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Der braune Wolf.

Ich hatte plötzlich panische Angst, denn obwohl ich mich inzwischen an Black gewöhnt hatte, galt das nicht für Wölfe im Allgemeinen. Der hier war unberechenbar. Er machte aber keine Anstalten mich zu bedrohen, bewegte sich nicht von der Stelle. Aber ich sah in seinen honigschimmernden Augen, dass meine Anwesenheit ihm nicht egal war.

Er wartete, dass ich den ersten Schritt machte, so wie Menschen es sonst bei verschreckten Tieren taten. Ich tat den ersten Schritt. Aber rückwärts.

Sobald mein Fuß den Boden hinter mir berührte, war es aus mit seiner Ruhe. Ein warnendes Knurren erfüllte die dicke Luft und seine Muskeln spannten sich unter dem braunen Fell an. Ich hielt inne. Er verstummte.

Er zwang mich also nach vorne.

Da mir wohl nichts anderes übrig blieb, um hier konsequenzenlos rauszukommen, tat ich ihm den Gefallen. Ich ging auf ihn zu und gab ihm wohl damit das Einverständnis sich mir zu nähern, denn er stand auf und ging zwei Runden um mich herum, ehe er sich an mein Bein schmiegte. Da er so groß war, schmiegte sich sein Kopf an meinen Bauch, aber es war nicht so unangenehm wie erwartet. Ganz im Gegenteil es war sogar irgendwie vertraut. Ob das jetzt daran lag, dass ich ihn kannte? Wer weiß.

Ich gewährte ihm jedenfalls sich auch gegen meine Hand zu schmiegen und als er mit großen Augen zu mir aufschaute, schaute ich zurück. Diese bernsteinfarbenen Augen. In meinem Inneren wusste ich, dass sie mir das liebste auf der Welt waren. Mir war nur nicht bewusst warum.

Seufzend setzte ich mich auf den Boden und erlaubte ihm seinen Kopf in meinen Schoß zu legen. Ich kraulte ihn und fühlte mich unendlich wohl. Aber es war anders als bei Black.

"Verstehst du mich auch?", fragte ich gerade heraus im Flüsterton. Er sah hoch und es schien als würde er die Augenbrauen hochziehen. Als wäre er verwirrt. Wohl eher nicht. "Wäre auch schon ein zu großer Zufall gleich 2 Wölfe zu finden, die mich verstehen", lachte ich. Daraufhin veränderte sich sein Blick und er machte ein Geräusch. Es klang weder wie ein Knurren noch wie ein Heulen oder Jaulen. Es klang wie eine Frage. Als hätte er "Zwei?" gefragt.

Ich lehnte mich überrascht nach hinten. Aber er machte nichts mehr. Als wäre das nicht passiert.

"Oh mein Gott, ich werde noch verrückt. Meine mentalen Zustände verschlechtern sich immer mehr", sagte ich mit zittriger Stimme und stützte meinen Kopf in meinen Händen. Es schien als hätte er Mitleid und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Als wollte er mich trösten. Aber kaum hatte er das getan, ertönte ein leises Knurren. Kaum hörbar für ein menschliches Gehör, aber sowohl er als auch ich hatten es gehört, denn er entfernte sich augenblicklich. Es schien als wollte das Knurren ihn vor irgendwas warnen. War da noch ein Wolf im Gebüsch? Beobachtete er uns? Und wovor warnte er ihn?

Sah er mich als Gefahr an? Oder wollte er mich angreifen? Oder den Wolf vor mir...
Ich hatte plötzlich unterschwellige Angst und das Bedürfnis zu verschwinden bevor sich ein Kampf herauskristallisieren konnte, bei dem offensichtlich ich verlieren würde.

Also verabschiedete ich mich bei dem Wolf und tätschelte ihm den Kopf. Diesmal hielt er mich nicht auf und schaute mir nur mit großen Augen nach.

Sobald ich aus seinem Sichtfeld verschwunden war, hörte ich ein Jaulen hinter mir und wollte umkehren, aber mein gesunder Menschenverstand trieb mich dazu schneller nach vorne zu laufen. Schneller, immer schneller, bis ich rannte. Ich vernahm hinter mir ein Rascheln, das mich die ganze Strecke über verfolgte, aber ich wagte es nicht nachzuschauen, sondern lief mit pochendem Herzen weiter. Nicht vor Anstrengung, sondern vor Panik. Diese Panik pumpte nur noch mehr Adrenalin durch mein Blut, sodass ich immer schneller wurde und letztendlich unser Grundstück erreichte.

Das letzte was ich hörte, war eine Eule die hinter mir wegflog und dann wog ich mich endlich in Sicherheit. Es war inzwischen Abend.

Was wohl mit dem Wolf passiert war?

𝐖𝐎𝐋𝐅.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt