Ich konnte niemandem einen Vorwurf machen. Nicht einmal Dad, wegen dem wir hier gelandet waren. Bei dem Neffen eines alten Freundes. Der Einzige Ort, den das Jugendamt genehmigt hatte. Der erste Eindruck war zwar etwas speziell und es wirkte ziemlich streng, doch bisher waren wir noch keiner Prüfung oder ähnlichem unterzogen worden, was bei den Rudeln in der Umgebung normalerweise zum Einweihungsritual gehörte. Mein Zimmer bot einen hervorragenden Ausblick auf die Vorder-wie auch Rückseite des Geländes. So hatte ich alles, wenn ich wollte, stets im Blick. Diego hätte diese Tatsache sicherlich sehr gefallen. Zu meinem Glück befand sich in meinem Zimmer ein Doppelbett, auf dem ich mich nach Belieben ausbreiten konnte. Seit meinem 12. Lebensjahr hatte ich ein Doppelbett besessen, weshalb ich, was Betten anging, ziemlich verwöhnt war. Ich brauchte einfach genügend Platz und da war ein Doppelbett aufjedenfall nötig. Ich ließ mich auf der Fensterbank nieder, wie ich es zuhause auch immer tat, um alles im Blick zu behalten. Es war nicht so, dass ich mich nicht sicher fühlte, es war viel mehr meine neugierige Art, wenn draußen etwas stattfand wollte ich informiert sein um ebenfalls Teil des Geschehens werden zu können. Außerdem gab es keinen schöneren Platz, wenn es regnete, um hinaus zu sehen und einfach in seinen Gedanken zu versinken. Aus eben diesen Gedanken riss mich ein Junge, der auf das Grundstück humpelte und ziemlich übel zugerichtet worden zu sein schien. Ich beobachtete ihn bis er das Wohnhaus betrat und eilte dann hinunter. Wie wollte er die Treppen ohne Hilfe hinauf kommen? Wahrscheinlich wusste er das selbst nicht einmal. Ohne mich vorzustellen sprang ich die letzten Stufen nach unten und stützte den Dunkelhaarigen. Er sah erschöpft aus und als ich ihm erklärt hatte, wer ich war, nickte er bloß schwach und ließ sich von mir schon beinahe tragen, so wackelig waren seine Beine. "Wie ist dein Name?" Fragte ich, um herauszufinden in welches Zimmer ich ihn bringen musste, falls er das Bewusstsein verlor. "L..Logan." Brachte er schwach hervor und ich schluckte schwer. Er war also der Omega, den das Rudel nach Lust und Laune verprügelte. Er war der Junge, den Zachary als unwichtig abgestempelt hatte. Der Junge, dessen Tür regelmäßig von seinen Kameraden so zugerichtet wurde, dass er mit dem Dekorieren wieder von vorne anfangen musste. Ich würde lügen, wenn ich mein Mitleid gegenüber ihm leugnen würde. Er tat mir mehr als leid. Warum hatte er sich solch einem Rudel angeschlossen, wenn es noch genügend andere gab, die wesentlich freundlicher miteinander umgingen? Vielleicht hatte er auch garkeine andere Wahl gehabt. Wer wusste das schon? Vermutlich alle außer Diego und ich. Aber das konnte sich in Zukunft ja ändern. "D..das geht schon." Stotterte er schwach um mich abzuwimmeln, was ich jedoch nicht akeptierte und ihn weiterhin stützte. "Wirklich, i..ich sch..schaff das." Energisch schüttelte ich den Kopf. Es waren zwar nur noch wenige Meter, aber was dann? Er war wohlkaum noch in der Lage seine Wunden zu säubern und das hatte nun höchste Priorität. "D..du handelst dir nur Ärger ein." Hustete er mehr, als dass er sprach, doch ich ignorierte ihn geflissentlich. Und wenn ich dafür vom Rudel verprügelt wurde, war es mir egal. Ich half nur einem Kameraden, so hatte ich es gelernt. Man sorgte füreinander und nur weil den anderen das nicht gefiel, musste ich nicht ebenso kaltblütig und desinteressiert Logan gegenüber sein. Er war ein netter Kerl. Als er bemerkte, dass diskutieren nichts brachte willigte er ein und nahm meine Hilfe schließlich doch an. Er schaffte es gerade einmal sich selbstständig auf das Bett zu setzen. Selbst beim T-Shirt ausziehen musste ich ihm beiseite stehen. Naja, eigentlich war es ein Hoodie, aber so zerfetzt wie dieser war sah er einem T-Shirt um einiges ähnlicher. "Hast du etwas im Medizinschrank?" Logan nickte leicht und ich suchte schnell alles Nötige zusammen. Als würde es ihm öfter passieren war er für alles ausgestattet, was uns in dieser Situation natürlich enorm half. Während er einen Schmerzensschrei nach dem anderen krampfhaft versuchte zu unterdrücken schmierte ich ihm die Wundsalbe auf alle nötigen Stellen und verband ihm diese, sofern möglich. Mit einem erschöpften Seufzer legte er sich schließlich in sein Bett und zog die Decke bis zur Brust. Besorgt hielt ich meine Hand an seine Stirn. So heiß wie sie war hätte man Spiegeleier auf ihr zubereiten können. "Noch etwas gegen das Fieber und dann heißt es lediglich auskurieren." Erklärte ich Logan, der schwach nickte und nachdem er das Fiebermittel genommen hatte direkt erschöpft die Augen schloss. "D..danke." Flüsterte er und ich strich ihm lächelnd über den Arm. "Nicht dafür." Ein leichtes Lächeln schlich sich auch auf seine Lippen, ehe er ins Traumland glitt und ruhig atmend einschlief. Ich blieb noch einige Minuten bei ihm, um wirklich sicherzugehen, dass er regelmäßig atmete und keinerlei Auffälligkeiten aufwies. Mit einem Zettel, den ich ihm auf dem Nachttisch hinterließ, versicherte ich ihm meine Hilfe, falls er etwas brauchte und verließ schließlich das Zimmer. So leise wie möglich ließ ich die Tür ins Schloss fallen und zuckte zusammen, als am Ende des Gangs jemand stand und mich skeptisch musterte. "Bitte, sag es keinem." Bettelte ich Jayden an, der unbeeindruckt mit den Schultern zuckte und verschwand. Vermutlich dachte er sonst was und nicht daran was eigentlich der Grund für meinen Aufenthalt bei Logan im Zimmer gewesen war, aber das war nicht wichtig. Hauptsache er verriet mich nicht bei Zachary, der sowohl mir, als auch vor allem Logan, den Kopf abreißen würde. Und tatsächlich, zumindest heute verschonte Jayden mich und schwieg.
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The Alpha And Me
Werewolf"Es gab Menschen, bei denen es eine zeitlang dauerte, bis sie sich einem öffneten. Es gab Menschen, die von Anfang an über Gott und die Welt redeten und dann gab es noch die Menschen, bei denen es eine Unmöglichkeit darstellte mit ihnen jemals auch...