"Ich geh schlafen", verkündete ich und marschierte die Treppen hoch. In meinem Zimmer dämmerte ich erst das Licht ein, sodass es in meinem Zimmer schon fast dunkel war und holte schließlich mein Handy raus, bis ich merkte, dass ich eigentlich keine Lust auf darauf hatte. Es deprimierte mich, wie diese komplexe, künstliche Vorrichtung einen Menschen mit seinen primitiven Aufgaben schon fast hypnotisieren konnte. Man musste nur tippen und wischen und dennoch waren wir alle süchtig danach, weil die Apps Abwechslung versprachen. Bullshit, dieses Ding funktioniert mit nur 2 Zahlen. Nullen und Einsen. Das Leben war viel zu kompliziert, um es am Handy zu verschwenden.
Ich öffnete die Musikapp und spielte meine Musik ab, denn wenigstens dafür taugte es noch. Daraufhin schmiss ich es in eine Ecke meines Bettes und ließ mich rücklings in die Matraze fallen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf Troyes Stimme die aus den Lautsprechern erklang. Er war zwar schwul, aber da ich die LGBT Rechte unterstützte, störte es mich beim Musik Hören nicht. Ich musste ja nicht direkt selber schwul werden.
Während ich also da lag und wartete, dass meine Eltern endlich selber ins Bett gingen schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Was wenn ich den Wolf wiedersah? Ich musste an das Oberteil denken, das ich damals auf mein Bett gelegt hatte, weil es nach ihm roch und griff instinktiv mit beiden Händen an beide Seiten, aber da lag es natürlich nicht mehr.
Ich stützte mich mit meinen Oberarmen ab und schaute zu einem Kleiderhaufen frischer Wäsche auf meinem Schreibtischstuhl und dort unter meinem Lieblingsshirt, da lag es. Ich ging rüber und zog es hervor, aber der Geruch nach Wald war schon längst abgewaschen. Etwas traurig darüber, obwohl mein Verstand mir sagte, ich sollte mit diesem Wolf nichts Gutes in Verbindung bringen, zog ich mein aktuelles T-Shirt aus und streifte es mir über. Ich hatte das Gefühl, wenn ich dieses Shirt trug, würde auch der Wolf wieder auftauchen. Dabei war es nur ein einfaches schwarzes T-Shirt, das mir dezent zu groß war.
In dem Augenblick hörte ich Stimmen vor meiner Zimmertür und verschwand blitzschnell wieder unter meiner Bettdecke, mein Handy noch rechtzeitig auf stumm gestellt, da ging auch schon die Tür auf und der Kopf meiner Mutter schob sich durch den Spalt. "Gute Nacht", flüsterte sie, obwohl ich ja offensichtlich schon schlief. Sie konnte es sich nicht abgewöhnen und deswegen musste ich warten bis sie schlafen ging, denn sonst wäre mein Fehlen aufgefallen. Die Tür schloss sich wieder und ich wartete noch gefühlte 10 Minuten, ehe ich auf Zehenspitzen aus der Tür verschwand, die Treppen runterlief, mir den Schlüssel von der Komode und eine dünne Jacke schnappte und aus der Tür verschwand. Ich zog sie nur zu und lief dann zur Koppel.
Flocke stand wie immer dort, aber diesmal würde ich nicht den gleichen Fehler machen. Ich ging auf sie zu und gab ihr einen Zuckerwürfel. "Shh, alles gut", sagte ich noch ruhig, ehe ich mich auf einen Eimer stellte und mich auf ihren Rücken schwang.
Ich hatte sie gesattelt bevor ich ins Haus gegangen war, damit ich nun keine Zeit verlieren musste, also konnten wir einfach losreiten. Wir galoppierten bis zum Wald, aber dort stieg ich ab und band sie an einen Baum an. Ab hier wollte ich ihr den unheimlichen Weg ersparen. Das hatte sie nicht verdient. "Bleib brav hier", flüsterte ich ihr noch zu und verschwand dann in der Dunkelheit.
Es war Nachts und der Mond war von Wolken bedeckt, aber dennoch konnte ich meine Umgebung viel besser wahrnehmen als beim letzten Mal hier bei Nacht. Vielleicht einfach weil ich damals zu aufgewühlt war, aber etwas schien sich geändert zu haben. Ich nahm die leisesten Tiergeräusche war und könnte jeweils genau bestimmen von wo sie kamen. Und mein Geruchsinn erst. Ich roch verschiedene Tiere, die hier vorbeigelaufen waren und das war der Augenblick in dem ich mich fragte, ob ich mich selber angsteinflößend fand. Das alles passierte seitdem ich verschwunden war und es war nicht das erste mal, dass meine Sinne überempfindlich reagierten.
Ein Rascheln unterbrach meine Gedanken und obwohl ich mich zwingen wollte, ruhig zu bleiben, konnte ich nicht verhindern reflexartig die Luft einzuziehen und einige Schritte nach hinten zu stolpern.
Eine schwarze Pfote trat aus dem Gebüsch und ihr folgte in gebückter Haltung eine ebenfalls schwarze Schnauze. Die Zähne gefletscht, der Kopf geduckt. Er erkannte mich und sofort entspannte er sich etwas und zog die Zähne wieder ein, aber seine Haltung blieb dennoch vorsichtig.
Mein Herz klopfte mir bis zu den Ohren. Ich war noch aufgeregt, aber jetzt war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Ich war für ihn hier hergekommen, jetzt würde ich mich ihm auch nähern. Aber anscheinend hatte ich die Situation nicht so gut bedacht. Womit sollte ich ihm zeigen, dass ich in Frieden kam? Hätte ich vielleicht ein Stück Fleisch oder so mitnehmen sollen? Mist. Ich hatte nicht dran gedacht.
Ich ging langsam in die Hocke und krabbelte dann vorsichtig auf allen Vieren auf ihn zu. Erst beobachtete er mich nur skeptisch, aber als ich seine magische, unsichtbare Grenze überschritt, ertönte ein Knurren. Ich hielt in der Bewegung inne und er verstummte. Ich wollte ihm doch nichts tun, wie sollte ich ihm das zeigen? Aber er schien es auch so zu verstehen, und machte einen zaghaften Schritt nach vorne.
Es raschelte und sein restlicher Körper trat ebenfalls aus dem Gebüsch. Ich, immer noch auf allen Vieren, war erneut überrascht darüber, wie groß er eigentlich war und lehnte mich respektvoll zurück. Nun war ich derjenige, der Zweifel bekam. War das vielleicht doch nicht so eine gute Idee? Er könnte mich als Mitternachtssnack verspeisen.
In dem Moment erklang ein seltsames Geräusch aus seiner Richtung. Als würde er lachen.
Als würde er mich auslachen.
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𝐖𝐎𝐋𝐅.
FanfictionScheiße, ich saß in der Falle. Für den Wolf war das anscheinend optimal, denn er trat aus seinem Mantel aus tiefschwarzen Schatten und näherte sich mir so sehr, dass mir das Mondlicht erlaubte ihn genauer zu betrachten. Sein Fell schimmerte in einem...