Es war ein weiterer Tag vergangen, ich ging zwar immer noch in den Wald, suchte aber nicht mehr nach Black sondern genoss in einsamer Ruhe die Natur.
In der Schule sprach mich inzwischen kaum jemand an, nur Jeongguk suchte seltsamerweise immer mal wieder meine Nähe, aber auch das ohne mich anzusprechen.
Kurz gesagt mein Alltag war trist und einsam. Zu Hause verschwand ich direkt in meinem Zimmer und ging allen anderen aus dem Weg. Ich wusste nichts mit meiner Zeit anzufangen, also beschloss ich einen Brief zu schreiben. Ich schrieb jedes Jahr einen Brief an meinen Bruder. Normalerweise tat ich das an seinem Todestag, aber diesmal hatte ich irgendwie das dringende Bedürfnis jetzt schon einen zu schreiben.
Ich nahm einen kleinen Stapel Blätter, einen Collegeblock als harte Unterlage und meinen Schönschreibfüller und setzte mich auf meine Fensterbank.
In diesem Brief erzählte ich ihm von meinem Jahr, von unbedeutenden Kleinigkeiten, bis zu großen Ereignissen. Ich erzählte ihm von allem und irgendwann waren 4 Blätter vollgeschrieben und mein Kopf leer. Meine Hand tat weh, und als ich aus dem Fenster schaute, sah ich dass die Sonne grade optimal stand und mir ins Gesicht schien. Und dann fing ich einen neuen Gedanken. Ich schrieb über Black und erzählte wie er aussah, wo wir uns getroffen hatten, dass er mir das Gefühl von Geborgenheit gab, was so ironisch war, weil es meine Eltern die mich ein Leben lang begleitet hatten nicht geben konnten.
Und dann glitten meine Gedanken zu Jeongguk ich erzählte meinem Bruder, dass ich ihn unheimlich fand, dass er der eigenartigste und seltsamste Mensch war den ich kennenlernen durfte. Und dann setzte ich noch etwas hinten dran:
Ich glaube du hättest ihn gemocht. Er ist nämlich die Art von Mensch, die man nicht einfach durchschauen kann. Du hättest bestimmt gerne damit Zeit verbracht hinter seine Fassade zu schauen und seine Schale zu brechen. Falls er eine hat. Aber ich denke in Wirklichkeit ist er anders. Ich glaube er verstellt sich nur. Er tut nur so hart.
Du hättest bestimmt sein Vertrauen und ihn als Freund gewinnen wollen. Aber ich bin nicht wie du. Ich war es nicht und ich werde es nie sein, so sehr ich mich früher darum bemüht hatte. Ich bin schon froh darüber wenn er mich in Frieden lässt, aber irgendwie habe ich das Gefühl er hat es auf mich abgesehen. Und jedes Mal wenn sich unsere Blicke treffen habe ich gemischte Gefühle. Einerseits schießt das Adrenalin durch meine Adern und ich will ihm meine Standhaftigkeit und meine Stärke, in jeder Hinsicht, zeigen und andererseits will ich mich klein machen und einfach nur genau so sitzen bleiben und in seine Augen schauen. Er ist nicht besonders, aber seine Augen gefallen mir. Sie sind wie Onyx. Und sie glänzen so schön, sie strahlen irgendwie eine Wildheit aus. Aber sein Verhalten ist widersprüchlich zu dem was ich in seinen Augen sehe. Sie sind so lebendig, er benimmt sich wie ein Emo, sie spiegeln oft Gefühle und Empfinden oder Verlangen, sein Gesicht an sich ist immer Emotionslos. Ich habe weder die Lust noch die Kraft mich mit ihm zu beschäftigen oder ihn zu verstehen, aber er scheint anderer Meinung zu sein.Irgendwann fiel mir auf dass ich eine Seite über Jeon geschrieben hatte und kürzte das Thema ab. Als Abschluss sagte ich ihm wie sehr ich ihn vermisste und dass ich ihn unendlich liebte und unterschrieb zuletzt, ehe ich den Brief in eine Schachtel zu den anderen, vorherigen Briefen legte.
Ich seufzte einmal und öffnete mein Fenster. Anders als beim letzten Mal haderte ich gar nicht lange und schwang mich auf die andere Seite der Fensterbank. Ich sprang kurzerhand ab und landete sicher auf dem Vorsprung. Den lief ich entlang und beim Baum angekommen, sprang ich wie ein Eichhörnchen rüber und kletterte genauso schnell runter.
Ich war nie besonders sportlich gewesen, aber in letzter Zeit war mir eine deutliche Verbesserung schon in meinem Selbstvertrauen aufgefallen. Ich hatte keine Höhenangst mehr.
Diesen Weg war ich letzte Woche zum ersten Mal seit dem Vorfall damals noch mal gegangen und hatte bemerkt, dass ich absolut keine Schwierigkeiten hatte und da er kürzer und unauffälliger war als der Umweg durchs Haus, hatte ich angefangen den zu nehmen. Meine Eltern wussten zum Glück nicht, dass ich damals durch mein Fenster ausgebrochen war, denn sonst hätten sie es zugemauert. Um zurück ins Zimmer zu kommen, müsste ich mich später am Vorsprung entlanghangeln, aber da ich seltsamerweise stärker geworden war, konnte ich locker einige Klimzüge hinlegen.
Meiner Figur sah man das aber nicht an. Ich hatte mich gestern abend im Spiegel betrachtet, aber viel anders als sonst sah ich nicht aus. Ich hatte nur wieder mein Normalgewicht zurückerlangt und sah nicht mehr so abgemagert aus, aber Muskeln waren keine zu erkennen. Deswegen wunderte mich das ganze. Aber die Narbe an meinem Oberarm hatte sich verändert. Ich hatte es beim Umziehen nie bemerkt, aber sie war blau geworden. Dunkelblau wie das Meer bei Nacht, aber es war kein blauer Fleck, wie wenn man sich irgendwo stößt, nein sie war wie ein Blitz und die Farbe verlief entlang der einst verletzten Stelle.
Ich lief zum Wald und als ich ankam, war ich nicht mal angestrengt. Ich wollte austesten wie weit ich käme, meine Grenzen herausfinden und lief vom Waldrand los. Immer weiter durch zwischen Bäume durch. Aber anders als sonst erkannte ich jede Einzelheit, sah jedes Tier im Detail und nahm jedes Geräusch intensiv war. Als wäre ich jetzt erst zum Leben erweckt worden und hätte bis jetzt Jahrelang in meinem Körper geschlummert.
Ich rannte immer weiter, sprang über Stock und Stein und merkte gar nicht, wie ich irgendwann an einer befahrenen Straße ankam und hielt inne. Ich fühlte mich seltsam stark. Nicht nur physisch sondern auch mental. Als könnte mich niemand besiegen.
Und dann sah ich ihn. Er lag dort, still und ruhig, als würde er schlafen, aber die wachsamen Augen die jede meiner Bewegungen verfolgten, verrieten mir dass er bei vollstem Bewusstsein war.
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𝐖𝐎𝐋𝐅.
FanfictionScheiße, ich saß in der Falle. Für den Wolf war das anscheinend optimal, denn er trat aus seinem Mantel aus tiefschwarzen Schatten und näherte sich mir so sehr, dass mir das Mondlicht erlaubte ihn genauer zu betrachten. Sein Fell schimmerte in einem...