nicht gleich zusammen, nur weil mal Energie auf sie übersprang. "Sicher ist sicher", meinte sie frech und setzte sich wieder in Chens Arme. 

"Und wer passt auf meine Bibliothek auf?", wollte Hoseok misstrauisch wissen. "Na, wir", lautete die fröhliche Antwort. "Eine minderjährige Katastrophe und ihr blinder Mate?" Hoseok seufzte gestresst. "Wie du siehst in besten Händen", erwiderte Chen. "Ich behalte deine Bibliothek im Blick, mach dir keine Sorgen." Das beruhigte Hoseok nicht wirklich. "Danke, Chen." Chen lächelte vergnügt. "Immer wieder gerne, Hoseok." 

Hoseok seufzte erneut. "Ich hab aber keine Kapsel", meinte er. "Du bist einer vom inneren Kreis, also bist du auch berechtig eine Kapsel zu fliegen", widersprach Chen und Hoseok überlegte kurz. "Theoretisch darf ich Nada fliegen", meinte er nachdenklich. "Perfekt", erwiderte May vergnügt, "die fliegt ja von alleine." 

Hoseok dachte nach. Er wollte Jimin sehen. Jetzt wo die beiden ihm so kamen sogar noch viel mehr, doch dazu alleine nach Ara fliegen, wenn er sich sonst kaum vor die Tür seiner Bibliothek traute? Da war die Vorstellung sich einfach in Jimins Bett zu legen und zu warten doch angenehmer. Doch konnte er wirklich immer nur auf Jimin warten? Immer blieb alles an Jimin hängen, weil er selbst du furchbar passiv war. Das war doch nicht fair. 

Es ist nur Ara, verdammt nochmal. Nur Ara. Eine Stunde mit einer Kapsel, die von alleine flog, ein paar Meter die Straße runter und ab in so einen Club und Jimin finden. Das sollte eigentlich machbar sein, wenn Hoseok nur seine Komfortzone nur einmal verlassen würde. Für Jimin. 

"Ich hab nichts anzuziehen?", versuchte Hoseok sich an der nächsten Ausrede. "Blödsinn, du siehst toll aus!" Stille. "Danke, Chen", seufzte Hoseok. "Er hat Recht du siehst toll aus", sprang nun May auf den Zug auf. "Mein Arm ist bemalt", erwiderte Hoseok, doch die junge Frau kicherte nur. "Das ist er bald nicht mehr, glaub mir. Nun komm schon, Hobi. Du kannst das." Hoseok rieb sich übers Gesicht. 

"Na, schön."

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt