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In der folgenden Zeit bestand mein Tagesablauf nur aus Aufwachen, Essen und weiterschlafen. Ich hatte anscheinend etwas auf den Augen denn ich sah jedes mal nur Schwarz, obwohl ich es inzwischen wieder schaffte meine Augen zu öffnen.

Jedes Mal wenn ich aufwachte, stand dieser seltsame Typ von meinem ersten Tag hier bei mir und verpflegte mich mit Wasser und warmer Suppe. Das gleiche tat er mit dem Wesen neben mir. Ich spürte, dass ich etwas  nadelartiges mit Klebeband am Handrücken hatte, hatte aber keine Lust, sie zu entfernen, immerhin würde das doch bestimmt auffallen.

Die fuhren mir etwas zu, aber da ich von dem Essen, das ich bekam schon nicht gestorben war, würde es mich schon nicht vergiften. Hoffte ich. Ich hatte keine andere Wahl, als darauf zu vertrauen. Und die Stimme in meinem Kopf versicherte mir immer und immer wieder, dass mir schon nichts passieren würde. Sie wachte übrigens zeitgleich mit mir auf und schlief auch wieder ein. Manchmal fühlte sich die Hand an meiner Seite pelzig, wie eine Pfote an und dann war sie manchmal wieder normal.

Ich verlor hier total das Zeitgefühl. Ich hatte keine Ahnung, ob inzwischen schon 2 Tage oder 2 Wochen vergangen waren, aber ich langweilte mich zu Tode. Irgendwann fing ich aus Langeweile sogar an auf die Gesprächsversuche meiner Stimme im Kopf oder, wie er sich nannte, meines Bettnachbarn, einzugehen. Ich erfuhr aber fast gar nichts über ihn, sondern musste Informationen über mich preis geben. Er hatte anscheinend ein Talent STUNDENLANG an fast gar nichts zu denken.

Es wurde nicht grade erträglicher. Irgendwann fing ich an mich unfassbar unhygienisch zu fühlen. Auf Toilette zu gehen war schon furchtbar, weil es mir so verdammt unangenehm war mit verbundenen Augen vor einer fremden Person zu pinkeln, da ich ja zur Toilette begleitet und gestützt werden musste. Dafür meldete sich, wer hätt's gedacht, mein Bettnachbar. Er war zwar auch wackelig auf den Beinen, aber wenn wir uns gegenseitig stützten, dann klappte das einigermaßen. Aber duschen war ich, seitdem ich hier war nicht und solangsam fühlte ich mich wirklich scheiße. Ich wollte nicht wie ein Kleinkind klingen, aber ich wollte endlich nach Hause. Aber die wollten mich nicht gehen lassen. Wie sich herausstellte, nicht nur wegen meinem Blutverlust, denn der schien sich schnell wieder eingependelt zu haben, aber was das eigentliche Problem war, wollte mir niemand erzählen.

Jedes mal wenn ich aufwachte dachte ich an meine Eltern. Sie würden mich umbringen. Ich hatte immer weniger Lust sie zu Hause wieder zu sehen, bis mir irgendwann auch das egal wurde.  Hier im nirgendwo, wo du dir nicht mal sicher warst, ob du überhaupt wieder lebend nach Hause kamst, wurde dir früher oder später alles scheiß egal. Wirklich alles.

Unwohl fühlte ich mich trotzdem. Aber vielleicht verginge auch das mit der Zeit. Ich dachte viel über's Leben nach. Hatte ja sonst nichts zu tun. Um ehrlich zu sein, hatte ich mich schon sehr lange nicht mehr mit meinen Gedanken auseinander gesetzt und es tat mir sogar teilweise gut. Wenn da nicht diese nervige Stimme wäre die alles kommentieren musste.

"Also eigentlich stimmt das so nicht."

"Also eigentlich solltest du es mal von der anderen Seite betrachten."

"Also eigentlich hatte er Recht, nicht du."

"Also eigentlich..."

Er ging mir dezent auf den Keks. Was ziemlich lustig war, weil ich gehört hatte wie der Heiler, was der Beruf des komischen Typs war, wie ich später erfahren hatte, ihn Cookie oder so genannt hatte.

Da lag ich also nun. Gelangweilt und mit einem komischen Stimmchen im Kopf. Ich fragte mich, was wohl mit meinen Freunden war. Es war Samstag, als ich hier gelandet war und die Schule musste bestimmt schon wieder angefangen haben. Oder vermisste mich keiner? Und meine Eltern? Hatten sie schon Suchtrups losgeschickt?

Na, woran denkst du?

Das hörst du doch.

Ja, schon, aber es klingt höflicher, wenn ich nachfrage.

Ich denke wir können inzwischen auf Höflichkeit scheißen. Falls ich hier drin sterbe, werde ich dich im Jenseits so oder so hassen. Und falls ich das hier überlebe, sehen wir uns nie wieder.

Sag niemals nie.

Ach ja stimmt, du läufst mir bestimmt mal eben in der Schule über den Weg, da sollten wir uns nicht gegenseitig die Kehle aufschlitzen, nicht wahr? Ich meine, WO soll ich dich je wieder sehen? Ich weiß doch nicht mal, wie du aussiehst.

Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du anstrengend bist?

Du. Mehrmals heute.

Da hatte ich wohl Recht.

Du bist ja auch in meinem Kopf, klar hast du Recht. Ich hab immer Recht.

Ah, du bezeichnest dich also selber als anstrengend?

Äh... warte, was...

Tja, du kannst dir halt keinen guten Konter überlegen, wenn ich deine Überlegungen schon hören kann bevor sie fertig sind. Letztens war es echt traurig, als dir dein Konter mitten in der Nacht eingefallen ist.

Lass mich! Ist doch nicht meine Schuld..

Jaa, ich hatte wirklich viel Zeit hier...

𝐖𝐎𝐋𝐅.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt