"Taehyung", erklang aus der Wolfsschnauze. Ich verstand es. So, wie ich Jeongguk, als Wolf, so surreal das auch klingen mochte, verstanden hatte. Klar und deutlich, als hätte ein Mensch gesprochen. Nur war es anders, als mit der deutschen Sprache.
Ich verstand was er sagte, aber nicht im Sinne von, es klang als hätte er deutsch gesprochen. Ich verstand intuitiv was er gesagt hatte und mein Gehirn übersetzte es automatisch auf deutsch, ähnlich wie mit Fremdsprachen. Ob er wohl noch auf deutsch dachte? Oder waren seine Gedanken auf... Wolfisch?
"Ähm, Taehyung...?", fragte Jeongguk sichtlich verwirrt und deutete leicht mit seinem Kopf auf den Wolf.
Es gibt wichtigeres? Dein Bruder? Hier, vor dir? Zeig mal ne Reaktion, bitte!
Ich hörte die Stimme und ich schaute Jeongguk gleichgültig an. Mein Gehirn realisierte diese Situation irgendwie nicht. Es fühlte sich an wie ein Traum und auch mein Puls verlangsamte sich wieder ein wenig. Ich war mir nicht sicher, ob das ein Witz sein sollte, oder ob er es ernst meinte. Aber weil ich in dem braunen Wolf auf keinen Fall meinen Bruder wiedererkannte, zweifelte ich immer mehr.
"Weißt du, ich finde das nicht lustig", erklärte ich. "Taetae, ich bin's wirklich", sagte der Wolf und ließ mich die Luft anhalten. Taetae nannte mich niemand. Außer mein Bruder. Ich hatte diesen Spitznamen gehasst, ich kam mir dabei immer so klein und unwissend vor. Als hätte Baekhyun mich nur immer so genannt, um mich daran zu erinnern, dass ich naiver war als er, ihm unterlegen.
Aber in diesem Augenblick war das Gefühl, das ich empfand, als ich diesen Spitznamen hörte... unbeschreibbar.
"Baekhyun?", fragte ich und ging zögerlich auf ihn zu. Er legte den Wolfskopf schief und schaute mich mit Welpenaugen an. "Es tut mir leid", es war, trotz seiner Umstände, eher ein Hauchen. "Baekhyun!", krächzte ich, diesmal etwas lauter und fiel vor ihm auf die Knie. Er näherte sich mir ebenfalls und wir schauten uns in die Augen, welche sich beiderseits sofort mit Tränen füllten, ehe ich erleichtert schluchzend meine Arme um ihn schlang. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und flüsterte immer wieder: "Es tut mir leid", in mein Ohr.
Tränen der Erleichterung verließen immer wieder meine Augenwinkel, liefen meine Wangen hinab und hinterließen feuchte Stellen in seinem Fell. "Wo warst du?", flüsterte ich. "Warum bist du weggelaufen?", fragte ich. "War ich dir egal?", schniefte ich. Aber seine Antwort war immer wieder "Es tut mir leid". Ich erkannte, dass ich jetzt nicht mehr Antworten bekommen würde und gab mich mit dem zufrieden, was ich bekam. Denn es war mehr, als ich mir je hätte erträumen können.
"Das heißt es warst du, der mich dauernd beobachtet hat", stellte ich nach einer Weile fest, in der wir uns nur stumm umarmt hatten. "Ja, ich wollte wissen, wie es dir geht. Was aus dir geworden ist. Ihr seid damals weggezogen und euch wiederzufinden und dann auch noch das Rudel zu überreden, mich gehen zu lassen hat Ewigkeiten gedauert", erklärte er mir.
Ich kniff die Augen zusammen und schluchzte erneut. Seine Stimme zu hören, nach so langer Zeit, war einfach überwältigend. Ich merkte erst, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wollte gar nicht erst wieder nach Hause gehen. Ich wollte hier bleiben.
"Komm mit mir", flüsterte ich leise. "Ich kann nicht." Er klang wirklich bedauernd, aber ich konnte das nicht nachvollziehen. Vorsichtig löste ich die Umarmung etwas, um ihm in die Wolfsaugen schauen zu können. "Warum nicht?" Statt mir zu antworten, übernahm Jeongguk das: "Er ist in dieser Gestalt gefangen. Er bleibt ein Wolf auch tagsüber." Entsetzt starrte ich den Gesprochenen an. Das war ja furchtbar! Aber da klingelte es in meinem Oberstübchen. Jeon hatte das eben schon erwähnt. Aber es schien so unrelevant, so unwichtig für mich, da ich ja nicht wirklich damit zu tun hatte, dass ich es gar nicht richtig begriffen hatte. Es mir nicht weiter schlimm vorkam. Wie eine Nachricht im Radio über ein Unglück. Man findet sowas immer so lange nebensächlich, bis es einen persönlich betrifft. Und das tat es in dem Fall.
"Was kann ich tun um es zu ändern?", fragte ich sofort, denn ich wollte meinen Bruder in seiner wahren Gestalt wiedersehen. "Nichts, das habe ich dir doch schon erklärt", seufzte Jeon. Da fiel mir auch der Rest seiner Worte ein. Scheiße, das hie-
"Doch", fiel mir abrupt ein und mein Blick wurde wach. "Du müsstest nur wieder eure Verbindung aufbauen!" Es klang mir so logisch, dass ich gar nicht an die Folgen dachte. Meiner Meinung nach war das der beste Einfall, den ich seit langer Zeit hatte.
Aber mein Bruder machte mir schnell einen Strich durch die Rechnung.
"Nein, Tae, so einfach ist das nicht. Dann würde sich nämlich eure Bindung lösen", erklärte er. Mir war das bewusst, also zuckte ich gleichgültig mit den Schultern. "Ja, und?" Ich könnte schwören eine verletzte Schwingung Jeongguksseits zu spüren, aber ich war mir nicht sicher, ob es an unserer Verbindung lag oder ich es mir einbildete."Das heißt du wärest dann an meiner Stelle immer ein Wolf!" Und da platzte die Traumblase wieder.
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Irgendwie hab ich bock auf eine romance story in der realen welt...
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𝐖𝐎𝐋𝐅.
FanfictionScheiße, ich saß in der Falle. Für den Wolf war das anscheinend optimal, denn er trat aus seinem Mantel aus tiefschwarzen Schatten und näherte sich mir so sehr, dass mir das Mondlicht erlaubte ihn genauer zu betrachten. Sein Fell schimmerte in einem...