Der Rüde widmete den Welpen keinerlei Aufmerksamkeit. Er sah zu uns hinauf und richtete sich stolz auf, während seine rot schimmernden Augen jeden von uns ruhig musterten. Die Narbe an seinem Auge machte ihn einzigartig und ließ sich dadurch, ebenso wie die ungewöhnliche Farbe der Augen, leicht von den Elterntieren unterscheiden. Er stand seelenruhig da und schien in keinster weise von unserer Anwesenheit beunruhigt zu sein. Es war ungewöhnlich, dass ein Wolf beim Anblick eines anderen Rudels solch eine Ruhe besaß. Schließlich stellten wir eine Gefahr dar, vor allem für die Welpen, die noch immer am Strand saßen und uns näher waren, als ihren Elterntieren. Fasziniert beobachtete ich das prachtvolle Tier und ließ mich, wie bei der ersten Begegnung mit diesem einzigartigen Wolf, von ihm in den Bann ziehen. Sein Blick lag auf mir, was von Cody jedoch knurrend unterbunden wurde, indem er sich vor mich stellte. Ich hinterfragte sein Verhalten nicht, da es für mich sinnvoll erschien, einem anderen Rudel skeptisch gegenüber zu treten. Die meisten Begegnungen liefen lautstark knurrend statt und endeten nicht selten in einem Kampf. Ich konnte nur hoffen, dass diese Begegnung eine solche Auseinandersetzung nicht beinhaltete. Der andere Wolf, der ebenfalls aus dem Wald getreten war zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Die strahlend blauen Augen sahen abwechselnd zu den Welpen und unserem Rudel. Auch dieser Wolf wirkte nicht sonderlich beeindruckt von uns, verhielt sich aber deutlich unsicherer, als der Weiße. Das nachtschwarze Fell schimmerte in der Sonne und ich erinnerte mich an die Nacht, in der ich dieses Tier zum ersten Mal gesehen hatte. Eine Wölfin. Ihre Anziehungskraft war kaum zu erdulden und war mir bei keinem anderen Wolf bisher begegnet. Nicht einmal Zachary besaß eine solche Aura. Cody trat einen weiteren Schritt vor und verdeckte damit auch die Sicht auf Logan und Koda, welcher sich ängstlich umsah und auf Hilfe hoffte. Ich versuchte an ihm vorbeizuschauen, doch wagte es nicht, mich zu bewegen. Der Ernst dieser Situation war nicht einzuschätzen, weshalb ich mich ruhig verhielt und abwartete. Ich wartete, wir alle warteten und wurden unruhig, als nach einigen Minuten noch immer nichts geschehen war. Die Welpen verblieben an ihrem Ort, winselten unruhig und sahen unsicher zu ihren Eltern. Diese rührten sich allerdings nicht vom Fleck und beobachteten uns, anstatt ihre Jungtiere aus dieser Gefahr zu befreien. Wir konnten ihnen schließlich äußerst gefährlich werden, doch das schien die Elterntiere nicht zu interessieren. Dann jedoch hallte ein Geräusch aus dem Wald. Brechende Äste. Neugierig spielten meine Ohren und mein Blick lag auf dem Waldrand, aus dem ein weiterer Wolf trat. Er war noch jung, ein Rüde. Sein Geruch war deutlich zu vernehmen. Er hatte Angst. Allerdings schien er ebenfalls zu dem Rudel zu gehören und lief ohne uns einen Blick zu schenken zu den Elterntieren. Koda hielt seine Schnauze in die Luft, schnupperte, hob seinen Kopf und winselte aufgeregt auf. Skeptisch sah ich meinen kleinen Bruder an, welcher sich an mir vorbei schlängelte und an Cody vorbei, zu dem jungen Rüden sah. Dieser blieb neben den Elterntieren stehen und sah zu uns hinauf. Wieder winselte Koda auf und begann freudig mit dem Schwanz zu wedeln. Drohend schnappte Cody nach ihm und korrigierte sein auffälliges Verhalten, das keinem der anderen Wölfe entgangen war. Er machte sich angreifbar, uns alle angreifbar. Der junge Rüde zeigte sich ebenfalls freundlich, wedelte mit dem Schwanz, doch ließ daraufhin von Koda ab und trottete in Richtung der Welpen. Sein grau gestromtes Fell war wohl genauso einzigartig, wie das der anderen Tiere. Noch nie hatte ich eine solche Kombination dieser Musterung gesehen. Logan trat einen Schritt vor und beobachtete den Rüden ebenso skeptisch, wie Cody es tat. Koda hingegen wurde unruhig, versuchte sich an Cody vorbeizudrängeln, um ebenfalls das Geschehen beobachten zu können. Die Anspannung stieg ins unermessliche. Je näher uns der junge Rüde kam, desto drohender wurde das Knurren von Cody und Logan, dessen Nackenhaare sich aufstellten. Ich konnte nicht nachvollziehen, weshalb sie einen solch jungen Rüden, der in etwa Kodas Alter zu haben schien, als gefährlich einstuften. Er war körperlich deutlich unterlegen, nicht einmal ansatzweise ausgewachsen. Es gab keine Bedrohung vom anderen Rudel aus und dennoch herrschte solch eine Anspannung. Der Rüde erreichte die Welpen schließlich und beschnupperte sie prüfend, ehe er sich die Lefzen lecken ließ und zu uns hinauf sah. Er zögerte, blieb stehen anstatt sofort zu seinem Rudel zurückzukehren. Eines der Elterntiere knurrte fordernd auf und ehe ich reagieren konnte war Koda an mir vorbei und rannte auf den Rüden und die Welpen zu. Entsetzt beobachteten wir das Geschehen und mussten uns eingestehen, dass wir nichts anderes tun konnten, als abzuwarten und zu hoffen, dass Koda nicht verletzt wurde. Würden wir uns auf die Welpen zu bewegen, wäre ein Kampf vorprogrammiert. Zitternd sah ich meinem kleinen Bruder dabei zu, wie er wedelnd und voller Freude vor dem Rüden stand. Dieser wedelte ebenfalls neugierig mit dem Schwanz und schien keinesfalls abgeneigt zu sein. Etwas vertrautes lag in der Luft. Ich spürte es deutlich. Koda kannte ihn, ansonsten hätte er sich nicht in solch eine Gefahrensituation begeben. "Darcon!" Knurrte eines der Elterntiere mit solch einem Nachdruck, dass der Rüde sich widerwillig von Koda trennte und mit den Welpen in Richtung seines Rudels trottete. Ich atmete gerade erleichtert auf, ging davon aus Koda würde nun zu uns zurückkehren, da lief dieser dem grau gestromten Tier hinterher. Der Rüde bemerkte seinen Verfolger schnell, drehte sich zu ihm um und schnappte nach Koda, der winselnd zurückwich. Er musste ihn von sich fernhalten. Anders hätte er Koda nicht davon überzeugt und er wäre vermutlich in Gefahr geraten. Dass es bloß eine Korrektur war und kein Angriff hatten Ethan und Zachary jedoch nicht gesehen und so taten sie das, wofür Logan sie angerufen hatte. Uns beschützen.
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The Alpha And Me
Werewolf"Es gab Menschen, bei denen es eine zeitlang dauerte, bis sie sich einem öffneten. Es gab Menschen, die von Anfang an über Gott und die Welt redeten und dann gab es noch die Menschen, bei denen es eine Unmöglichkeit darstellte mit ihnen jemals auch...