#178 Es tut mir leid

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Taehyung

Das Dorf war eine Ruine. Die Häuser waren teilweise schon eingestürzt und moderten vor sich hin. Die Felder der Vorgärten waren verwildert und die Spitze des einst sicher stolzen Tempels, den es hier sogar gab, war abgebrannt und kaputt, da irgendwann wohl mal ein Blitz eingeschlagen sein musste und sich niemand um das Feuer gekümmert hatte. 

"Warum haben die Leute das alles zurück gelassen?", fragte Jungkook und sah sich um. Taehyung zuckte unschlüssig mit den Schultern. "Das sind die Niemandslande", meinte er, "irgendwann haben alle diese verlassen." Er blinzelte gegen die Sonne und ließ seinen Blick über die Szenerie schweifen. Im Grunde war das hier ein echt schönes Plätzchen, doch es würde sicher seine Gründe haben, warum von den einstigen Bewohner niemand mehr hier war. 

Was Taehyung genauso irritierte war, dass es hier keinen Ruhegarten gab. Wo hatten sie bitte ihre Toten beigesetzt? Hatten sie, als sie diesen Platz zurückließen sogar diese mitgenommen? Das war ungewöhnlich. Einmal in einem gesegneten Boden eingepflanzt ließ man die Pflanzen in Ruhe gedeihen, bis sie von selbst irgendwann nach ein paar Jahren verwelkten. 

Taehyung sah zu, dass er in der Nähe von Jungkook blieb. Der Ort war ihm nicht geheuer und je schneller sie hier wieder wegkamen, desto besser wäre es. Jungkook ging mit seinem Behälter an den Fluss und füllte ihn auf. "Sehen wir zu, dass wir hier wegkommen", meinte er. "Ich mag diesen Ort nicht." 

Taehyung umfasste sein Schwert fester. "Da bist du nicht der einzige", murmelte er. In diesen Moment machte er eine Bewegung am Rande seines Gesichtsfeldes aus. Er sah, wie sich unter einen Haufen Schutt etwas bewegte. Und nicht nur da, auch in vielen der Gärten, zwischen den hohen Gräsern, konnte er Bewegungen ausmachen. "Taehyung", hörte er Jungkook nervös sagen. Er klang alarmiert. Taehyung bewegte sich schnell zu seinem Mate, um ihn abschirmen zu können. Aus seinem Stiefel zog er einen Dolch und reichte ihn Jungkook. Der Jüngere nahm den Dolch zögerlich. "Du weißt schon, dass ich damit nicht um gehen kann?", fragte er und er klang nur noch nervöser. Taehyung schwieg ein paar Sekunden. Das wusste er, aber trotzdem war Jungkook mit dem Dolch besser dran als ohne. Oder auch nicht. Kommt drauf an, was da auf sie zukam.

Und Taehyung kannte eine üble Vermutung. So übel wie der Gestank, der begann sich auszubreiten. 

Das diese Vermutung sich bestätigte erkannte er, als sich die erste skelettähnliche Gestalt aus dem Schutt erhob. Er fluchte und sah sich um. Deswegen war niemand mehr hier, dieser Ort war verflucht. Jungkook rutschte näher an ihn heran. "Was ist das?", fragte er. "Revixen. Schwarze Magie." Und sie waren überall. Das war mal wieder typisch. Sie sollten schnell von A nach B kommen und landeteten in einem verfluchten Dorf. 

Taehyung versuchte zu schätzen, wie viele es waren. Alleine in der näheren Umgebung waren es vielleicht 40? Das waren, wenn es schlecht lief, zu viele und sollte er doch schaffen alle niederzustrecken, dann würde Jungkook ihn zurück tragen können. Er biss die Zähne zusammen und aktivierte alle Spells, die er hatte und stützte sich auf die ersten der knöchernen Gestalten. Zum Glück wusste er, wie er diese Viecher ausschalten konnte. In der Ausbildung zum Warrior musste man sich mit einer Menge Kram auseinander setzen, von dem man dachte, dass man es eh nie zu Gesicht bekommen würde. Revixen gehörten wohl dazu und Taehyung hätte auf die Erfahrung auch verzichten können. 

Wichtig war es die Stabilität der Gestalten zu zerstören, also musste man das Brustbein zertrümmern und der Rest klappte in sich zusammen und zerfiel zu Staub. An sich auch gar nicht so schwer, zumal die Revixen auch nicht wirklich schnell waren, doch es waren einfach viel zu viele und bald begannen Taehyungs Muskeln zu brennen wie Feuer und er wusste nicht, wie lange er das noch aushalten konnte. Jungkook war ihm nicht wirklich eine Hilfe, im Gegenteil, die Tatsache, dass er immer ein Auge auf seinen Mate haben und diesem auch Revixen vom Hals halten musste machte es nicht besser. 

Grade als er dachte, dass es nicht schlimmer werden konnte, wehrte er einen Revixen hab, der tatsächlich sogar mit einem alten, rostigen Schwert auf ihn los ging und ein unschönes Knacken in seinem Schwert zu hören war, schnell zog er seinen zweiten Dolch und rammte diesen in das Brustbein der Kreatur, doch als er mit seinem Schwert den nächsten Arm abwehrte war es für das schlecht gewartete Schwert zu viel und es zerbrach. 

Ein Stück von Taehyungs Herz zerbrach mit ihm. 

Doch er hatte keine Zeit sich großartig darum zu kümmern, denn der nur dürftig abgewehrte Arm verpasste ihn einen ordentlichen Kratzer an der Schulter und eines der Schwertglieder erwischte ihn auch noch im Gesicht und der Schmerz machte ihm nur allzu bewusst, dass er keine Zeit hatte um das Schwert zu trauern. Mit einem frustrierten Schrei stützte er sich auf die nächsten drei, doch mit einem Dolch war das gleich noch mal eine ganz andere Sache, als mit einem Schwert. 

Das würde so nichts werden. Sie würden sterben, wenn Taehyung nicht bald etwas einfiel. Er sah über die verbleibenden Revixen und knurrte unzufrieden. Jungkook suchte bei ihm Deckung. Ein, zwei der Revixen gingen tatsächlich auf sein Konto, doch dabei hatte er sich auch ein paar unschöne Kratzer zugezogen und den Dolch, den Taehyung ihm gegeben hatte verloren. "Das schaffen wir nicht, oder?", fragte er und Taehyung schnaubte. So einfach würde er nicht aufgeben. "Erinnerst du dich an die Sache im Büro von deinem ehemaligen Chef? Duck dich."

So schnell Taehyung konnte wirkte er den Spell, auch wenn er wusste, dass es seine Kräfte ans Ende bringen würde, doch sie hatten keine Wahl. Taehyung musste Jungkook nicht mal sagen, wann er sich zu ducken hatte, sein Mate machte es einfach automatisch und die Druckwelle fegte von Taehyung weg riss die Revixen zu Boden. "Schnell!", rief er und zog Jungkook auf die Beine. Die Beiden sprangen durch einen entstandene Lücke zwischen ihren Gegner und Taehyung hielt auf die alte Scheune zu. Diese war das einzige Gebäude, dass noch halbwegs stand. Schnell stieß er die Tür auf, ließ Jungkook hinein und schlug das Tor dann wieder hinter ihnen zu. Zusammen verbarrikadierten sie es so gut es ging, doch das es nicht halten würde war völlig offensichtlich. 

"Was machen wir jetzt?", fragte Jungkook und Taehyung ließ sich erschöpft gegen einen modernden Heuballen sinken.

"Es tut mir Leid", sagte er nur. 

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt