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Die Flüssigkeit, die Milch, samt Schokomasse verteilte sich auf mir und die Schüssel fiel klirrend und mit Milchpackung auf den Boden. Ich zuckte zusammen und zog die Schultern bis zu den Ohren, um jedem möglichen Wutausbruch zu entkommen.

Mein Vater der soeben den Tisch beinahe umgeschmissen hatte stand nun mitten im Raum und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Sie hatten mich nicht einmal ausreden lassen. Mir mein Recht auf Erklärungen genommen. Aber um ehrlich zu sein, wollte ich es im Augenblick sowieso nicht einfordern.

Ich war zunächst erleichtert darüber, dass kein Gebrüll und Geschrei folgte, aber die Stille war umso bizarrer. Meiner Mutters Griff um meine Hand hatte sich etwas gelockert und sie schaute mich ratlos an. Ob wegen der Neuigkeit, oder weil sie nicht wusste wie mein Vater als nächstes reagieren würde, wusste ich nicht, aber jedenfalls schien sie mir nicht den Kopf einschlagen zu wollen. Ein gutes Zeichen.

Nun widmete ich meine Aufmerksamkeit meinem Vater, unschlüssig darüber, ob ich weiterreden, oder einfach schweigen sollte. Ich wollte ihnen irgendwann von meiner Beziehung erzählen, mich mit ihnen freuen, wie alle Eltern es taten, mit ihnen diese typischen, peinlichen Gespräche führen, aber noch nicht jetzt.

Und die Tatsache, dass sie es sich nicht einmal richtig anhören wollten, kränkte mich insgeheim. Sie wollten nicht wissen, wie ich mich mit Jeongguk fühlte, was meine Beweggründe waren ständig abzuhauen, warum ich die Rose bekommen hatte. Ihnen ging es hauptsächlich um die nackte Wahrheit, um Tatsachen, Fakten. Darum, dass ihr Sohn schwul war. Dass er keine Freundin hatte, sondern dass seine Knutschflecken von einem Jungen stammten. Und dazu noch von einem Außenseiter, einem Ungeachteten in unserem Dorf.

Es ging ihnen nicht um die Liebe, sondern um die Sünde und das machte mich insgeheim wütend.

"Wir sind zusammen", flüsterte ich schließlich unter meinem flachen Atem und wartete ab. Wartete, dass noch etwas folgen würde, vielleicht eine Antwort, eine Predigt, eine Standpauke über natürliche Gesetzmäßigkeiten und darüber, was für eine Schande ich doch sei. Aber alles was ich bekam war weiterhin erdrückende Stille. Die Luft war zum Schneiden dick und ich hielt es nicht mehr aus, wollte aufstehen, meinen Vater um eine Umarmung bitten, ihn fragen ob er es mir vielleicht doch nicht als Sünde anerkannte, ob sein Sohn ihm wichtiger war, als das was er tat.

Aber noch bevor meine Finger den Stoff seines Oberteils berühren konnten, ertönte seine Stimme: "Geh auf dein Zimmer."
Ich stockte in meiner Bewegung, zog meinen Arm zurück. Von meinem Shirt tropfte etwas Milch auf den Boden und erfüllte den Raum mit einem platschenden Geräsuch. Ein letzter hilfesuchende Blick zu meiner Mutter, aber diese saß nach wie vor ratlos daneben.

Okey, das war's also.

Ich wollte sie nicht weiter nerven. Wollte nicht noch mehr Unheil anrichten als ohnehin schon. Wollte ihnen Zeit lassen, vielleicht mussten sie nur nachdenken.
Und dass sie mich nicht aus dem Haus geworfen hatten, schien doch für's erste ein gutes Zeichen, oder nicht?...

"In Ordnung", flüsterte ich und drehte mich Richtung Tür. Meine Hand lag schon auf der Klinke und ich war bereit das Zimmer zu verlassen, als er noch etwas dran setzte:  "Und du wirst ihn nicht wiedersehen. Du hast Hausarrest", sagte er und seine Stimme bebte.

Empört drehte ich mich wieder um, wollte protestieren, aber der enttäuschte Anblick, der sich mir bot, ließ mich endgültig verstummen. Später, sagte ich mir später wirst du mit ihnen darüber reden, aber jetzt ist es sinnlos.

Und so verkroch ich mich schon am morgen wieder in mein Zimmer und kam gar nicht mehr wieder raus. Die Tage, die man die schönsten Tage seines Lebens nannte, weil man doch alles so unbeschwert und mit einer rosaroten Brille sah, wurden somit für mich zu einer Qual. Und als ich mein Handy auspackte und meinem festen Freund davon berichten wollte, wurde ich noch enttäuschter.

Idiot
Offline

Ggukie?
10:12
Ich würde grade gerne deine Stimme hören...
10:12

___

Es folgte anfangs, wie erwartet, keine Antwort, aber auch im Verlauf des Tages änderte sich nichts. Erst gegen Abend schrieb er mir und auch das brachte mich dazu eine stille Träne wegzustreichen.

Idiot
Online

Oh, hey Baby:3
19:21
Ich kann grade leider nicht:/
19:21
Ist denn etwas passiert?
19:22

Nein schon gut
19:22
Sag mir eibfach bedcheid wenn fu zeit hast
19:22

Hast du etwa alkohol getrunken, babe? xD
19:24
Deine Rechtschreibung leidet nämlich xD
19:25

Nee keine sorgw, hab ich nichr
19:25

___

schrieb ich und blinzelte meine verschwommene Sicht weg, die mir das Eintippen erschwerte...

___

Okay, wenn du das sagst, aber geh mir ja nicht fremd :3
19:26

Mach ich nicht, ich liebe dich
19:26

Nawww ich dich auch schatz <3
19:27
Ich muss jetzt los, gute Nacht dir noch und pass auf dich auf<3
19:27

Gute nacht♡
19:27

___

"Gute Nacht", flüsterte ich meinem Handy zu und zum ersten mal, seitdem wir uns kannten, verfluchte ich es, dass er nicht meine Gedanken hören konnte, denn ich hätte ihn jetzt wirklich gerne gehört, seine Umarmung gespürt, die alles wieder ein Stückchen besser werden ließ. Aber er hatte grade besseres zu tun, als sich um einen verzweifelten Teenager zu kümmern, der nicht alleine mit seinen Eltern fertig wurde und das einzusehen, fiel mir schwer...

~~
Wow, ich bin stolz heute noch ein update geschafft zu haben.
Wie lief euer Outing so?(falls ihr eins hattet)

𝐖𝐎𝐋𝐅.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt