#241 Weil ich es so will

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Namjoon

Eine Injektion. 

Namjoon wusste nicht, was er erwartet hatte, doch irgendwie hatte er schon gedacht, es wäre etwas Spektakuläreres, als eine trostlose Spritze, was Abraxas den Gar ausmachen sollte. Mit einem Seufzen erhob sich Namjoon von seiner Couch und machte sich auf den Weg zu den gemeinsamen Räumen. Ob Abraxas überhaupt wieder reinkommen würde? Sicher konnte er sich denken, dass ihm nur Stress mit ihm drohte, wenn er sich wieder nach innen zurückzog.

Namjoon hatte darüber nachgedacht, was er tun sollte, sollte es so weit kommen, dass die anderen eine Lösung für das 'Odiomare-Problem' fanden. Eigentlich bräuchte er nur abzuwarten. Er könnte sich in die sicheren Bereiche seines Kopfes zurückziehen, bevor Abraxas vielleicht durchdrehte und ihn doch noch umbrachte, weil er Namjoon mitnehmen wollte, wenn er schon unterging, und die Hände in den Schoß legen, während die anderen die Sache regelten. Einfach nur warten, bis er diesen Kopf wieder für sich hatte. 

Das war jedoch nicht, was Namjoon wollte. Die Vorstellung Abraxas einfach aufzugeben war ihm ein Grauen. Hier drin wieder alleine sein? Sicher würde er sich an die 'leeren Zimmer' gewöhnen, aber irgendwie würde ihm was fehlen. Ob zum Guten oder zum Schlechten, irgendwie war Abraxas ein Teil von ihm geworden. Nicht nur er hatte Abraxas verändert, sondern Abraxas auch ihn. Also würde er tun, was nötig ist, um sicherzustellen, dass dem Deppen nichts passiert und wenn das beinhaltete sich mit ihm zu prügeln, dann würde Namjoon das tun. Er hatte ja bereits gesagt, er würde kämpfen, sollte sie versuchen ihn zu töten. 

Namjoon hatte den Fokus seiner gedanklichen Bemühungen darauf gelenkte sich einen Plan auszudenken, mit dem er Abraxas besiegen konnte und der möglichst schonend war – und zwar für sie beide. Er wollte nicht, dass ihr brüchiger Waffenstillstand in Hass umschlug, nur weil er Abraxas irgendwie verletzte und ihn in ein mentales, dunkles Loch zu schmeißen wäre sicher auch nicht sehr förderlich. Er wollte Abraxas zurückschlagen und sich die Kontrolle zurückerobern, aber wollte auch, dass der Odiomare es in seiner damit erzwungen Haft komfortabel hatte, so wie er selbst es bisher auch hatte. Grundsätzlich wollte er quasi mit Abraxas tauschen. 

Aber wie stellte er das an? Welchen Regeln gehorchte dieser Kopf? Wessen Regeln gehorchte er?

Es wurde Zeit das Ruder wieder an sich zu reißen. Schon alleine für Lilly. Sie war nach wie vor das Licht seines Lebens und es reichte allmählich nicht mehr sie ein oder zweimal am Tag zu sehen, wenn sie Abraxas das Essen runter brachte. Er vermisste sie. Er vermisste sein Leben.     Namjoon hatte lange genug gewartet. Namjoon musste hier wieder aus und wenn er diesen Dummkopf Abraxas retten und seine geliebte Zimmerpflanze wieder in den Arm nehmen konnte, dann waren das zwei Fliegen mit einer Klappe. Er hoffte, dass Lilly es spürte. Dass sie irgendwie bemerkte, dass er kämpfte.

Er hatte sich genug aufgebaut und lange genug Zeit gelassen zu verstehen, was genau das hier eigentlich war, was sie hatten und im Großen und Ganzen war es ein gedankliches Konstrukt, das auf einer bestimmten Sache fußte: Vorstellungskraft. Hier drin war alles möglich und das wusste Namjoon im Grunde schon von Anfang an, seit dem Zeitpunkt, an dem er sich seine erste Mauer gegen Abraxas aufgebaut hatte? 

Wie schwer konnte es also schon sein, zu einem Superhelden zu werden, der seinen Kontrahenten entmachtete und fortan alles kontrollierte? Er musste nur fest daran glauben. Das klang abgedroschen, aber so war es, wie ein Verstand funktionierte. Er atmete noch mal tief durch und machte sich dann auf den Weg in die Mittelhalle. Dies war im Grunde nur eine mittelgroße Halle mit einer menge Türen, die Abraxas Räume, seine Räume und die gemeinsamen Räume verband. 

Zu seiner Überraschung erwartete Abraxas ihn bereits. Also konnte sich Namjoon die Ansprache ja sparen. 

"Du denkst wirklich, dass du es mit mir aufnehmen kannst?", fragte Abraxas abfällig. Er saß auf einen Stein, der vorher definitiv noch nicht dagewesen war und musterte ihn herausfordernd. "Ich weiß, dass ich es mit dir aufnehmen muss", erwiderte Namjoon ruhig. Er schenkte dem Odiomare ein Lächeln. "Es ist zu deinem besten, du dämlicher Sturkopf." Abraxas schnaubte und glitt von seinem Stein. "Na, schön bringen wir es hinter uns", meinte er. 

Curare - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt