#214 Schmerz

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Thannam

Es war schwer sich zu regenerieren, wenn man noch zwanzig andere Baustellen hatte, die einem Sorgen bereiteten, doch Thannam hatte Seokjin und sie war froh darum, denn sie wollte gar nicht erst wissen, wie groß der Schmerz sein musste, wenn man seinen Mate verlor. 

Selbst, dass er nicht in der Nähe war, war schon mehr als nur nervenaufreibend, das konnte man sehen, wenn man nur einmal Lilly beobachtet, auch wenn diese ihr Bestes gab, positiv zu bleiben. Doch sie war, wie sagte man so schön, an einem dunklen Ort. Deswegen verstand die Rose auch, warum Jungkook mit dem, was er beobachtet hatte, zu ihr kam und nicht zu Lilly damit ging, auch wenn es eigentlich der Job der Grünlilie war, sich um die Emotionen der anderen zu kümmern. Lilly war einfühlsam, wusste was zu sagen war, konnte mitfühlen, ohne, dass sie dabei aus den Augen verlor, dass sie gerade eine Schulter zum Anlehnen war.

Wie oft hatte sie das für Thannam getan? 

Die Rose war sich nie so darüber bewusst geworden, dass sie alle im Palast einen gewissen Job hatten, fast wie Bienen in einem Bienenstock. Jeder hatte seinen Part, jeder beschützte irgendwas, oder irgendwen. Thannam sah sich nun damit konfrontiert nicht einfach Lilly davon erzählen zu können. Was sollte sie also tun? Sie war nicht gut mit Worten. Sie war nicht gut in Trösten. Die junge Frau war generell nicht so gut darin, irgendwas zu machen, was ein höheres Maß an Sozialkompetenz verlangte. 

Das würde sie nicht davon abhalten, es zu versuchen. 

Von dem her, was Jungkook ihr erzählt hatte, litt Hoseok wahrscheinlich nicht nur unter dem Verlust, sondern seine Nerven schienen auch blank zu sein. Es gab da sicher kein Rezept, was einem half, zu helfen, aber Thannam kannte ihre eigenen Angstzustände und sie wusste, was ihr half, also machte sie ihren Schrank auf. Mit einem Seufzen räumte sie einen Stapel Kleidung zur Seite, um die sie und Jimin sich immer gestritten hatten. Sie vermisste es, dass Jimin an ihren Schrank ging. Sie vermisste es einfach an Jimins Schrank zu gehen. 

Jetzt gehörten beide Schränke ihr, der Inhalt war nur noch für sie und sie hasste es.  

Thannam kramte etwas tiefer und fand ihre Donnerdecke wieder. Sollte man darüber denken, was man wollte, diese Dinger waren nicht übel, auch wenn es in Curare zu warm für so was war.  Diese Decken waren dick und schwer. Wenn man sie sich um die Schultern legte, dann hatte man das Gefühl in den Arm genommen zu werden. Das half Stress und Angst zu reduzieren. Eigentlich waren diese Decken für Hunde gedacht, die Angst bei Sturm hatten, doch ob man es zugeben wollte oder nicht... sie taten ihren Job auch bei Landaren.

Die Decke war erst in den Schrank gewandert, seit die Jin bei sich hatte, denn er war dann doch effektiver, auch wenn Thannam noch immer nicht verstand, woher er bitte wusste, was zu tun war, wenn bei ihr der Stresspegel zu sehr anstieg, oder ihre Angst sie heimsuchte. Doch das war jetzt auch nicht das Thema. Thannam hatte gelernt, dass Knuddeln half... wenn man traurig war? So oder so ähnlich? Doch Hoseok war leider ein wenig, wie sollte man sagen, unantastbar? Entsprechend wäre eine dicke Decke mit Sicherheit nicht die Lösung aller Probleme, aber ein Anfang.

Es war schon dunkel und Thannam warf einen Blick aus dem Fenster, um abzuschätzen, wie spät es bereits war. Seokjin war noch nicht bei ihr, also konnte es nicht allzu spät sein, doch vor zweiundzwanzig ging die Sonne nicht unter, also war es wohl dreiundzwanzig Uhr? Würde Hoseok so früh schon in den Ruhegarten schleichen oder würde er warten bis fünfundzwanzig, sechsundzwanzig Uhr... oder gar bis Mitternacht?? Es war schwer abzuschätzen. Thannam beschloss einfach schon mal loszugehen und auf den Priest zu warten. Dann würde sie ihn auf jeden Fall nicht verpassen, oder? 

Jemand musste mit ihm sprechen oder es zumindest versuchen. Er hatte verdient, dass sich auch jemand um ihn kümmerte. 

Sie ging also in den Garten, setzte sich unter König Athuros' Nachlass und beobachtete, sichtgeschützt hinter den Blättern der Trauerweide, den Teich. Thannam musste auch nicht lange warten. Schon bald konnte sie die hochgewachsene Gestalt des Priests ausmachen und sah ihm erst mal dabei zu, wie er sich am Ufer des Sees kraftlos auf die Knie sinken ließ. Dann steckte er einfach eine Hand ins Wasser, so wie es Jungkook schon erzählt hatte.  

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt