Chapter 34

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"Musst du nicht in die Schule?" Hörte ich eine, mir gut bekannte, Stimme neugierig fragen und lugte vorsichtig unter der warmen Decke hervor. Niemand geringeres als Cody betrat mein Zimmer und schmunzelte leicht, als er meine zerzausten Haare sah. "Einmal blau machen wird wohl erlaubt sein." Versicherte er mir und setzte sich, nach einer unausschlagbaren Aufforderung, zu mir aufs Bett. "Mir ist heute einfach nicht nach Menschen und schon gar nicht nach Unterricht." Maulte ich und legte meinen Kopf auf seinen Schoß. Der Rothaarige zögerte einen Augenblick, ehe er mir eine Strähne aus dem Gesicht strich und verständnisvoll nickte. "Ethan hat mir von gestern Abend erzählt." Zerstörte er mir den Morgen und legte den Kopf leicht schief, als ich mir knurrend die Decke über den Kopf zog. "Erinnere mich bloß nicht daran." Ich wollte nicht daran denken, wie ich zum wiederholten Mal mein Vorhaben nicht umgesetzt hatte. Ich war eine solche Memme. Nicht einmal meinen kleinen Bruder konnte ich verteidigen. Dabei wäre ich es ihm schuldig gewesen. Stattdessen hatte ich nichts getan. Absolut nichts. Er ließ mich nicht. Irgendwie schaffte dieser Vollidiot es, meinen Körper zum Stillstand zu bringen und das Schlimmste daran war, er brauchte weder Worte noch Gewalt dafür. Er sah mich einfach nur an und schon glich ich einem Eisblock. "Komm schon, Heath. Mach dir keine Vorwürfe." Ich schnaubte verärgert. Keine Vorwürfe? Wie sollte das denn funktionieren? "Wenn es dich tröstet, jeder von uns hat fest damit gerechnet." Entsetzt warf ich die Decke zurück und starrte Cody an. "Fest damit gerechnet?!" Keifte ich und war auf eine Erklärung gespannt. Hatte es sich schon rumgesprochen, dass Heather Malone zu schwach war, um sich mit Zachary Sawyer anzulegen? "Ich kann es dir nicht erklären, aber niemand von uns hätte etwas anderes erwartet, als dass du so reagierst, wie du reagiert hast." Seine Augen trugen etwas enttäuschtes in sich, was mich tiefer traf, als ich vermutet hätte. Stimmte etwas nicht? Natürlich stimmte etwas nicht, das gesamte Rudel verheimlichte mir etwas und wenn selbst Logan nicht mit mir darüber sprach, dann würde Cody erst recht dicht halten. "Wie auch immer. Wie geht es deinen Wunden?" Lenkte ich von diesem unangenehmen Thema ab, das mir bereits letzte Nacht den Schlaf geraubt hatte. Keine Sekunde war vergangen, ohne dass ich an den Augenblick zurückdachte, in dem Zachary sich von einer vollkommen anderen Seite gezeigt hatte. Vielleicht war er doch garkein so schlechter Mensch, wie es immer erzählt wurde. Vielleicht wusste er nur nicht, wie er mit seiner Wut umgehen sollte. Dass er diese an meinem Bruder und meinen beiden besten Freunden, zu denen ich Cody einfach dazu zählte, ausgelassen hatte, ignorierte ich schlichtweg. Ganz nach dem Motto, aus den Augen aus dem Sinn. "Beinahe wie ungeschehen." Antwortete er knapp und unterstreichte seine Aussage mit einem, für ihn so typischen, liebevollen Lächeln. Ein warmes Gefühl bildete sich in meiner Magengegend und blieb solange erhalten, wie ich auf seinem Schoß lag. Wie schmerzlich hatte ich es vermisst, Zeit mit ihm zu verbringen. Ich hatte mich so sehr auf Logan, Amy und Keith konzentriert, dass ich gar nicht mitbekommen hatte, wie sehr Cody mir fehlte. "Es tut mir leid, dass du wegen mir so leiden musstest." Verwirrt schaute er zu mir runter. "Ich bin nicht blöd, Cody. Und mein Bruder schon gar nicht." Unruhig kaute der Rothaarige auf seiner Unterlippe herum. "Ich werde dir in Zukunft keinen Ärger mehr einbrocken. Diego und ich verlassen das Rudel." Seine Augen weiteten sich. Er schien mit allem gerechnet zu haben, nur nicht mit dieser Entscheidung. Zugegeben, ich hatte auch nicht vorgehabt es ihm schon jetzt zu erzählen. Es kam mir einfach über die Lippen, bevor ich auch nur einen Gedanken daran verschwenden konnte. "Ihr wollt was?" Schnappte er nach Luft und ich wiederholte unsere Entscheidung. "Du kannst nicht gehen, Heath." Seine Hand verharrte an meiner Wange, während er mich mit einem eisigen Blick musterte. "Ihr seid doch gerade erst gekommen, wie könnt ihr dann schon wieder fort gehen?" Ich seufzte leise. Ja, warum gingen wir eigentlich fort? Wie konnte ich das mit meinem Gewissen vereinbaren? Und wo wollten wir hin? Zu Michael? Der brachte uns schleunigst wieder zurück, um das Jugendamt friedlich zu stimmen, mit dem wir in den vergangenen Jahren schon genug Ärger gehabt hatten. Wir liefen davon. Wir liefen davon, weil wir Heimweh hatten. Das war es. Eine Flucht. "Du weißt nicht, wie es sich anfühlt jeden Tag erneut um Anerkennung zu kämpfen. Mit der Angst zu leben, am nächsten Tag in eine Auseinandersetzung zu geraten, die nicht so glimpflich ausgeht, wie bisher. So möchte ich nicht leben und Diego sollte so schon gar nicht leben müssen." Cody schwieg. Ich spürte, wie er sich anspannte und angestrengt darüber nachdachte, wie er nun am besten reagieren konnte. Wie er mich umstimmte. "Was ist mit deinen Freunden? Logan? Was ist mit mir?" Ich rappelte mich auf, lehnte mich an die Wand und winkelte die Beine an, die ich mit meinen Händen umschlang. "Du kommst sehr gut hier zurecht. Logan versuche ich noch zum Mitkommen zu überreden und Keith und Amy kann ich in Zukunft trotzdem besuchen." Ich hatte den Satz nicht einmal beendet, da verlor mein Gegenüber jegliche Farbe in seinem Gesicht. Argwöhnisch musterte er mich, dachte angestrengt über etwas nach und legte dann fragend den Kopf nach rechts. "Wen kannst du besuchen?" Ich legte meinen Kopf ebenfalls schief, um Cody in die Augen schauen zu können und wiederholte die Namen meiner Freunde. Kannte er sie? Das wunderte mich, schließlich gingen die beiden noch zur Schule und Cody arbeitete bereits. "Sagt dir der Perl-Black-Mountain etwas?" Selbstverständlich nickte ich. "Dort wohnen die beiden." Gab ich zu, auch wenn ich es Keith versprochen hatte, dass ich seinen Wohnort geheim halten würde. Sorry, Keith. Das war keine Absicht. Cody starrte mich eindringlich an. Allmählich wurde er gruselig. "Heath, du darfst auf keinen Fall dorthin gehen, hörst du? Keinen Schritt setzt du auf diesen Berg, hast du mich verstanden?" Prüfend sah er sich nach einem offenen Fenster um und atmete erleichtert durch, als er keines entdecken konnte. "Und warum nicht?" Harkte ich nach und ließ mich mit der Antwort, darum, nicht abspeißen. "Dann ist es zu spät." Murmelte ich also vor mich hin und zuckte zusammen, als Cody nach meinem Handgelenk griff. "Du warst schon dort?!" Fragte er schon fast panisch, was in mir allmählich die Angst aufkeimen ließ. Kleinlaut nickte ich und robbte weiter an die Wand zurück. "Warum hast du mir nicht davon erzählt?!" Warf der Rothaarige mir das Lügen vor und sprang vom Bett auf, als hätte ich eine Straftat begangen. "Weil ich es nicht für nötig empfunden habe jedem jederzeit meinen Standort mitzuteilen." Panisch lief er auf und ab und murmelte etwas unverständliches vor sich hin. "Du musst mit mir über so etwas sprechen, Heath!" Beschwichtigend hob ich die Hände. "Ich konnte ja nicht ahnen, dass es so dramatisch ist, wenn ich mich mit Freunden treffe." Mein keifender Unterton verbesserte diese Diskussion keineswegs und wenn ich so darüber nachdachte, hätte ich doch allen Grund dazu gehabt genau diese Dramatik in Erwägung zu ziehen. Schließlich hatte Logan mich nicht nur einmal davon abhalten wollen. "Das sind nicht deine Freunde, hörst du? Du kannst in Zukunft nicht mehr mit denen befreundet sein!" Patzig verschränkte ich die Arme vor der Brust und schaltete auf Stur. "Ach ja? Und mit welcher Begründung möchtest du mir ein normales Teenagerleben verbieten?" Wutschnaubend, und so kannte ich Cody überhaupt nicht, blieb er vor mir stehen und blitzte mich mit einem energischen Blick an. "Weil sie Feinde sind!"

The Alpha And MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt