Die Sonnenstrahlen kitzelten mich wach und erfüllten meine eigenen vier Wände mit einer angenehmen Sommerwärme. Ausgiebig gähnend streckte ich mich und blieb noch einige Minuten in meinem Bett liegen, ehe ich beschloss meinem knurrenden Magen nachzugeben und zu frühstücken. Ich zog mir einen Hoodie über und stolperte verträumt die Treppe hinunter, ins Esszimmer. Zu meiner Verwunderung war niemand aufzufinden und auch sonst war es ausgesprochen still. Neugierig sah ich durch die große Glastür in den Garten hinaus, doch auch dort war niemand zu sehen. Seufzend nahm ich meine Einsamkeit an diesem Morgen zur Kenntnis und begann sie gleich darauf zu genießen. Ohne hyperaktive Plaudertaschen in den Tag zu starten war eine Ausnahme und mehr als befremdlich, aber nicht unbedingt schlecht. In Seelenruhe bestrich ich die Brötchen und setzte mich schließlich in den Garten. Jedoch nicht auf die Terrasse, auf welcher wir am Vorabend gegrillt hatten, sondern an den Gartenzaun, an dem das Rudel gestern in die Ferne gestarrt hatte. Vielleicht konnte ich etwas verdächtiges erkennen oder zumindest darauf schließen, wer sie aufgeschreckt hatte. Wer diese unschuldigen Welpen waren. Doch zu meiner Ernüchterung konnte ich nichts erkennen, als einen weit enfernten Wald, der am Rande des Strandes endete und zu einem Tagesausflug einzuladen schien. Ich blieb nicht lange mit meinen Gedanken allein und machte nach einigen Tagen wieder Bekanntschaft mit Logan, der mit einem Lächeln im Gesicht neben mir Platz nahm und genüsslich von seinem Brötchen abbiss. "Du kannst lächeln?" Ich konnte meine Worte weder als eine Frage noch als eine Feststellung erkenntlich machen und musterte Logan prüfend von oben nach unten. Zu meiner Erleichterung stellte ich keine neuen Wunden fest und konnte sogar davon ausgehen, dass seine Narben weitestgehend verheilt waren. "Es ist niemand im Haus, wenn das kein Grund zum Lächeln ist dann weiß ich auch nicht." Lachte er amüsiert und atmete tief durch. Es war wohl einer der Morgende, an denen er sich stressfrei an diesem Ort aufhalten konnte. Im Normalfall hielt er sich immer im Hintergrund und lief häufig in seiner Wolfsgestalt herum, um sich zu jederzeit verteidigen oder flüchten zu können. Seine Rute eingezogen und mit flachen Schritten schlich er dann umher und sah so verängstigt aus, dass allein der Gedanke daran mein Herz schwer werden ließ. "Ist Diego mit ihnen gegangen?" Logan zuckte erst mit den Schultern, schüttelte daraufhin aber den Kopf. Es wäre nicht typisch für meinen kleinen Bruder, dem Rudel zu folgen, wo er es doch am liebsten jederzeit verlassen würde. Er musste allein unterwegs sein. "Vielleicht hat er sich mit einem seiner Freunde verabredet und tollt nun durch die Wälder." Der Gedanke an diese unbeschwerten Momente zauberte mir ein Lächeln auf die Lippen. Stundenlang waren wir damals in den Wäldern gewesen und hatten gespielt. Irgendwo mussten wir unsere kindliche Energie schließlich loswerden. Wie oft hat Dad uns suchen müssen, wenn wir mal wieder die Zeit vergessen hatten und nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zuhause waren. Für Dad eine stressige, für Diego und mich eine unbezahlbare Zeit. Logan schien dieser Gedanke nicht sonderlich zu gefallen, doch er sagte nichts weiter dazu. Ich würde ihm vermutlich sowieso widersprechen, schließlich kannte ich meinen Bruder und wusste, dass er sich nicht in Schwierigkeiten bringen würde. Wir unterhielten uns stattdessen über belanglose Dinge und lachten herzlich, als Logans Mine sich plötzlich versteifte und er sein Brötchen fallen ließ. Verunsichert musterte ich ihn, ehe ich seinem Blick folgte und nach dem Grund für seine plötzliche Angst suchte. Ich wurde schnell fündig und legte den Kopf leicht schief, während ich die Gestalt in der Ferne zu deuten versuchte. Um genau zu sein, waren es zwei Gestalten, die noch eine recht geringe Größe besaßen und am Strand umhertollten. Es waren Wölfe, keine Frage. Der Wind stand so gut, dass man sie noch über Meilen hätte riechen können. Jung waren sie und naiv gleich dazu zumindest schien niemand anderes in der Nähe zu sein, der sie im Ernstfall beschützen könnte. Umso irritierter war ich von Logans bleichem Gesicht. Es spielten bloß zwei Welpen am Strand und jagten die Wellen. Nichts beunruhigendes. Gestern Abend muss das Rudel etwas anderes erschreckt haben. Was konnte an Welpen schon bedrohlich sein? "Sie sind allein dort, was wenn ihnen etwas zustößt? Die Strömung zieht sie wohlmöglich noch ins Meer." Vermutlich war es mein weiblicher Instinkt, der als große Schwester wohl ziemlich stark ausgeprägt war, der mir solche Gedanken machte und Sorge bereitete. Für verwilderte Wölfe waren die Welpen zu groß, sie waren demnach ebenfalls Gestaltswandler. Umso dramatischer wäre ein Unglück der Zwei. Sie gehörten damit schließlich irgendwie zu unserer Familie. Ängstlich sprang ich auf und wollte ihnen zur Hilfe eilen, da hielt Logan mich mit einem festen Griff auf. Eindringlich schaute er mich an, schwieg jedoch und deutete bloß auf die Dünen hinauf. Noch immer besorgt und voller Eifer folgte ich seinem Deuten und mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ich Zachary und einige der anderen auf den Dünen entlang schlendern sah. Es musste für Außenstehende befremdlich aussehen, wie drei Wölfe dort seelenruhig entlang trotteten und dann auch noch ausgerechnet auf ein Wohnhaus zusteuerten. Zu unserem Glück war jedoch keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Interesse an den Welpen schienen aber auch Zachary und die anderen nicht zu haben. Nur Cody hatte sich von dem Rudel abgeschirmt und stand einige Meter weiter hinter den anderen auf der Düne, den besorgten Blick zu den Welpen und den drehenden Ohren, die nach möglichen Elterntieren horchten. Am liebsten wäre ich zu ihm geeilt und hätte ihn dazu überredet einzugreifen, doch Logan ließ mich nicht. Und so stand ich da, sah zwischen Cody und den Welpen hin und her und atmete tief durch, als diese sich in Richtung Wald orientierten und schließlich hinter den Bäumen verschwanden. Cody wartete noch einige Minuten geduldig ab, ehe auch er seinen Blick abwendete und in unsere Richtung trottete.
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The Alpha And Me
Werewolf"Es gab Menschen, bei denen es eine zeitlang dauerte, bis sie sich einem öffneten. Es gab Menschen, die von Anfang an über Gott und die Welt redeten und dann gab es noch die Menschen, bei denen es eine Unmöglichkeit darstellte mit ihnen jemals auch...