Liebes Tagebuch,
Es ist nicht annähernd so wie sie sagen. "Hör auf dein Herz, es wird die richtige Antwort parat haben" ist nur einer dieser Sätze, die dir Hoffnung bieten sollen. Es ist bloß ein Satz, wie jeder andere auch. "Du schaffst alles, wenn du nur fest genug an dich glaubst!" Ach ja? Ich habe geglaubt. An mich, an Dad, an dieses Rudel und das Ziel, dass ich in der Lage sein würde, eine gesunde Balance einzubringen. Was habe ich letztendlich davon? Nichts. Dad sitzt noch einige Monate im Gefängnis, das Rudel bereitet mir mehr Probleme denn je und mein Ziel habe ich auch tief im Meer versenkt. Vielleicht war es ein Fehler hierher zu kommen. Natürlich war es einer! Ich habe kaum noch etwas mit meinem kleinen Bruder zu tun, mit dem ich bisher fast jede Minute verbracht hatte. Logan bemitleide ich mehr, als ich sollte und Cody kann ich ebenso wenig vor Zachary beschützen. Ich komme mir vor wie ein feiger Mittäter, der sich nicht traut etwas zu tun, um nicht selbst zum Opfer zu werden. Außer ich bin längst ebenfalls ein Opfer von diesem grausamen Alpha geworden, der nur von Gewalt zu leben scheint. Er braucht nichts weiter, als seine regelmäßigen Wutausbrüche. Es ist so traurig, das alles mit ansehen zu müssen. Jeden Abend verbrachte ich mit der Schuld, die ich nie begleichen konnte. Wie konnte ich es bei Cody wieder gut machen, dass ich ihm nicht geholfen habe? Dass ich nicht eingeschritten bin? Auch wenn er mir immer wieder sagt, dass es okay ist und er von keinem das Einschreiten und Klären der Situation erwartet, kann ich mit diesem Gedanken dennoch nicht leben. Vielleicht bin ich einfach zu sensibel und weich. Zu weich für diesen harschen Umgangston, der in diesem Rudel nun einmal herrscht. Vermutlich bin ich nicht die Person, die ich glaubte zu sein. Vielleicht bin ich nichts von all dem, was ich mir immer vorgenommen hatte. Vielleicht sollte ich mich in Zukunft zurückhalten. Ist das das Richtige? Zurückhaltung? Ich weiß es nicht. Ich bin so unentschlossen. Ein Teil dieses Rudels und doch einsam und allein. Traurig, was aus mir in so kurzer Zeit geworden ist. Ich muss es ändern, auf der Stelle. Doch wie? Sag mir doch einer, wie ich das anstellen sollte.
Ich zuckte zusammen, als die Tür aufgestoßen wurde, Diego ins Zimmer stürmte und den Schlüssel im Schloss drehte. Unentdeckt ließ ich mein Tagebuch unter dem Bett verschwinden und sah meinen kleinen Bruder verwirrt an, der an der Tür stand und vorsichtig lauschte. Den Kopf schief gelegt beobachtete ich ihn dabei, wie er schließlich von der Tür abließ und erleichtert seufzte. "Ich habe mit Dad telefoniert." Lenkte er von dem gerade Geschehenen ab und ließ sich auf meinem Schreibtischstuhl nieder. Als wäre nichts gewesen dreht er sich im Kreis und pfeift leise vor sich hin. Dachte er wirklich, dass ich mich ablenken ließ? Mir war doch wohl längst klar, dass er wieder einmal etwas ausgeheckt hatte. Wann tat er das nicht? Es hätte mich gewundert, wenn er sich weiterhin so ruhig verhalten hätte. Das ist schließlich nicht Diegos Art. "Sieh mich nicht so vorwurfsvoll an. So schlimm ist dieser Streich auch wieder nicht." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wartete geduldig auf eine Erklärung. "Milow und ich haben Josh bloß eins ausgewischt, weil er uns immer die Croissants wegschnappt." Die bloße Tatsache, dass Milow mit ihm unter einer Decke steckte, macht die Sache um einiges heikler. Der Kerl bedeutete schließlich nur Ärger. Es gab schließlich keinen einzigen Tag, an dem er sich nicht auffällig verhielt. "Ich dachte eben, dass er mir den Kopf abreißen will, aber bisher denkt er, dass Milow der Schuldige ist und sucht ihn. Ich bin also fein raus." Amüsiert über die Leichtgläubigkeit meines Bruders lachte ich auf, was bei ihm Unbehagen auslöste. "Was?" Fragte er daraufhin schnippisch und verbarg seinen knurrenden Unterton dabei keineswegs. Er hasste es, wenn man sich über ihn lustig machte oder ihn anzweifelte. "Du glaubst doch wohl nicht im ernst, dass Milow dich deckt." Diego schien eben genau das zu glauben, weshalb ich lachend mit dem Kopf schüttelte, aufstand und ihm für seinem Plan, ungeschoren davon zu kommen, applaudierte. Und ich sollte recht behalten, denn keine zwei Minuten später schlug Josh wutschnaubend gegen meine Tür und mein kleiner Bruder flüchtete panisch aus dem Fenster. Tja, selber Schuld kleiner Bruder.
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The Alpha And Me
Werewolf"Es gab Menschen, bei denen es eine zeitlang dauerte, bis sie sich einem öffneten. Es gab Menschen, die von Anfang an über Gott und die Welt redeten und dann gab es noch die Menschen, bei denen es eine Unmöglichkeit darstellte mit ihnen jemals auch...