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"Bis irgendwann", flüsterte Jeongguk mir ins Ohr. Er wollte gehen und ich hatte ihn zur Haustür begleitet, aber uns beiden war klar, dass meine Eltern irgendwo versteckt in einem Raum saßen und uns belauschen wollten. Nachdem Vorfall am Frühstückstisch hatten sie keine unserer Bewegungen außer Acht gelassen und jede unserer Interaktionen "unauffällig" beobachtet. Wenn wir sie anschauten, drehten sie rein zufällig den Kopf wieder weg... sicher...

Wir mussten das wohl in Kauf nehmen, aber Jeongguk schien sich daraus einen Spaß zu machen. Er ließ hin und wieder Bemerkungen fallen oder verweilte mit seiner Hand zu offensichtlich, zu lange auf meiner. Ihnen entging das natürlich nicht, aber sie trauten sich nichts zu sagen. Nur ein gelegentliches Zucken im Gesicht zeigte mir, dass es ihnen nicht egal war.

Seufzend schob ich ihn vor die Haustür und zog sie hinter uns leicht zu, sodass wir nicht im Sichtfeld standen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals. "Das war nicht lustig."
Er lachte.
"Fand ich schon."

Er nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und küsste mich auf den Mund. Ich erwiderte zwar, behielt aber im Hinterkopf, dass wir nicht komplett alleine waren, schob ihn somit bedauernd etwas zurück und lehnte meine Stirn gegen seine.

Zudem spukte noch der Gedanke mit ihm und meinem Bruder in meinem Kopf und da konnte ich nicht einfach so tun, als sei nichts. Trotzdem konnte ich genauso wenig auf ihn verzichten und diese gemischten Gefühle treibten mich noch in den Wahnsinn. Konnte sich mein Kopf nicht einig sein, was er wollte?

"Sehen wir uns morgen?", flüsterte ich mit gesenktem Blick. "Weiß nicht", antwortete er knapp. "Du musst dich jedenfalls wieder verwandeln. Wenn du das zu lange unterdrückst und verhinderst, drehst du noch durch. Am hellichten Tag", die Worte klangen nach Erfahrung, aber ich fragte nicht weiter nach.

"Ich komme in der Nacht in den Wald, aber in die Schule...", er ließ die Aussage offen, um mich nicht zu enttäuschen, aber ich hörte das Bedauern raus. Also nein.

"Nimm mich mit", hauchte ich. Er lachte spöttisch auf. "Nein, das kann ich nicht."
"Warum nicht?", ich schaute ihm in die Augen, aber anders als erwartet schienen sie nervös, und voller Sorge. Er wollte mich sichtlich um alles auf der Welt davon abhalten.

"Du bist noch unerfahren. Hast dich doch noch nicht einmal unter Kontrolle. Ich kann nicht die Verantwortung tragen, wenn dir etwas passiert. Außerdem würde dein Bruder mich umbringen, wenn dir etwas zustößt", sagte er und biss sich auf die Unterlippe. Ich schnaubte belustigt.

"Mein Bruder? Der vor dem du mich gewarnt hast, dass ich ihm egal bin?"
Er schüttelte den Kopf und legte seine Hände an meine Taille. "Nein, das hast du falsch verstanden. Ich hab nie gesagt, dass du ihm egal bist. Er hat nur eine Denkweise entwickelt, bei der er zuerst an sich denkt. Aber er hat einen Grund dafür, auch wenn ich mich selber manchmal deswegen mit ihm streite. Du weißt einiges nicht über ihn, aber du bist ihm definitiv nicht egal. Du bist für ihn der wahrscheinlich wichtigste Mensch", erklärte er, aber ich glaubte ihm das nicht.

"Das war mal. Er wollte mich doch letztens von dir weghalten, weil er dich für sich wollte, oder irre ich mich da wieder?", während ich das sagte, fühlte ich mich schlecht. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, so über meinen Bruder zu reden, aber war nicht Jeongguk derjenige, der meinte ich solle ihn nicht dauernd in Schutz nehmen? Jetzt tat ich es mal nicht, und er war wieder anderer Meinung.

"Ja.. Nein, das ist etwas komplizierter. Aber ich kann dir so viel sagen, sogar wenn er in mich verliebt wäre, ich wäre nicht seine Erstwahl. Er empfindet nicht wirklich etwas für mich und das was er getan hat, hat er eher aus Eigennutzen getan. Er hat dabei an sich gedacht. Das hat er sich so angewohnt, weil sonst niemand an einen denkt. Man selbst ist sich der größte Beschützer, das musste er auf die harte Tour lernen. Aber wenn er erfährt, dass ich dich absichtlich in Gefahr gebracht habe, wird er uns beide köpfen, wenn du dann überhaupt noch einen Kopf hast", kicherte er, klang aber immer noch nervös.

"Okay dann warte ich hier auf dich. Aber du kommst morgen!", drohte ich spielerisch und hielt ihm mahnend den Zeigefinger vor die Nase. Er gab ein Küsschen darauf. "Versprochen."

Ich legte meinen Kopf schief, küsste ihn ein letztes Mal und löste mich dann von ihm.

"Bis morgen Abend."

"Bis morgen Taehyung."

Er drehte sich um, sprang die Treppe zu unserem Haus mit Leichtigkeit runter und verschwand im Wald.

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Lululul

𝐖𝐎𝐋𝐅.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt