#208 Was macht er da?

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Jungkook

Auch Jungkook versuchte zur Ruhe zu kommen, doch irgendwann gab der junge Mann es auf. Es gab einen Nachteil an dieser Konstellation und der war, dass es zu warm war, um zu schlafen. Man gewöhnte sich schon an die Hitze Vicarlis, doch manchmal, vor allem wenn man noch zwei Körper an sich rangeclingt hatte, wurde es dann doch zu viel.

Umständlich schälte sich der junge Mann aus der Umarmung seines Mates und krabbelte aus dem Bett. Er rollte einfach Lilly ein Stück näher an Tae und dieser zog sie dann weiter an sich ran. Jungkook lächelte zufrieden und gab seinem Mate einen Kuss auf die Haare, ehe er nach seiner Brille fischte und sie aufsetzte.

Er nahm sich vor eine Runde zu gehen, vielleicht kurz nach Hoseok zu sehen und es dann noch mal mit Schlafen zu versuchen. Seine Beine trugen ihn also zunächst in die Bibliothek, wo er den Energizer vermutete, doch zu seinem Erstaunen war diese vollkommen leer. Es war ungewöhnlich, dass er nicht aufzufinden war, denn eigentlich war der Priest rund um die Uhr hier, um verfügbar zu sein für seine Gemeinde. Er brauchte die Wehwehchen seiner Schäfchen im Moment auch, um sich abzulenken. Er wirkte nur noch wenigstens etwas lebendig, wenn er jemanden hatte, um den er sich kümmern konnte. Leider begriff das ein Teil der Leute nicht und sie versuchten ihren Priest zu schonen.

Doch wo war er nun? Jungkook lehnte sich an eines der Bücherregale und überlegte, wo er als Erstes nach ihm suchen sollte und er hoffte, dass Hoseok nichts Dummes tat, denn im Moment konnte er den Energizer kaum einschätzen. Ihm fiel nur ein möglicher Ort ein, an den Hoseok gegangen sein könnte und das war zu Jimin. Mit einem Seufzen richtete der junge Mann sich wieder auf und machte sich auf den Weg zum Ruhegarten.

Dort angekommen bewegte er sich vorsichtig durch die angepflanzten Nachlässe und steuerte auf den Teich zu, der halbwegs zentral lag. Langsam näherte sich Jungkook diesem, eigentlich nur, um Hoseok nicht aufzuschrecken, doch als er den anderen erblickte, wurde er doch ziemlich misstrauisch, denn er wusste nicht ganz, wie er das Bild zu interpretieren hatte, was er zu sehen bekam.

Hoseok saß am Ufer des Teiches und hielt eine Hand ins Wasser.

So weit, so gut, aber was hatte das zu bedeuten und warum sah er aus, als würde er Schmerzen leiden? War das einfach sein Herz, das blutete? Jungkook rang mit sich, ob er ihn jetzt ansprechen sollte oder nicht. Es war nicht so, als würden er und Hoseok sich sehr nahestehen. Jungkook hatte eine sehr hohe Meinung von dem Priest, das stimmte schon, aber er selbst war schüchtern und Hoseok war es auch, was dazu geführt hatte, dass sie sich noch nie ein längeres Gespräch geführt hatten, auch wenn Jungkook eigentlich sehr beeindruckt von Hoseok war.

Hoseok war wie er. Er hatte eine unschöne Vergangenheit und Dämonen, die noch immer an ihm nagten und Jungkook konnte das irgendwie fühlen und für die beide war Vicarli wie der Balsam, der die Wunden endlich zum heilen brachte.

Ihn so zu sehen schmerzte Jungkook und er fragte sich selbst, wann er so emphatisch geworden war. Dennoch: Er war nicht der Richtige, um Hoseok auf das, was er hier sah, anzusprechen. Hoseok würde ihn wahrscheinlich eh abblocken, sie kannten sich doch gar nicht genug. Also zog Jungkook sich zurück und machte sich Gedanken, wem er davon erzählen sollte. Lilly? Diese war gerade mal eingeschlafen und sie brachte ihre Ruhe. Thannam? Lohnte es sich sie zu wecken?

Der junge Mann war sich im Klaren, dass er Hoseoks Privatsphäre respektieren sollte. Dennoch machte er sich Sorgen. Er beschloss also ihn jetzt in Ruhe zu lassen und am nächsten Morgen Thannam zu fragen, was sie davon hielt. Doch bis dahin sollte er vielleicht versuchen selbst noch etwas Schlaf zu finden.

Er warf noch einen letzten Blick zu Hoseok, dessen Blick inzwischen nur noch leer und versteinert auf dem See lag, der komplett ruhig zu sein schien, da auch Hoseok sich nicht mehr bewegte. Der Energizer schien in seiner eigenen Welt zu versinken und Jungkook war sich wirklich nicht sicher, ob das gut für ihn war.

Lilly und Hoseok.

Sie waren beide verloren. Sie schienen so hilflos, dass es einem mit wehtat und Jungkook wollte sich gar nicht vorstellen, wie es ihm gehen würde, müsste er mit einem von beiden tauschen. Mit Hoseok tauschen wäre einfacher, denn er machte sich nichts vor, würde Tae sterben, wahrscheinlich würde er – keine Energie hin oder her – einfach mit verrecken. Jungkook konnte einfach spüren, dass es so war. Sie wären beide einfach tot.

Doch mit Lilly zu tauschen, wäre die Hölle auf Erden. Was, wenn der Odiomare sich für Tae entschieden hätte? Wie musste es sich anfühlen, Angst zu haben, dass er jeden Moment den Kampf verlor? Lilly schien keine Angst um sich selbst zu haben, aber sie fürchtete um Namjoon und das jede Sekunde und es zermürbte die sonst so fröhliche Grünlilie. Sie würde schwächer und Jungkook konnte sie so gar nicht sehen. Er hatte Angst um seine Noona, die er ins Herz geschlossen und entsprechend liebgewonnen hatte.

Vorsichtig schlich der Schwarzhaarige zurück ins Schlafzimmer. Er legte seine Brille auf dem Nachtschränkchen ab und schlüpfte dann wieder zu den Geschwistern ins Bett. Mit einem schweren Herzen kuschelte er sich an Taes Rücken und schlang einen Arm um dessen Hüfte, während er sein Gesicht zwischen den muskulösen Schulterblättern seines Mates versteckte. Mit dem Daumen strich er sanft über die weiche Haut, die frei lag, weil Taes Shirt ein wenig hochgerutscht war.

Doch, ja. Er würde am Morgen Thannam davon erzählen und schauen, was sie dazu sagte und sie entscheiden lassen, wen sie noch alles ins Vertrauen ziehen wollte. Sie konnte das einfach besser einschätzen als er. Mit dem Gedanken im Kopf schloss der junge Mann erschöpft die Augen und streichelte weiter über Taes Bauchmuskeln, in der Hoffnung auch bald endlich einzuschlafen. Er konzentrierte sich ganz auf die tiefen Atemzüge des Flieders und versuchte seinen Herzschlag über das Band, dass sie in dem verfluchten Dorf geknüpft hatten, zu spüren und es half.

Ihre Herzen waren seit dem immer im Einklang, was anstrengend wurde, wenn Tae nicht bei ihm war und wegen irgendwas Herzrasen bekam, oder schlimmer noch, wenn Jungkook der Auslöser war, weil wieder eine seiner unsinnigen Phobien griff. Doch wenn wenigstens einer von ihnen tiefenentspannt war, so wie jetzt, half es tatsächlich. Jungkook zählte die Schläge ihrer Herzen und glitt endlich in den Schlaf.


Naaaa, seid ihr noch da? xD

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt