#218 Ich wills gar nicht wissen

756 113 55
                                    

Jaehyung

Was. Zum. Fick?!

Jaehyung hatte keine Ahnung, wo er vorher gewesen war, doch jetzt saß er im Teich des Ruhegartens mit einem sich innig küssenden Pärchen, dass ihn nun verwundert anstarrte. "Ich bin Jimin und das ist mein Mate Hoseok." Hoseok hatte immerhin Klamotten an, aber Jimin war offensichtlich genauso freiluftbekleidet wie er. Also vermutete Jaehyung spontan, dass er und Klein-Jiminie im selben Boot saßen. Kein Wunder, dass die beiden sich so freuten sich zu sehen.

"Du bist Jaehyung, richtig? Ich meine du musst Jae sein, der weiße Lotus ist weg und du bist da", stellte Jimin fest und Jaehyung entkam ein kleiner Luftausstoß. "Sie reden noch von mir, trotz dessen, was ich getan habe?", fragte er und Jimin wechselte einen kurzen Blick mit seinem Mate. "Yoongi wollte nicht aufhören von dir zu erzählen", meinte Hoseok. Halleluja, der Junge war groß genug, um von ihm zu erzählen. Jaehyung wollte gar nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Er musste Jahre hier im Teich gewesen sein und im Moment wollte er nicht wirklich wissen wie viele. Überforderung griff nach dem Lotus und er atmete tief durch, um diese runterzukämpfen.

"Okay, wisst ihr was? Ich gehe jetzt zum König und der Königin. Nackt. Ist mir egal", meinte er und stand auf. "Bist du dir sicher?", fragte Jimin. "Offensichtlich waren wir tot, wir sollten vielleicht erst einmal zu den Heilern, bevor wir ..." Er stoppte sich selbst und Jaehyung beobachtete misstrauisch, wie der Kleine recht blass wurde und sich an Hoseok wandte. "Yoongi! Ist er okay?!" Panisch sah Jimin sich um, doch sein Mate umfasste sein Gesicht und zwang ihn seine Aufmerksamkeit auf ihn zurichten. "Er ist okay. Und Lilly auch", sagte er schnell.

"Warum sollte Yoongi auch nicht okay sein?", fragte Jaehyung, doch schon eine Sekunde später wedelte er nur unwirsch mit den Armen. "Sag nichts, sag nichts, sag nichts", forderte er. "Ich glaube ich will es gar nicht so genau wissen, mein Hirn schmilzt sonst oder so." Jimin, der angesetzt hatte, um was zu sagen, verstummte wieder. Jaehyung riebt sich mit den Händen über sein Gesicht und seufzte, bevor er aus dem Teich kletterte, direkt unter der großen Trauerweide, die dort ihren Platz hatte. Moment. Jaehyung musterte die Trauerweide einen Augenblick. Oh, nein. Bitte. Nicht. "Jae", meldete sich Jimin wieder zu Wort und allein der tröstende Klang bestätigte jede Vermutung, die Jaehyung gar nicht bestätigt haben wollte.

"Nein, sag es nicht", sagte er schnell. "Ich will es noch gar nicht wissen." Er seufzte erneut und legte den Kopf an die Rinde des Baumes. "Wieso bist du schon tot, du Arschloch? Ich kann unmöglich so lange lang gewesen sein", murmelte er leise und löste sich von dem Baum. Er fasste sich und straffte seine Schultern. Es brachte nichts. Im Grunde konnte er ohnehin nicht ändern, was jetzt auf ihn zu kam, auch wenn er vermutete, dass es bitter werden würde, denn offensichtlich stand hier kein Stein mehr auf dem anderen. Er wandte sich wieder den beiden Turteltäubchen im Teich zu und lüftete seinen imaginären Hut. "Leute, entschuldigt mich, wir sehen uns sicher später", meinte er und wandte sich in die Richtung, in der hoffentlich wenigstens noch das verdammte Schloss stand. 

Ohne sich weiter aufhalten zulassen, machte sich der weiße Lotos, noch ein wenig wackelig auf den Beinen, auf den Weg. Er hatte einen Plan. Das hieß, er hatte nicht wirklich einen. Aber wenn er zunächst erst mal mit dem König oder der Königin sprach, dann war das ein Anfang. Wer auch immer das jetzt sein mochte. Offensichtlich ja nicht sein Bruder, der chillte am Teich. Jaehyung merkte wie die Panik in ihm aufstieg und schob den Gedanken beiseite. Wenn er seine Gedankengänge zulassen würde, dann würde er es nicht nach oben schaffen und irgendwo auf halber Strecke fröhlich kollabieren.

Also ignorierte er alles.
Er ignorierte, wie Bäume fehlten, die da sein sollten.
Er ignorierte, dass dafür woanders welche standen.
Er ignorierte, dass der Vorplatz des Palastes nicht mal ansatzweise so aussah, wie noch vor ein paar Tagen.
Er ignorierte, dass die paar Leute, die er durch die Fenster, an denen er vorbeirauschte, sehen konnte, keinerlei bekannten Gesichter aufwiesen.
Grundsätzlich ignorierte er alles, was ihm höhnisch unter die Nase rieb, dass das nicht seine Zeit war.

Alles andere wäre zu überfordernd. Vielleicht wäre er lieber tot geblieben. Den Blick starrt auf den Boden gerichtet bewegte er sich weiter fort. Was blieb ihm auch anderes übrig? Doch selbst die simple Aufgabe, sollte nicht von Erfolg gekrönt sein, denn natürlich musste ihm ja auf den paar Meter irgendwer entgegenkommen. Vielleicht kam er ja trotzdem durch, wenn er einfach nur dreist genug war und schnell genug ging.

"Hallo, ich bin Jae und ich bin nackt", äußerte also nonchalant, allein schon um seinen gegenüber für den Moment zu verwirren, den er brauchte, um einfach zügig vorbeilaufen zu können, doch als er die junge Frau in Augenschein nahm, stoppte er. Er wusste nicht, ob sein Leben ihm ein Geschenk machen wollte oder ihn simpel hasste. Was sollte er von dieser Wärme in seiner Brust halten, die sich allmählich in seinem ganzen Körper ausbreitet, als sie seinen Blick erwiderte? Mal ehrlich. Erst ist er deutlich überfällig, dann wer weiß wie lange tot und dann kommt er zurück und ist keine zwei Minuten auf den Beinen und die erst beste Dame, der er über den Weg läuft, ist ein Treffer? Was zur Hölle? Also die zwei Minuten, bis er wenigstens eine Shorts anhatte, hätte die Matebindung jetzt auch noch warten können.

Stattdessen wurde er jetzt mit Endorphinen, Wärme und Glückseligkeit überschüttet. Nackt. Ganz geschweige davon, dass all diese Gefühle mit all der Verwirrung, dem schlechten Bauchgefühl und der aufkeimenden Angst kämpften. Eine so seltsame Mischung. 

Seine Mate wandte sich ab und schlug die Hände auf ihre roten Wangen.
"Ich bin Yulinna und du solltest was anziehen", erwiderte sie. Jaehyung lachte nervös und nickte ergeben zustimmend. "Kann schon sein, aber ich denke ich will im Thronsaal ankommen und ein paar Worte wechseln mit wer auch immer dort oben hockt." Yulinna wandte sich ihm zu um und sah ihn an. "Du kannst nicht so in den Thronsaal rennen. Ich bezweifle, dass du so überhaupt in die Nähe kommst. Los wir machen einen Abstecher in die Krankenstation und geben dir ein paar Sachen okay?", schlug sie vor. 

"Die Krankenstation? Dann muss ich ja den ganzen Weg zurück latschen, dafür habe ich keinen Nerv, Yuli", erwiderte Jaehyung erschöpft, während sich die zierliche, junge Frau zu ihm gesellte. Offensichtlich hatte sie ihren ersten Schock überwunden. Sie presste die Lippen einen Moment zusammen. "Der Großteil des Krankenflügels ist bei der Zitadelle", meinte sie und räusperte sich. Der Krankenflügel war bitte wo? Sie hatten eine ganze Station verlegt? Jaehyung seufzte gestresst. "Ich will es gar nicht so genau wissen. Aber ja gehen wir an der Zitadelle vorbei und versuchen wir ein paar Klamotten zu bekommen." 

Ergeben folgte Jaehyung seiner Mate in einen völlig neuen Krankenflügel, der gar nicht mal so neu aussah. Er wollte es noch gar nicht wissen. Yulinna gab ihm schnell ein paar Sachen in denen Krankenpfleger den lieben langen Tag herumliefen. Das war nicht das bequemste aber doch eine deutliche Verbesserung, verglichen mit der Alternative tatsächlich nackt weiter durch dir Gegend zu rennen. Jaehyung strich die Sachen glatt und nickte seiner Mate zu. 

"Ist der Thronsaal wenigstens noch da, wo er sein sollte?", fragte er und allmählich bekam er seinen Stress nur noch schwer unterdrückt. Yulinna nickte. "Ja, schon, aber solltest du dich vielleicht nicht erst mal untersuchen lassen?" Jaehyung seufzte. "Wenn ich mich erst mal in irgendeiner Ecke zusammen gerollt habe, stehe ich nicht mehr auf. Also nein. Lass mich da hoch. Lass mich schauen, wer da oben ist und was ich mit dem anfangen kann. Lass mich zusammenbrechen. Und dann kannst du mir mit machen was du willst." 

Der auffällige Partnerlook, den sie nun trugen, sagte Jaehyung, dass seine Mate offensichtlich eine Heilerin war. Großartig. Ein Lotus und eine Heilerin. Wer dachte sich so was aus? 

Offensichtlich die Autoren der Geschichte. 
Sie fanden das lustig. 

Jaehyung musterte die Blonde, die ihre Sorge nur schlecht verstecken konnte. "Wirst du mir helfen?", fragte er. Das Gesicht seiner Mate hellte sich auf. "Ja, natürlich", bestätigte sie. Jaehyung lächelte. Wurde Zeit den Thronsaal zu stürmen und zu fragen, was das soll. Nicht, dass König oder Königin was dafür konnten, aber man brauch ja einen Gesprächseinstieg, nicht wahr?

"Okay, dann los." 




Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt