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"Wie, was hab ich mit Jeon gemacht??"
Ich starrte ihn verdutzt an.
"Naja du weißt schon, dass er bei dir so anders ist." Ich war verwirrt.
"Nee weiß ich nicht. Wie ist er denn?"
"Also...er..",  stammelte Hoseok vorsichtig, als würde er überlegen, ob er es mir sagen sollte oder nicht. "Also er benimmt sich bei dir anders. Ich kenne ihn zwar nur seit etwa zwei Wochen, aber es ist als hätte ich zwei Personen kennen gelernt." Er machte Pause und wartete ab, ob meinerseits eine Reaktion folgen würde. Vielleicht ein Nicken, ein Abstreiten oder eine Frage, aber ich schaute ihn nur weiter abwartend an.

Also fuhr er fort: "Naja, also in der ersten Woche, da dachte ich er hätte vielleicht was mit seinen Stimmbändern oder er wäre taub, weil er sprach mit niemandem. Dann hörte ich ihn einmal in einer Mittagspause, in der er alleine im Klassenraum geblieben war, ein Lied summen. Ich weiß nicht, wie es heißt, aber du singst es auch manchmal. Ab dem Zeitpunkt dachte ich er müsse ein introvertierter Freak sein mit einem Hauch von arrogantem Arschloch. Aber seit du wieder da bist, redet er mindestens einmal am Tag mit dir und seit neustem sogar mit anderen. Vorher hat er sich 'nen Dreck, um andere Menschen geschert, aber bei dir spielt er den Beschützer-" "Quatsch", da unterbrach ich ihn.

"Doch! Du kriegst vielleicht nicht alles mit, aber er verteidigt dich fast schon hinter deinem Rücken. Seit du weißt schon kursieren einige schlechte Gerüchte über dich, aber jeder der in seiner Anwesenheit etwas über dich sagt, wird mit Blicken getötet", erklärt er mir, als sei ich begriffsstutzig. "Nein, Blödsinn, das kommt dir nur so vor. Er schaut immer so, das ist sein normaler Blick", stritt ich alles ab und kickte einen etwas größeren Stein, fest genug, dass er gegen ein auf der Straße stehendes Fahrrad knallte, an einer Laterne abprallte und wieder vor meinen Füßen landete. "Ja, den anderen gegenüber schon, aber hat er dich je böse angeschaut?", versuchte mein bester Freund es weiter. "Bestimmt schon mal, sonst würde ich den Blick doch nicht kennen." Logisches Argument, dagegen hatte auch Hoseok nichts einzuwenden.

"Na gut, aber was war das heute?" Er spielte auf den Vorfall bei dem Jeon ihn davon abgehalten hatte mich zu erschrecken an. "Jaaa... das weiß ich auch nicht", kicherte ich. Hobi schmunzelte auch etwas, wurde dann aber wieder ernst.

"Nein, aber jetzt mal ehrlich; Bezahlst du ihn?", fragte er aus dem nichts. Das war's mit mir und meinen vor Müdigkeit strapazierten Gehirnzellen. In meinem Zustand würde ich wahrscheinlich sogar eine watschelnde Ente lustig finden, aber in dem Augenblick fand ich das so urkomisch, dass ich in Gelächter ausbrach.

"Ich..", japste ich "..ihn bezahlen?" Hobi nickte bemüht seriös schauend, aber ich sah wie er ein Lachen unterdrücken musste. "Wofür? Als meine persönliche Begnügung? Hobi, ich bin Jungfrau", sagte ich plötzlich, wieder ganz ernst und da war es um ihn geschehen. Er prustete laut los und den restlichen Heimweg alberten wir rum und stellten uns einen Jeongguk in Unterwäsche, wie er abends auf meinem Bett auf mich warten mochte, vor. Diese Vorstellung ging mir nicht aus dem Kopf und mein Lachen geriet immer mehr außer Kontrolle, bis mir mein Bauch weh tat und ich wie beschwipst lief.

"Nein, tu ich nicht", sagte ich anschließend und beobachtete, wie sich Hoseok vor Lachen ebenfalls den Bauch hielt. "Aber der Kerl ist eh verrückt", hing ich noch skeptisch dran, mit Erinnerung an den einen Tag, als er mich in der Klasse behalten hatte. Dabei lief mir ein Schauer den Rücken runter.

"Na, jedenfalls könntest du das echt krass ausnutzen", erklärte mein bester Freund mir. "Und zwar?" Ich nahm ihn nicht wirklich ernst. " Hm, keine Ahnung... zum Beispiel für lästige Drecksarbeiten, wie Bücher schleppen! Versuch's mal", sagte er zuversichtlich. "Ganz bestimmt nicht." Ich schüttelte den Kopf. Ich vernahm noch ein "Spaßverderber", ehe wir an der Kreuzung standen bei der sich unsere Wege trennten.

Wir verabschiedeten uns und ich ging links, er rechts. Kopfschüttelnd und immer noch schmunzelnd betrachtete ich das Kopfsteinplaster vor mir, trat aus Langeweile jeweils zwischen die Ritzen und tänzelte so die letzten paar Meter bis nach Hause.

Vor meiner Haustür hielt ich inne und schaute mich um. Ich fühlte mich merkwürdigerweise beobachtet. Ich hatte keinen siebten Sinn, aber ich konnte förmlich das flache Atmen im Hintergrund hören, das sich bemühte sich nicht zu verraten.

"Flocke?", rief ich nach hinten und trat einige Schritte von unserem Haus, den Koppeln entgegen. Ich sah das Pferd weit, weit weg auf der Wiese grasen und sich um nichts kümmern. Seltsam.
"Hobi?" Keine Antwort. Vielleicht war es wieder Einbildung. Ich wollte grade wieder umdrehen, als ich einen Ast brechen hörte. Ruckartig lenkte mein Kopf in die Richtung aus der das Geräusch kam. Es war weiter weg, aber ich hatte es wie so oft in letzter Zeit gut wahrnehmen können. Und siehe da, hinten im Gebüsch sah ich zwei Augen, die durch das reflektierende Tageslicht für mich sichtbar wurden und hell glitzerten. Sie starrten in meine Richtung und bewegten sich nicht. Ich lachte.

"Black?", rief ich rüber und machte einige Schritte auf den von Bäumen zugestellten Bereich. Keine Reaktion. "Heute zu Späßen aufgelegt?" Ich kam immer näher, aber er bewegte sich nicht, bis ich allmählich nur noch einen Meter von ihm entfernt war. "Na, komm raus, ich tu dir schon nichts", grinste ich, obwohl uns beiden bewusst war, dass es wohl eher umgekehrt wäre. Da vernahm ich aber ein Knurren rechts von mir und schreckte panisch zurück. Da stand ohne Zweifel mein schwarzer Wolf, halb im Wald, halb im Licht und knurrte die zwei Augen im Gebüsch vor mir an. Aber wenn er dort war, wer war das vor mir?

Ich sah wie die zwei Augen kurz dort verharrten, und dann kehrt machten und im Wald verschwanden. Als er durch einen Lichtschein, der durch die dichten Baumkronen gefallen war, lief, konnte ich erkennen, dass sein Fell gar nicht schwarz war, sondern braun. Ein solches Kastanienbraun, wie meine Haare es hatten.

Und da erinnerte ich mich an die erste Begegnung mit ihm und wie Black mich damals beschützt hatte.

Wer war dieser Wolf?

𝐖𝐎𝐋𝐅.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt