Curare - Teil II

#246 Unentbehrlich

Thannam

Ihja. Shit.

Thannam hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde, sich wegzuschleichen. Da sie nie wirklich Urlaub genommen hatte, war ihr nie klar gewesen, dass es niemanden gab, der sie zur Not ersetzen konnte. Jetzt brütete sie über dem Arbeitsplan und verzog nachdenklich den Mund.

Die Hütte lief nicht ohne sie.

Ihr war klar, dass Taehyung auch noch da war, aber seine Aufgaben waren andere und er hatte genug zu tun, doch sie konnte sich auch nicht helfen, denn ein Gedanke hatte sich in ihrem Kopf eingenistet. Was, wenn sie wegfuhr? Einfach nur zum Spaß? Mal nicht nur an einen Ort gehen, um dort nur irgendeine Institution zu sehen und zu arbeiten, sondern um ihn sich tatsächlich mal anzusehen? Als Taes Vertretung war sie schon an vielen Orten gewesen, doch gesehen hatte sie noch keinen.

"Ich packe meinen Koffer und packe ein: Jin", damit drehte sie sich um und bewarf ihren Mate, der einen erbärmlichen Versuch gestartet hatte, sich anzuschleichen, mit dem Stift, den sie in der Hand hatte. Der Stift prallte an seinen breiten Schultern ab und Jin hob ihn wieder auf, wie der brave Husbando, der er war. Thannam verkniff sich ein Lachen und streckte die Hand nach dem Stift aus, doch Jin zog sie nur an der Hand zu sich und drehte sie um, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Dann nahm er die inzwischen recht lang gewordenen Haare seiner Mate zusammen und steckte sie geschickt mit dem Stift nach oben.

"Du bist laut", ließ sie ihn wissen, denn seine Schritte waren für einen Schleichangriff nicht sehr elegant gewesen. Sie drehte sich wieder zu ihm um und strich sich eine Strähne zurück, die sich aus dem lose hochgestecktem Dutt wieder löste. Wenn die Haare so weiterwucherten, dann würde sie sich bald Gedanken um eine Langhaarfrisur machen müssen.

"Ich habe mir Mühe gegeben", schmollte er, seine volle Unterlippe leicht nach vorn schiebend. Thannam zog nur eine Augenbraue hoch. Sie hatte langsam ihre alte Stärke zurück, was auch gut war nach dem ganzen Drama. Sie war viel zu soft und nett gewesen die letzten Wochen. Was sollte nur aus ihrem Image werden? Also würde sie auch bei ihren Mate keine Gnade walten lassen, nein.

"Nicht genug, Seokjin."
"Aber-"
"Du bist ein Trampeltier."

Ihr Mate kicherte und ihr Mundwinkel verzog sich leicht nach oben. Aber sie hatte keine Zeit zu lächeln, sie arbeitete hier. Also verkniff sie es sich mit dem Mund, auch wenn sie nicht verhindern konnte, dass ihre Augen lächelten. Das taten sie immer, wenn Jin in der Nähe war. Er machte sie ganz schwach, sie sollte ihn verprügeln, oder so.

"Gnadenlos", urteilte Jin und stellte sich, einen Arm um ihre Taille legend, zu ihr an das Board, vor dem sie schon die ganze Zeit grübelte.

"Was macht meine Schöne da?", wollte er wissen und Thannam legte den Kopf schief. Sie gab ein unzufriedenes Geräusch von sich. Da war sie wieder bei ihrem Problem angekommen und sie wusste nicht wirklich einen Ansatz, um dem Herr zu werden. Vielleicht hatte Jin ja eine Idee.

"Ich hätte gern Urlaub", murmelte sie. "Das klingt super", unterstützte Jin das Vorhaben sogleich. Thannam ließ sich jedoch nicht beirren. Jin war kein Idiot, er wusste sicher, was ihr Problem war, dennoch fühlte sie sich in der Position, sich zu erklären.

"Ich muss erst wen anlernen, der mich ersetzt", begann sie, "aber von den Novizen taugt keiner was. Wenn ich allein schon an das Feld denke, dann kommt mir wieder die Kotze hoch. Warum gibt es keinen fähigen Nachwuchs mehr, Jin? Was ist mit der Jugend von heute los? Klinge ich alt? Gott, ich klinge wie meine Mom! Ich erschieße mich einfach." Damit lehnte sie sich an und ging im Kopf die Abschlussklassen durch, auf der Suche nach jemandem, der Potenzial hatte, wenigstens nicht zu verkacken.