#205 Bin ich ein schlechter Mate?

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Estelle

Was sollte sie nur mit ihm anstellen? Wie konnte sie ihm helfen? 

Auch wenn Estelle halbwegs ruhig schien in ihrem Inneren herrschte die Hysterie und sie konnte kaum damit klarkommen, wie schlecht es Yoongi ging. Sie wollte nicht, dass er so litt, doch noch weniger wollte sie, dass er starb.

Er kuschelte zurück und sie ging ihm erneut durch die Haare. All das war anstrengender, als es auf den ersten Blick aussehen mochte. Doch sie sah hier ihrer ersten Liebe beim Sterben zu und es brachte sie ein Stück weit mit um. 

Yoongi schnupperte an ihr. Dieser Mann. Hatte Nerven. 

"Immerhin riechst du gut", kommentierte er und auch wenn  es nicht die Zeit war rot zu werden, so fühlte sie dennoch, wie das Blut ihr in die Wangen schoss. "Und jetzt hör auf zu heulen." Das wurde ja immer besser hier. Sie verstand schon, was er versuchte. Schlimmer noch, dass es funktionierte. Seine Art zu trösten war manchmal wirklich stümperhaft, doch sie kannte ihn inzwischen gut genug, um ihn genauso zu schätzen zu wissen. 

"Ich heule nicht", behauptete die zierliche Butterfly, auch wenn das super sinnlos war. Doch man hatte ja ein verheultes Gesicht zu wahren, oder nicht? Sie sah ihn wieder an und neigte den Kopf. "Ich würde ja sagen, schwarz steht dir, aber in dem Zusammenhang ist es furchtbar", versuchte sie es mit einem verzweifelten Scherz und es entlockte Yoongi immerhin ein kleinen, schwaches Lächeln. Er strich ihr unter den Augen lang, um sie zu trösten.

"Bleibst du bei mir?", fragte er und Estelle nickte fest. 

"Ja", antwortete sie, "du kannst dich auf mich verlassen." Sie hatte es ihm versprochen und das waren keine leeren Worte gewesen. Sie würde bei ihm bleiben bis zum bitteren Ende. Sein Lächeln wurde sanfter und er lehnte sich etwas an ihrer Schulter an. "Danke." Estelle ging ihm wieder in die schwarzen Haare und sah zur Tür. Warum kam keiner? Sie hatte fast erwartet, dass sich alle bereits an seinem Bett versammelt hätten, wenn sie ankommen würde. Doch sie hatte ihn allein vorgefunden und noch immer war niemand zu ihnen gestoßen. 

Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Freunde und Familie ihn allein sterben lassen würde, also warum kam niemand zu ihnen? Vielleicht weil sie sahen, dass Estelle hier war? Ließen sie ihr den Vorrang? Noch ein Grund mehr nicht wirklich zu verheimlichen, was ihr auf der Seele lag. "Yoongi", begann die junge Frau und atmete durch. Er verdiente es zu wissen, selbst wenn er sie verlassen sollte. "Ich liebe dich."

Er sagte gar nichts. Dann schien es in seinem Hirn zu rattern, denn er  bekam wieder diesen leeren Ausdruck, der anzeigte, dass der König ganz wo anderes war. Was gab es da bitte so viel zu überlegen? Estelle verzog den Mund. Ja, was hatte sie auch erwartet? Es war Yoongi, wahrscheinlich antwortete er gleich mit irgendwas Beklopptem. 

"Cool."

Ja, sie liebte ihn. Was ein Trottel. Adorable. 10/10. 

Erschien weiter zu überlegen und Estelle konnte sich denken, was in ihm durch den Kopf ging. Calisto. Mate es waren etwas Besonderes. Man ersetzte sie nicht einfach so und Estelle wusste, dass sie damit nie würde konkurrieren können. Das wollte sie auch gar nicht. Die Wahrheit war, dass Estelle nicht mal ein Problem damit hatte, dass Yoongi Calisto für immer lieben würde, sie fand das wunderschön. Sie wünschte sich nur, dass er noch mehr Platz in seine, Herzen hätte... für sie. 

"Entschuldige", murmelte Yoongi. 

Estelle lächelte gutmütig und wischte sich die Augen. "Du solltest vielleicht noch was sagen, denn 'cool' und 'entschuldige' sind erbärmliche letzte Worte", zog sie ihn auf und er brachte sogar die Kraft auf, sie leicht in die Seite zu kneifen. Dann legte er ihr die Hände an die Wangen und strich ihr die frischen Tränen Weg. "Du kannst einen nicht mal in Ruhe verrecken lassen", na ja, wenigstens war er amüsiert, "du bist eine schreeeeeeckliche Frau, Estelle."

"Sorry Yoongi", entschuldigte sie sich ironisch und er antwortete in selber Manier: "Das sollte dir auch leidtun." Ja gut, wie waren sie hier wieder gelandet. Sie waren doch beide Katastrophen. Er kuschelte sich wieder an sie und sie genoss die Zuwendung. Ihr dämmerte, dass sie auch für ihn mehr war, als nur eine Freundin und sie wollte es fast gar nicht hören, denn das machte alles doch nur noch tragischer. 

"Ich bekomme gerade ein heftig schlechtes Gewissen, weil ich nur dachte: Oh Shit, sie liebt dich auch. Dann dachte ich: Warte was? Aber Cali! Ich stolpere im Moment über meine eigenen Gedanken, aber immerhin lenkt das von den Schmerzen ab, was?" Er lehnte seine Stirn wieder an ihre Schulter. "Es ist ein Chaos", murmelte er und Estelle verstand den Konflikt. Diese Mate-Sache war kompliziert und auch wenn die Romantikerin in ihr es toll fand, dass man den Einen oder die Eine fand, so war sie doch froh keine  Landare zu sein. 

Sie wüsste nicht damit umzugehen und sie verstand die Loss Intoxication auch nicht. Diese Schattenseite der Matebindung, die dafür sorgte, dass Kinder meistens beide Eltern zugleich verloren. Es gab so viele Waisen in Curare. Doch gleichzeitig war es auch etwas, dass Landare gar nicht anders kannten. Sie wussten, dass Mates nicht lange ohne ihren Gegenpart aushielten. 

Ihre Rassen waren, was das anbelangte, so verschieden, wenn man bedachte, dass Estelle in einer polyamoren, polygamen Gesellschaft groß geworden war. 

"Ich bekomme irgendwie auch ein schlechtes Gewissen", gestand sie, auch wenn das wohl eher von Yoongi auf sie abfärbte. Sie schnaubte leise. "Du kannst sowas doch auch nicht sagen", beschwerte sie sich halb verzweifelt und halb im Scherz, "das macht alles doch nur noch bitterer. Willst du das einem Mädchen antun? Du kannst mir nicht sagen, dass du mich auch liebst und dann sterben. Das ist nicht okay."

"Ich hatte es bis gerade so gut versteckt", murrte Yoongi und lachte dann leise. Wieder schien er nachzudenken und Estelle ließ ihn. Es war wichtig für ihn seine Gedanken zu sortieren und sie wusste das auch. Das Einzige, was sie weiterhin machte, war ihm durch die Haare zu gehen. Plötzlich wurde sein Griff um ihre Taille etwas fester und er schien tief Luft holen zu müssen.

"Bin ich ein schlechter Mate?"


Ist er?
Was meint ihr?

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt