Chapter 83

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"Wenn die Hölle nur annähernd so wunderschön aussieht wie dort, ist sie ein viel verlockenderer Ort, als man bisher annahm." Zustimmend nickte ich und breitete die Wolldecke aus, in welche wir uns daraufhin einkuschelten. Ich konnte nicht beschreiben, was mich dazu zwang hier zu sitzen und die Nebelschwaden zu bewundern, aber es war so stark, dass ich es nicht hätte bezwingen können. "Hast du jemals darüber nachgedacht, wie es wäre wie sie zu sein? Anders, als die anderen? Nicht so normal?" Ich bemerkte nicht, wie unsinnig meine Frage klang. Schließlich waren wir als Gestaltswandler bereits anders und sicherlich alles andere als normal. Cody hingegen schien jedoch nicht zu urteilen und beantwortete meine Frage ausführlicher und tiefgründiger, als ich erwartet hatte. "Ich habe häufig Gewissensbisse, wenn ich Menschen an ihren Verletzungen verliere und nicht retten kann. Manchmal wünschte ich mir dann schon mehr zu sein als das, was ich nun einmal bin. Ein besseres Ich, das viel mehr Menschen das Leben retten kann. Ich versuche mein Bestes um ein guter Mensch zu sein und gleichzeitig ein guter Wolf, wobei ich bis heute nicht weiß, was es heißt ein guter Wolf zu sein. Ich bemühe mich Tag für Tag darum und auch wenn ich scheitere empfinde ich keine Wut, verstehst du? Ich bin so selten wütend, dass es schon unnormal erscheint. Ich bin ein friedliebender Mensch, ein friedliebender Wolf. Da kommt es einem auch mal in den Sinn so zu sein wie sie. Blutrünstig und wütend. Doch andererseits entspricht das nicht mir selbst. Ich möchte die Welt besser machen und nicht für mein eigenes Wohl wahllos töten." Beschämt nickte ich und versuchte den Wunsch nach einem anderen Ich aus meinen Gedanken zu verjagen. Cody hatte Recht. Diese Welt brauchte nicht noch mehr Gewalt und Tod. Es brauchte Liebe und Gemeinschaft. Es brauchte so viel mehr als das, was bisher vorzufinden war. "Es wäre egoistisch sich zu wünschen öfter wütend zu sein um der Trauer zu entgehen, welche nach Misserfolgen auf mich wartet. Für mein Wohl das Wohl anderer gefährden? Das ist nicht in Ordnung." Wieder nickte ich. Wieder schämte ich mich für diesen Gedanken und wieder fragte ich mich, warum ich hier oben saß und den Nebelschwaden dabei zu sah, wie sie den Wald einhüllten. "Ihre Aura ist so stark, dass es selbst mir schwer fällt, ihr zu widerstehen. Zumindest im betrunkenen Zustand." Murmelte Cody so leise vor sich hin, dass ich es kaum hören konnte und deshalb auch nicht weiter kommentierte. Ich war zu erschöpft und müde um mir über seine Worte Gedanken zu machen. Stattdessen beobachtete ich Joshua dabei, wie er vom Wohnhaus zu seinem Schuppen schlenderte und dabei beiläufig zu uns hinauf sah. Er legte den Kopf leicht schief und ich fürchtete mich davor, dass er uns verraten könnte, da wendete er sich ab und setzte seinen Weg fort. Cody schien ihn nicht beachtet zu haben und ließ sich von meinem müden Ich davon überzeugen ebenfalls die Nacht anzutreten und schlafen zu gehen. Möglichst leise und vorsichtig kletterten wir nacheinander hinab und atmeten tief durch, als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. "Bist du für einen kurzen Ausflug zum Strand auch zu müde?" Zögerlich sah ich Cody an, der mitten im Hof stehen blieb und mich in Verlegenheit brachte. Was war mit dem sonst so vernünftigen Rotschopf los? Es war viel zu gefährlich unter diesen Umständen das Grundstück zu verlassen und das wusste er besser als jeder andere. "Wann haben wir die Möglichkeit unter uns zu sein und das zu tun, wonach unser Herz verlangt?" Seine Worte klangen nach einem betrunkenen Vollidioten, weshalb ich den Kopf schüttelte und mich ihm in den Weg stellte, als Cody sich uneinsichtig zeigte und allein den Weg zum Strand antreten wollte. "Cody, du bist nicht bei dir. Bitte tue mir den Gefallen und geh ins Haus. Wir können ein anderes Mal zum Strand gehen, okay?" Versuchte ich es immer wieder, doch er beharrte auf seine Meinung. Erst als Joshua den Schuppen verließ und unsere Diskussion mitbekam ließ der Rothaarige mit sich reden und schließlich zum Gehen überzeugen. Skeptisch beobachtete ich ihn, bis er schließlich im Haus verschwunden war und die Treppe hinauf ging. Amüsiert lachend stand Joshua neben mir und schien den Ernst der Situation ebenso wenig wie sein Rothaariger Freund zu realisieren. "Es sind diese Nebelschleier. Sie rufen förmlich nach ihren Opfern, Josh. Cody wollte zum Strand und wäre sicherlich nicht dort geblieben!" Der Dunkelhaarige sah mich amüsiert an, ehe er ernst wurde und mich mit einer ernsten Mine musterte. "Davon dürfen wir niemandem erzählen, sonst bricht Panik aus." Entsetzt sah ich ihn an. "Stattdessen sollten wir morgen den Schlachtplan besprechen und so schnell wie möglich in die Tat umsetzen. Sie dürfen nicht noch stärker, nicht noch hungriger werden." Ich schluckte schwer und gab mich mit dieser Antwort einigermaßen zufrieden, wollte jedoch gerade einen Kompromiss vorschlagen, da stürmte Zachary aus dem Haus und drängte sich wutschnaubend zwischen Joshua und mich. Was hat dieser Hitzkopf nun schon wieder für ein Problem, ging es mir durch den Kopf, was ich mir innerhalb kürzester Zeit selbst beantworten konnte. Er hatte Cody vermutlich auf dem Flur getroffen und der hatte mit seinen unvorsichtigen Worten um sich geworfen. Danke, Cody. Herzlichen Dank.

The Alpha And MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt