Chapter 43

3.9K 130 2
                                    


Der Mond erhellte die Nacht und ließ den Strand in einem besonderen Licht erscheinen. Es wirkte schon beinahe mystisch. Es ist lange her gewesen, dass ich mich als Wolf zu erkennen gab und genoss es umso mehr. Der Wind wehte leicht und sorgte für ein perfektes Temperaturverhältnis. Angespannter als sonst trottete ich durch den Sand und erwartete etwas, das ich nicht beschreiben konnte. Irgendetwas würde passieren, das spürte ich. Doch was? Auf welche Zeichen musste ich achtgeben? "Komme was wolle, du fliehst, wenn es von Nöten ist." Ich schaue Joshua unsicher an und versichere ihm, seinen Worten zu folgen. Sein Fell war viel struppiger als das von den anderen. Er sah eher aus wie ein verwarloster Straßenhund, als ein imposanter Wolf. Dennoch respektierte ich ihn als Stärkeren und war mir sicher, dass ich mit ihm an meiner Seite sicher war. Zumindest sicherer, als allein. Unsere Pfoten kamen sanft auf dem Sand auf und hinterließen nur leichte Spuren, die das Meer wenige Augenblicke später fort spülte. Zielstrebig liefen wir auf das Gebiet zu, das mir bisher verboten gewesen war. Doch Fragen benötigten Antworten und diese Antworten würde ich mir holen, wann immer sich mir eine Möglichkeit dazu bot. Vermutlich hatte Joshua sich mir deswegen angenommen. Die Antworten alleine zu erzwingen, wären mein sicherer Tod, wie er es mir eingeprägt hatte. Also begleitete er mich. Ohne das Wissen der anderen traten wir also den Weg an. Am Strand, um die Spuren zu verwischen. Um keine Hinweise für unsere Nachtwanderung zu hinterlassen. Niemand sollte jemals dahinter kommen, was wir taten. "Antworte ihnen nicht. Bedrohe sie nicht. Wirke einfach geheimnisvoll, wie du es immer getan hast." Neugierig schaue ich Joshua an, der ohne mich anzuschaunen weiter lief und sich von dem Geheule fremder Wölfe nicht aus der Ruhe bringen ließ. Ich sollte schweigen. Das war keine Überraschung. Dennoch hatte ich bisher nie das Gefühl gehabt, geheimnisvoll zu sein. Ich spielte mit den Ohren, als ein etwas weiter entfernter Wolf auf das Geheul reagierte und sich ebenfalls mitteilte. Dass ich diese Gesänge von meinem Zimmer aus nicht gehört hatte, wunderte mich. Aber wer wusste schon, ob sie jede Nacht heulten. Eins stand jedoch fest. Wir waren weit und breit nicht das einzige Rudel. "Sie haben uns gewittert." Unerschrocken lief Joshua weiter, während meine Beine von Schritt zu Schritt schwerer wurden. Gewittert? Sie? Wer sind sie? So gerne ich es auch herausfinden würde, so sehr fürchtete ich mich auch. Am liebsten würde ich auf der Stelle umkehren und mich mit meinem jetzigen Stand des Wissens anfreunden. Doch nun war es zu spät. "Bleib dicht bei mir." Joshuas Knurren klang alarmierend, weshalb ich mich nur mühsam an seine Vorschriften erinnerte. Nach vorne schauen. Nur nach vorne schauen. Ich spürte deutlich die Anwesenheit Fremder im Rücken, doch wagte es nicht, mich umzudrehen. Ich hatte keine andere Wahl, als Joshua zu vertrauen und zu laufen. Den Strand entlang. Immer und immer weiter. Erst als es für mich den Anschein machte, dass wir unbeobachtet waren, blieb Joshua stehen. Sein Fell wehte im Wind, während er seine Schnauze hob und witterte. Ich verharrte in meiner Position und zwang mich, nur ihn anzuschauen. Erst als er sich anspannte und sich umschaute wendete ich meinen Blick ab und beobachtete die Augenpaare, die uns von allen Seiten aus dem Wald musterten. Mein Blut gefror zu Eis, als einer von ihnen hervor trat. Sein Fell war schneeweiß und es schien, als würde der Wind einen Bogen um ihn machen. Er trug eine Narbe an seinem Auge, vermutlich von einem Kampf stammend und wirkte einzigartig. Seine Augen funkelten in einem roten Schimmer. Seine Gestalt war so imposant und angsteinflößend, dass mir die Luft wegblieb. Ein weiterer Wolf trat hervor. Etwas kleiner, aber beinahe ebenso einschüchternd. Ich traute meinen Augen kaum, als ich das nachtschwarze Tier erblickte, dessen Augen in einem wunderschönen Blau funkelten. Selbst auf diese Entfernung konnte man das Schimmern des Ozeans in ihnen erkennen. Noch nie hatte ich zwei so außergewöhnliche Wölfe gesehen. Sie waren wie Tag und Nacht und doch unterschieden sie sich in keiner Pore ihres Körpers. Neugierig streckte der schwarze Wolf seine Nase in die Luft, da knurrte Joshua drohend auf. Die anscheinbare Wölfin senkte ihren Kopf wieder und musterte uns abwechselnd. Ihr Blick blieb an mir hängen und löste sich erst, als Joshua sich wiederholt zu Wort meldete. Unsicher stand ich da und ließ mich von ihnen in den Bann ziehen. Sie waren so wunderschön. So kraftvoll und unantastbar. Warum hatte man mir ihre Existenz verschwiegen? In keiner meiner Gutenachtgeschichten kamen solch atemberaubende Geschöpfe vor. "Wir müssen gehen." Joshua sah sich noch einmal prüfend um und trat dann den Rückweg an. Nur widerwillig und mit wiederholter Aufforderung folgte ich ihm, behielt den Anblick jedoch tief in meinen Erinnerungen verwahrt. Ich sah nicht mehr zurück. Dass was ich gesehen hatte, reichte aus, um mich auch noch in vielen Jahren an sie zu erinnern.

The Alpha And MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt