#194 Ich hab's!

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Taehyung

Taehyung konnte in Moment irgendwie nichts mehr ertragen, was sonst eigentlich selbstverständlich war. Die Tatsache, dass sie seine Schwester in den Händen eines Irren befand stresste ihn einfach ungemein und dem entsprechend war er von allem genervt. 

Von der Helligkeit am Tage, von der Dunkelheit der Nacht, von seinen Aufgaben als Protector, von der Hitze, von dem Fliedergeruch, den er verströmte, von der Schlaflosigkeit, die ihn plagte, von der Tatsache, dass sein Suppenlöffeln im Eimer war und er sich an eine neue Waffe gewöhnen sollte, von der gedrückten Stimmung, von Yoongis Zustand, der wieder schlechter geworden war...

Die Liste war endlos lang. Es gab nur eine Sache, die ihn nicht völlig abnervte und das war ironischerweise derjenige, der lange genug ein Pain-in-the-ass gewesen war: Jungkook. Sein Mate gab ihm die nötige Kraft um nicht durchzudrehen. Auch jetzt machte er nicht viel, doch alleine den Jüngeren in seinen Armen dösen zu haben entspannte Taehyungs Nerven ein ganzes Stück. Sie lagen auf dem Bett in Taehyungs Zimmer, dass sie sich inzwischen mehr oder weniger teilten, auch wenn Jungkook eigentlich einen eigenen Raum hatte  und Taehyung versuchte allmählich einzuschlafen. Es war spät geworden und der Halbmond sendete sein spärliches Licht durch das offen stehende Fenster. 

Es war genug Licht um Jungkook beobachten zu können, der sich im Halbschlaf von ihm durch die Haare fahren ließ. Er sah aus wie ein kleiner Engel, doch Taehyung wusste es besser. Er lachte leise und beobachtete, wie Jungkook dagegen ankämpfte, dass der Schlaf ihn völlig übermannte. "Schlaf endlich, Kookie", forderte Taehyung ihn sanft auf, was der Schwarzhaarige mit einem unverständlichen Murmeln beantwortete. So viel dazu. Bald würde wenigstens einer von ihnen ein bisschen Schlaf finden. Zumindest dachte Taehyung das, doch Jungkook sollte ihm eines besseren belehren. Gerade als Taehyung dachte, dass Jungkook einschlafen würde riss dieser nämlich plötzlich die Augen auf und erstarrte. 

"Kookie?" Ehe Taehyung wusste wie ihm geschah, strampelte der Jüngere sich frei. "Ich hab's!", ließ er vernehmen und klang aufgeregter, als es Taehyung lieb war. Er ließ Jungkook los und setzte sich auf. Mit gerunzelter Stirn beobachtete er, wie der Schwarzhaarige sich in Windeseile ein paar Klamotten, die ihm Raum verteilt zum langen, zusammen suchte und sich anzog, wobei ihm egal zu sein schien, ob er jetzt ein Teil von Taehyung oder ein eigenes erwischte. "Du hast was?", fragte Taehyung irritiert. Der Warrior fuhr sich durch die Haare und blinzelte müde. "Die Lösung", meinte Jungkook nur, bevor er sich noch mal zu seinem Mate runter beugte, sein Gesicht mit den Händen umschloss und ihm einen kleinen Kuss aufdrückte. "Ich muss auf Arbeit, warte nicht auf mich", meinte er und Taehyungs Augenbraue wanderte nur noch weiter nach oben. Was hatte er diesmal vor? Und warum konnte er nicht einfach reden?

"Auf Arbeit? Es ist halb eins, Jungkook", erwiderte Taehyung nur, doch Jungkook nickte nur. "Ich weiß", flötete er und war auch schon verschwunden.  Taehyung sah ihm ein paar Minuten ein bisschen geplättet nach, dann sprang er auf und suchte sich seine Klamotten zusammen. Also zumindest das, was davon übrig war und was sich nicht grade Jungkook einfach geschnappt hatte. Was hatte sein Mate vor? Eilig kleidete sich Taehyung an und folgte dem Jüngeren nach draußen. Auf Arbeit hatte er gesagt. Das war eine andere Ecke der Stadt. Wenn Taehyung sich ein Huhn nahm, dann konnte er Jungkook sicher einholen. Der Gedanke hielt so lange, bis Taehyung in den Stall kam und feststellen musste, dass Jungkook sich das königliche Huhn geklaut hatte. Um Himmelswillen wie eilig hatte er es bitte gehabt, wenn er, der sonst immer zu Fuß unterwegs war, sich nun das verdammte Huhn nahm?

Taehyung seufzte. Dann musste er sich eben zu Fuß auf den Weg machen. Die Techniker waren ja nicht so weit weg. Das waren keine 30 Minuten Fußweg, wenn man ganz normal ging und Taehyung war ein Warrior, also konnte er die Strecke auch locker joggen und wäre umso schneller. Wer wollte nicht schön nachts durch die Stadt joggen? Mit einem Seufzen lief Taehyung los. Klar wäre im Bett bleiben eine Alternative gewesen, doch dafür war er zu neugierig. Er wollte wissen was Jungkook wohl treiben mochte, wenn es ihm so wichtig war. 

Es dauerte nicht allzu lange, bis Taehyung die Werkstatt der Techniker erreicht hatte. Dass Jungkook auch wirklich hier war, war unschwer an dem Huhn zu erkennen, dass sein Mate vor der Werkstatt geparkt hatte. Taehyung betrat die Werkstatt und sah sich um. "Jungkook?", rief er und von weiter hinten konnte er Jungkook rufen hören. Er folgte dem Klang von Jungkooks Stimme in einen der hinteren Werkstatträume. Als er in den Raum kam, schlug ihm der Geruch von Öl und Metall entgegen. Langsam ließ er den Blick durch den Raum wandern und er konnte Jungkook an einer der Werkbänke sitzen sehen. 

Jungkook drehte sich langsam auf seinem Drehhocker um und sah ihn ernst an. "Ich habe dich erwartet", sagte er betont kühl. Taehyung zog eine Augenbraue hoch und musterte den Schwarzhaarigen. "Das war jetzt nicht so schwer zu erraten?" Jungkook gab seine starre Miene auf und schnaubte. "Ach, Tae, manchmal bist du so unlustig, einfach, weil du einfach so. landarisch. bist." Er lachte leise. "Ich muss echt mal ein paar Sachen mit dir nachholen", meinte er amüsiert, doch dann wurde er ernst. "Zumindest sobald wir den Odiomare irgendwie los geworden sind", meinte er leise. Er räusperte sich. "Und dafür hab ich was, dass du sicher gebrauchen kannst", sagte er und lächelte. Dann schlug er etwas auf, dass eingewickelt auf den Tisch lag und Taehyungs Augen wurden groß, als er sah, dass es sich um sein Schwert handelte. 

Jungkook hatte es offensichtlich wieder zusammen gebaut bekommen. Vorsichtig nahm er es und hielt es vor sich. Es war grade gelöst. "Ich hatte die ganze Zeit Probleme zu begreifen, wie ich die Glieder anordnen muss, damit sich sich verhaken, aber nicht verkeilen, doch jetzt habe ich es kapiert", sagte er und mit Schwung ließ er das Schwert einhaken. Er hielt das Schwert  vor sich und wog es in der Hand. Taehyung entkam ein kleiner Luftausstoß, bevor sich ein breites, stolzes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. "Du bist ein Teufel, Jungkook!" Er ging zu dem Jüngeren und nahm ihm die Waffe ab. Sorgfältig musterte er das Schwert. Dann trat er ein paar Schritte zurück und probierte es aus. "Es muss noch ein bisschen austariert werden aber es funktioniert!", urteilte er begeistert. Er lockerte die Glieder und legte es wieder zurück auf den Tisch. 

Sanft strich er mit dem Finger über eines der Glieder und befeuchtete seine trockenen Lippen, während er nach irgendwelchen Worten suchte, die zusammenfassten mochten was er fühlte. Er fühlte sich, als hätte er einen alten Freund wieder gefunden. Vielleicht mochte es in den Augen von anderen nur ein dummes Schwert sein, doch für Taehyung war es die Waffe, die ihn seit Jahren beschützte und das Vermächtnis seines Vaters. Es war ein Schatz. Er wandte sich an Jungkook und zog den Jüngeren einfach in seine Arme. Fest drückte er ihn an sich. "Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll", meinte er erstickt, auch wenn ihm ein bisschen peinlich war derart emotional wegen einem Gegenstand zu werden. 

Jungkook schlag die Arme um seinen Torso und drückte ihm einen Kuss auf den Hals. "Hast du immer noch nicht kapiert, dass ich alles kann?", zog er Taehyung auf und dieser lachte leise. Taehyung spürte, wie Jungkook sich von ihm löste und sah ihn an. "Ich weiß es ist albern...", wollte Taehyung sagen, doch sein Mate brachte ihn nur mit einem Kopfschütteln zum Schweigen und wischte ihm das Tränchen weg, dass sich selbstständig machen wollte. "Du musst es nicht erklären", sagte er sanft, "ich spüre es ja." Ha, das stimmt wohl. Schließlich waren sie am dauercountern, nicht, dass Taehyung sich darüber beschweren würde. Taehyung nickte nur.  "Du bist so ein Spinner, Jungkook", sagte er, "das hätte auch bis morgen Zeit gehabt." Jungkook setzte ein Schmollen auf. "Hätte es nicht, nicht dass ich es noch vergessen hätte." Taehyung schnaubte amüsiert,  dann drückte er seinem Mate einen liebevollen Kuss auf die weichen Lippen. 

"Ich liebe dich so sehr."

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt