"Was denn?", stellte Jeongguk scheinheilig eine Gegenfrage. "Du weißt was ich meine", antwortete ich auffordernd. Er stöhnte genervt auf und fuhr sich mit der freien Hand durchs Gesicht.
"Glaubst du ihm das etwa?", fragte er mich. Ich blieb zuerst still, wusste nicht, was ich ihm antworten sollte. "E-er i... ist immerhin", stotterte ich dann unsicher. Jeongguk ließ meine Hand los.
"Man Taehyung, checkst du's nicht?!", fragte er mich aufgebracht und das er plötzlich Wut auf mich zeigte, ließ meinen Magen flau werden. "Er war drauf und dran dich für seine Freiheit zu opfern!", rief er. "Ja, jeder hätte das getan, du auch!", zeterte ich, ebenfalls lauter als eben.
"Nein, hätte ich nicht!", brüllte er zurück. "Schon recht nicht, wenn du mein kleiner Bruder wärst!", er sagte es laut, schien es aber sofort zu bereuen, denn es traf einen Nerv in mir. Ich hielt aber stur dagegen. "Ja, jetzt kannst du alles behaupten abe-" "Man Taehyung!", unterbrach er mich. "Du läufst ihm nach, wie ein Schoßhündchen! Er war all die Jahre weg und hat dich ohne weiteres links liegen lassen. Er hat damals gebettelt die Stadt mit uns verlassen zu dürfen! Kein Gedanke an dich und du nimmst es ihm nicht einmal übel, sondern rennst ihm hinterher und nimmst ihn Schutz?", brüllte er aufgebracht.
Mir war bewusst, was Baekhyun getan hatte, aber ich war bereit darüber hinweg zu sehen. Nennt mich naiv, aber ich hatte ihn schon so lange nicht mehr gesehen. Ich wollte nicht noch mehr Zeit damit verschwenden, sauer auf ihn zu sein. Aber tief in mir drin hatte es mir von Anfang an weh getan, als ich erfahren hatte, dass er freiwillig gegangen war.
Und das hatte Jeongguk grade provoziert. Das schien er nun auch zu merken, denn so sehr ich auch versuchte ihn sauer anzuschauen und ich versuchte vorzugeben unverwundbar zu sein, so musste man bestimmt im Licht der aufgehenden Sonne das Schimmern welches hinter meinen Augen brannte sehen. Oder wenigstens konnte er meine Gedanken hören.
"Tae, das wollte ich nicht", flüsterte er sofort im bereuenden Tonfall und streckte seine Hand nach mir aus. "Nein, schon gut", zischte ich bissig. "Ich bin dumm, ich hab's verstanden." Ich musste ziemlich kalt klingen, denn er schien Gesagtes immer mehr zu bereuen. Vielleicht musste mir wirklich einmal das Offensichtliche vor Augen führen, damit ich zurück in die Realität kam, aber es tat unfassbar weh.
"Taehyung", hauchte er entschuldigend und griff mit seinen Fingerspitzen nach meinen. Aber ich zog nur meine Hand weg und schaute die Tränen wegblinzelnd zur Seite. Ich würde jetzt nicht weinen. Nicht vor ihm.
"Führ mich nach Hause", flüsterte ich erschöpft und wartete, dass er den Annäherungsversuch aufgab und sich endlich in Bewegung setzte. Er brauchte einige Momente, um das zu akzeptieren ehe er mit einem bedrückten "Wie du wünschst", los ging und ich ihm folgte.
Wer war er, dass er das Recht hatte mich anzuschreien? Wie lange kannte er mich? 2 Monate? Und dennoch verletzte es mich fast schon mehr, als das was mein eigener Bruder getan hatte. Das musste an diesem Hexenwerk von deren Heiler liegen. Es schwächte mich anscheinend auf psychischer Ebene.
"I-ich muss dir nur sagen,... d-dass ich dich mag", fuhr es mir plötzlich durch den Kopf. Ich schüttelte den Gedanken an die Erinnerung sofort ab und war bestimmt schon etwas rot geworden. Diese Situation fuckte mich ab. Es reichte doch schon, dass manche Gedanken schon beim Denken unangenehm waren, aber dass nun ein fremder Typ jederzeit die Möglichkeit hatte nachzugucken was mir durch den Kopf ging, machte solche Gedanken nur umso schlimmer.
Ich verlangsamte meine Schritte etwas, um mehr Abstand zu Jeongguk zu gewinnen. Ich wollte mein Gewissen beruhigen. Als würde das irgendwas an der Bindung ändern...
"Wir sind da", kam es plötzlich leise von meinem Vordermann. Er hatte sich in letzter Zeit mehr erlaubt, als alle Menschen die ich hasste zusammen, aber trotzdem brachte ich es nicht über's Herz an ihm vorbei zu gehen, ohne einen letzten Blick in seine Richtung zu riskieren.
Sofort starrte ich wieder vor mir auf den Boden und wollte ein kaltes "Tschüss", flüstern, aber er schien anderer Meinung. Bevor ich komplett an ihm vorbei gehen konnte, griff er nach meinem Unterarm und zog mich mit einem Ruck zu sich, um mich zu umarmen. Er wartete tatsächlich meine Reaktion ab und auch wenn mein Kopf ihn am liebsten weggeschubst hatte, brachte ich es nicht über's Herz diesen Befehl an meine Gliedmaßen zu schicken. Er hatte meinen Zwiespalt wohl gemerkt, aber als ihm klar wurde, dass ich wohl weder erwidern, noch ihn wegschubsen würde, vergrub er sein Gesicht in meiner Halsbeuge.
"Es tut mir wirklich leid", flüsterte er und übte mit seinen Lippen kurz einen federleichten Druck auf die Stelle aus. Sobald ich realisiert hatte, dass er mir soeben einen Kuss aufgedrückt hatte, fing mein Herz an unnormal zu rasen und ich stieß ihn reflexartig etwas von mir weg. Ich quikte dabei wohl etwas unmännlich auf und lief bestimmt auch knallrot an, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig von einem traurigen und bedrückten Ausdruck in ein leicht angedeutetes Lächeln.
"Ich hab dir aber nicht verziehen!", zickte ich stur und starrte vor mir auf den Boden, weil ich seinen Blick nicht mehr ertragen konnte. Er lachte leise auf. "Ja, schon gut", er klang nicht sehr überzeugt. "Das meine ich ernst!", beteurte ich und verzog mein Gesicht zu dem bösesten Gesichtsausdruck, den ich zustande brachte. Er nahm mich aber nicht ernst und ich spürte, wie er sich grinsend wieder umdrehte.
"Bis morgen Taehyung", rief er mir noch über die Schulter zu und verschwand dann im Wald.
Mein doofes, doofes, trügerisches Herz.
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Don't hate me y'all
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𝐖𝐎𝐋𝐅.
FanfictionScheiße, ich saß in der Falle. Für den Wolf war das anscheinend optimal, denn er trat aus seinem Mantel aus tiefschwarzen Schatten und näherte sich mir so sehr, dass mir das Mondlicht erlaubte ihn genauer zu betrachten. Sein Fell schimmerte in einem...