Kapitel 15: Es ist einfach unfair

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"Wie geht es dir, Elizabeth? Ich habe Dr. Dearings Akte entnommen, dass du erst vor zwei Wochen hierher gezogen bist? Neugierig sah mich der junge Mann vor mir an nachdem er seine Brille wieder nach oben gerückt hatte. Dr. Dolan schien bis jetzt richtig nett zu sein. Ich nickte.

"Ja, vorhin hatte ich in San Diego gelebt" Er nickte und blätterte etwas in meiner Akte.

"Du lebst gerade bei deiner Mutter, ihrem Freund und desses Sohn. Wie würdest du das Verhältnis zu ihnen beschreiben?" Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange während ich überlegte.

"Ich finde es schwer mit einem anderen Mann unter einem Dach zu leben, der nicht mein Vater ist. Ich empfinde es ein wenig als eine Beleidigung, dass meine Mutter zwei Jahre nach dem Tod meines Vaters schon mit ihrem neuen Freund zusammen wohnt. Ich habe nichts gegen ihn, er ist sehr nett zu mir, doch ich habe ein bisschen das Gefühl, dass er mich mit den ganzen Geschenken, die er mir macht, sozusagen kaufen möchte." Er nickte und schrieb sich irgendetwas auf.

"Zu meiner Mutter hatte ich nie ein wirklich gutes Verhältnis, das müsste auch in den Akten stehen. Warum das so ist kann ich mir selbst nicht erklären, da ich mich nicht erinnern kann etwas derart falsch gemacht zu haben, dass sie mir es immer noch nachträgt. Nach dem Tod meines Vaters ist es noch schlimmer geworden. Ich kam mit den Launen meiner Mutter und dem Tod meines Vaters nicht mehr klar, sodass ich mir Hilfe geholt habe. Danach hatte ich ein Jahr Auszeit von ihr. Ich dachte als ich hier hin zog, dass es zwischen uns besser werden würde, doch es ging einfach weiter wie bisher." Ich holte tief Luft bevor ich weitersprach.

"Dann hatte sie mir vor meiner Ankunft mit keinem Wort erwähnt, dass ihr neuer Freund einen Sohn hat. Das hatte ihr Freund mir dann offenbaren müssen. Er ist in meinem Alter und geht zur gleichen Schule wie ich. Zuhause benimmt er sich wie ein richtiges Musterkind und in der Schule behandelt er alle von oben herab. Er ist der arroganteste Mensch, der mir je untergekommen ist. Doch das ist nicht schlimm, das kann ich ignorieren. Das Schlimmste an ihm ist, dass ich das Gefühl habe, dass meine Mum ihn mehr liebt als mich, ihr leibliches Kind" Nun brach ich in Tränen aus. Ich hatte endlich ausgesprochen, was mir seit Tagen im Kopf umherschwirrt. Wortlos reichte Dr. Dolan mir ein Taschentuch, welches ich dankend annahm.

"Es ist einfach unfair", schluchzte ich in das Taschentuch während mein Gegenüber mich schweigend musterte. Er wartete bis ich mich wieder beruhigt hatte bevor er sprach.

"Wie ging es dir in den letzten Wochen in San Diego?" Ich schniefte.

"Die Behandlung hat gut angeschlagen. Ich hatte mich so gut gefühlt wie schon lange nicht mehr", erklärte ich.

"Und würdest du sagen, dass es dir jetzt wieder schlechter geht?" Ich nickte. Zwischen uns legte sich eine Stille während er überlegte, die er jedoch schon kurz darauf brach.

"Was hältst du davon, wenn wir die Dosis deines Medikamentes neu anpassen würden? Ich würde sie gerne erhöhen jedoch nur ein wenig. Das mache ich jedoch nur mit deinem Einverständnis", erklärte er mir. Ich nickte wieder um mein Einverständnis auszudrücken. Nickend stand er auf und ging zu seinem Schreibtisch, der in einer Ecke des Raumes stand, um mir ein neues Rezept auszustellen. Danach verabschiedeten wir uns. Vor seiner Praxis atmete ich einmal tief aus bevor ich in der nächsten Apotheke meine Medikamente besorgte.

****

Leise schlich ich durch die Tür und hoffte unbemerkt geblieben zu sein. Mum und Louis waren, als ich losgefahren war, noch nicht da gewesen und Cole war schon weg bevor ich es war. Ihm wollte ich besonders aus dem Weg gehen. Ich wusste genau, dass er mich gestern ins Bett getragen hatte, auch wenn er heute kein einziges Wort darüber verloren hatte. Es war mir unglaublich peinlich, dass er mich so gesehen hatte. Und was mich noch viel mehr beschäftigte war, die Tatsache, dass er einfach so in meinem Zimmer war ohne, dass etwas dagegen hätte tun können.

"Schön, dass du auch mal kommst", meinte Cole als er aus dem Wohnzimmer trat. Erschrocken ließ ich die Tüte mit den Medikamenten fallen. Meine Gebete wurden scheinbar nicht erhört. Ich zog meine Jacke und Schuhe aus während Cole im Türrahmen lehnte und mir zusah.

"Kannst du mir sagen wo du warst? Ich hab die Verantwortung für dich wenn Dad und Julia nicht da sind" begann er seine Moralpredigt.

"Ich hab dir einen Zettel geschrieben", murmelte ich und hielt die Tüte fester im Griff.

"Ja, 'Ich bin weg' ist wirklich sehr aufschlussreich. Wo warst du verdammt?" Mittlerweile war er einen Schritt näher gekommen und hatte die Arme vor der Brust verschränkt.

"Ich war beim Arzt", antwortete ich ihm schließlich. Er musterte mich eindringlich bis sein Blick auf die Tüte fiel, die ich immer noch fest in der Hand hielt.

"Und was hast du da gemacht?" Ich zog die Stirn kraus. Das ging ihn ja wohl gar nichts an.

"Man geht zum Arzt wenn es einem schlecht geht", beantwortete ich trotzdem seine Frage. Sein Blick schoss wieder zu mir hoch und seine Gesichtszüge wurden etwas sanfter.

"Und dir geht es schlecht?" Seine Fragerei ging mir echt auf die Nerven. Ich musste an das denken, was ich vorhin über ihn zu Dr. Dolan gesagt hatte und mir schossen wieder Tränen in die Augen.

"Ja verdammt nochmal. Mir geht es schlecht", zischte ich und ließ ihn verdutzt im Gang stehen. Ich stieg die Treppen hoch und wischte die Tränen weg als ich etwas sah. An der Wand hing ein Bild. Ein Foto von mir. Ich nahm es von der Wand. Es war bestimmt 3 oder 4 Jahre alt und ich presste die Lippen zusammen als ich es betrachtete. Ich sah so fett aus auf diesem Bild. Doch das war nicht mal das Schlimmste. Es war eigentlich ein Bild von mir und Dad doch Dad wurde einfach rausgeschnitten. Einfach so als hätte er nie existiert. Wütend warf ich das Bild zu Boden und das Glas zersprang in viele kleine Scherben. Sowas hatte Dad nicht verdient. Nicht an seinem 2. Todestag.

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